Der dubiose EnBW-Deal hat Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus viel Kritik eingebracht. Im Untersuchungsausschuss kämpft er um seine Ehre.

Stuttgart - Es ist ein bisschen wie früher. Stefan Mappus betritt den Plenarsaal im Stuttgarter Landtag – und steht sofort im Mittelpunkt des Interesses. Ein Pulk von Fotografen und Kameraleuten belagert ihn, er plaudert mit Weggefährten aus CDU und FDP, wirkt gut gelaunt und scherzt sogar. Doch sein Platz ist an diesem Freitag nicht ganz vorne in der Regierungsbank. Von dort haben ihn die Wähler vor einem knappen Jahr verbannt, nun sitzt dort ein Vertreter des Rechnungshofs. Der Ministerpräsident außer Diensten setzt sich in die vorderste Abgeordnetenbank, neben sich einen prominenten Anwalt als Zeugenbeistand: Überraschend hat er Stephan Holthoff-Pförtner mitgebracht, der einst Helmut Kohl in der CDU-Spendenaffäre verteidigte. Sein bisheriger Stuttgarter Anwalt hält sich dezent im Hintergrund.

 

Einen Verteidiger braucht der ehemalige Ministerpräsident bei seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss zum EnBW-Deal eigentlich nicht. Es gälten zwar die Regeln der Strafprozessordnung, belehrt ihn der Vorsitzende Ulrich Müller (CDU), aber es sei „kein Strafprozess“. Genau das indes unterstellt der Ex-Premier der grün-roten Regierung. Einer „Anklageschrift“ gleiche deren Bericht zu dem milliardenschweren Aktiengeschäft, und dagegen will er sich wehren. Nach Angaben zu Alter (45) und Beruf (Diplomökonom) legt Mappus so los, wie man ihn von früher kennt: nicht etwa kleinlaut, sondern selbstbewusst, nicht zerknirscht, sondern offensiv.



Seine Hauptbotschaft platziert er gleich zu Beginn der 75-minütigen Erklärung, die er weitgehend vom Blatt abliest. Er habe den Rückkauf der EnBW-Aktien „nach bestem Wissen und Gewissen und aus zwingenden Sachgründen“ vorbereitet und durchgeführt. Ausführlich schildert er, wie die Électricité de France (EdF) ihn unter Zugzwang gesetzt habe: Die Franzosen hätten bei ihrer deutschen Beteiligung eine Mehrheit angestrebt, was er jedoch nie akzeptiert hätte; andernfalls wollten sie sich von ihrem 45-Prozent-Anteil trennen. Wie ernst sie es damit meinten, sei ihm am 10. November 2010 bei einem Treffen mit EdF-Chef Henri Proglio in Paris deutlich geworden. „Everything is on the table“, mit diesem „Paukenschlag“ habe der Konzernchef das Gespräch mit ihm und den Vertretern der Investmentbank Morgan Stanley eröffnet. „Dieses Treffen hat mich sehr aufgewühlt“, berichtete der Ex-Premier. In der Folge sei die Idee gereift, lieber selbst aktiv zu werden, bevor die EdF mit anderen Investoren anbandele. „Proaktiv“ bezeichnet Mappus sein Vorgehen.

Mappus hält zu seinem Freund Dirk Notheis

Zwei Wochen später wurde bereits über den Preis verhandelt. Fünfzig Euro hätten die Franzosen zunächst haben wollen, referierte Mappus, bei 40 Euro sei man schließlich gelandet; die Dividende von 1,50 Euro sei als „durchlaufender Posten“ obendrauf gekommen. Nach wie vor halte er das für einen guten Preis – im Gegensatz zur grün-roten Koalition, die argwöhnt, er habe eine Milliarde Euro zu viel gezahlt. Bei der Bewertung verließ sich Mappus ganz auf seinen Freund Dirk Notheis, den Deutschlandchef von Morgan Stanley. Von diesem fühle er sich genauso gut beraten wie von den Anwälten der Kanzlei Gleiss Lutz. Es könne keine Rede davon sein, dass er sich als „Beratungsopfer“ sehe – eine Strategie, die in der CDU durchaus verfolgt wird.

Der CDU stößt vor allem die Causa Willi Stächele auf

Doch den Anwälten schiebt Mappus zugleich die Verantwortung dafür zu, dass sein Vorgehen später als Verfassungsbruch verurteilt wurde. Sie hätten den Weg über das Notbewilligungsrecht gewiesen, mit dem der Landtag ausgeschaltet wurde. Es möge ja sein, dass sie intern über Risiken diskutiert hätten. Ihn habe dies jedoch nicht erreicht. Bei etwaigen Zweifeln, so der Ex-Premier, hätte er das Geschäft sofort abgebrochen. Über das Urteil des Staatsgerichtshofs, bekennt er, sei er „doch sehr überrascht gewesen; ich hätte nicht im Ansatz damit gerechnet“. Des Verfassungsbruches möchte sich Mappus aber nicht bezichtigen lassen: Dies nämlich würde Vorsatz unterstellen, und er habe „zu keiner Zeit vorsätzlich“ gehandelt. Selbstkritik lässt er nur insofern erkennen, als er sein Vorgehen als „grenzwertig“ bezeichnet. Außer der Umgehung des Landtags würde er jedoch wieder so handeln.



Nach dem ausführlichen Bericht darf als Erstes die CDU-Fraktion Fragen stellen – und die schont ihren einstigen Vormann nicht unbedingt. Ausführlich erkundigt sich ihr Obmann Volker Schebesta nach der Rolle von Dirk Notheis, für dessen Arbeit Mappus höchstes Lob gefunden hat. Die späte Einbeziehung von Finanzminister Willi Stächele, der erst am Vorabend des Kaufes informiert worden war, rügt Schebesta offen: er wollte mit einer solchen Thematik bitte nicht erst spätnachts konfrontiert werden.

Am Vorabend des Vertragsabschlusses, so Mappus, habe der französische Industrieminister Eric Besson „sein Plazet“ dafür verweigert, dass EdF seine Anteile an dem drittgrößten Versorger in Deutschland verkaufen kann. Erst Stunden später sei „von höchster Stelle“ grünes Licht gekommen.

Doch Willi Stächele bleibt das Salz in der Wunde der CDU. In der Partei ist weitgehend unbestritten, dass Mappus mit seinem Finanzminister übel umgesprungen ist. Der Ex-Regierungschef räumt im Untersuchungsausschuss unumwunden ein, dass Stächele als Finanzminister über ein eigenständiges, verfassungsrechtlich verankertes Prüfungsrecht verfügte: ohne die Unterschrift Stächeles wäre der von Mappus beim Rückkauf der EnBW-Aktien eingeschlagene Weg nicht gangbar gewesen. Mappus Richtlinienkompetenz endete am Kiel von Stächeles Füllfederhalter. Und diesen Mann stellte er in der Nacht vor dem Vertragsabschluss vor vollendete Tatsachen – an der Grenze zur Nötigung, wie der Grünen-Obmann Hans-Ulrich Sckerl einwirft?

Immerhin hatte Mappus an jenem Abend vor dem Gespräch mit Stächele Zeit gefunden, mit einem Redakteur der „FAZ“ ein Hintergrundgespräch zu führen. Offenbar war ihm sehr daran gelegen, den Rückkauf der EnBW-Aktien offensiv zu vermarkten.

Stächele hat von „Schweinerei“ gesprochen

Sein Verhältnis zu Stächele sei bis heute tadellos und von Vertrauen geprägt, gibt Mappus zu verstehen. Jeder im Saal weiß, dass das nicht stimmt. Mappus’ Handeln an jenem Abend vor dem Vollzug des Rückkaufes beweist dies ja auch hinreichend. In einem Zeitungsinterview sprach Stächele jüngst auch von einer „Schweinerei“, wie mit ihm umgegangen worden sei.

In seiner Regierungserklärung vom 15. Dezember 2010 hatte Mappus vor dem Landtag zur Prüfung des Notbewilligungsrechts erklärt, er habe ein verfassungsrechtliches Gutachten der beratenden Anwaltskanzlei eingeholt, welches das Vorgehen des Finanzministers bestätigt. Er fügte damals hinzu: „Das Finanzministerium hat diese Frage des Geschäfts ebenfalls geprüft und ist zum selben Ergebnis gekommen.“ So war es nicht. Gestern im Untersuchungsausschuss argumentiert Mappus anders: Das Finanzministerium habe umständehalber keine eigene Prüfung vornehmen können – sieht man einmal von der nächtlichen Einbestellung Stächeles ab.

Der SPD-Obmann Andreas Stoch will von Mappus wissen, ob er in der Frage des Haushaltsvorbehalts Druck auf die beratenden Anwaltskanzlei ausgeübt habt. Irgendwie, so habe Mappus damals möglicherweise verlangt, müsse der Parlamentsvorbehalt doch zu umgehen sein. Druck? Nein, sagt Mappus, Druck habe er keinen ausgeübt. Eine Erwartungshaltung sei schon da gewesen bei ihm.

Am Ende zeigt Mappus Gedächtnislücken

Es ist der CDU-Abgeordnete Alexander Throm, der länger noch als Grün-Rot den Parlamentsvorbehalt thematisiert. Am 30. November 2010 hatte die Kanzlei Gleiss Lutz demnach das Notbewilligungsrecht des Finanzministers als gangbaren Weg abgesegnet. Aus einer Mail vom 2. Dezember aber geht hervor, dass die Anwälte dann doch die Gefahr sahen, die schwarz-gelbe Landesregierung könne womöglich vor dem Staatsgerichtshof Schiffbruch erleiden. Mappus sagt, er kenne die Mail nicht.

Die Fragen der Abgeordneten wiederholen sich, vermutlich in der Hoffnung, dass Mappus sich widerspricht. Der wiederum reagiert zunehmend ungehalten. „Das habe ich Ihnen doch schon drei mal erklärt“, beschwert er sich immer öfter. Die angebotene Pause aber lehnt er ab. Der Nachmittag verstreicht. In der Stadt wartet Dirk Notheis, der Deutschlandchef der Investmentbank Morgan Stanley. Der Mappus-Freund soll als Nächstes befragt werden. Die Befragung plätschert dahin. Ulrich Müller, der Ausschussvorsitzende macht sich Notizen mit grüner Farbe, wie das Minister tun. Müller war mal Minister und Mappus sein Staatssekretär, als eine hoffnungsvolle Karriere ihren Anfang nahm.