Am Freitag nimmt der Untersuchungsausschuss zum EnBW-Deal seine Arbeit auf. Als erste Zeugen werden zu Beginn Stefan Mappus und Dirk Notheis gehört.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Das Medieninteresse ist gewaltig. So viele Journalisten aus dem In- und Ausland wollen an diesem Freitag die erste öffentliche Sitzung des Untersuchungsausschusses zum EnBW-Deal beobachten, dass der Landtag kurzfristig den Ort wechseln musste: Statt im zu engen Mosersaal werden die ersten Zeugen – Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus und sein Bankerfreund Dirk Notheis – nun im Plenarsaal vernommen. Ähnlich hohe Bedeutung wird dem Gremium auch in der Politik beigemessen. Es handele sich um den wohl „wichtigsten Untersuchungsausschuss in der Geschichte des Landes“, meint ein Regierungsstratege. Sowohl das Volumen des von Mappus eingefädelten Geschäfts – fast fünf Milliarden Euro – als auch sein Vorgehen seien schließlich bundesweit beispiellos.

 

Noch vor einem halben Jahr war keineswegs sicher, ob es den Ausschuss überhaupt geben würde. Die Grünen zeigten zunächst wenig Neigung, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Ihre seltsame Begründung: es gebe kaum Akten, auf deren Grundlage man nachfassen könnte. Bei der SPD galt lange die Devise, die parlamentarische Untersuchung sei ein Instrument der Opposition; inzwischen regiere man aber. Zum Sinneswandel kam es erst, als die Köpfe nach der Volksabstimmung zu Stuttgart 21 wieder frei waren für andere Themen. Auch die CDU wollte da nicht mehr hintanstehen und forderte ebenfalls einen Untersuchungsausschuss.

Vieles ist nicht dokumentiert

Gelohnt hat sich das Gremium schon jetzt. Dank der Unterlagen, die von den Beteiligten – teils nach längerem Ringen – zur Verfügung gestellt wurden, weiß man erheblich mehr über das Zustandekommen des Milliardengeschäfts. Vieles ist zwar nicht dokumentiert, auch weil es eine Vorgabe gab, möglichst wenig schriftlich zu kommunizieren. Doch die inzwischen ordnerweise vorhandenen Akten erhellen bereits einige Hintergründe des Deals mit dem Codenamen „Olympia“. Die verbleibenden Lücken sollen nun mit Hilfe der Zeugen geschlossen werden. An die 50 sind bereits benannt, weitere könnten folgen.

Rechtlich ist Mappus’ Nacht-und-Nebel-Aktion ohnehin längst eindeutig gewürdigt: Der Aktienkauf ohne Beteiligung des Landtags, urteilte der Staatsgerichtshof, sei ein klarer Verfassungsbruch gewesen. Wie aber, das dürfte eine der zentralen Fragen sein, konnte es dazu kommen? Den Weg über das eigentlich für Naturkatastrophen vorgesehene Notbewilligungsrecht, sagt der Expremier, hätten ihm die Anwälte von Gleiss Lutz gewiesen. „Ich hätte . . . nichts getan, was rechtlich fragwürdig gewesen wäre.“ Tatsächlich segnete die Kanzlei den Trick letztlich als vertretbar ab. Zuvor aber hatte sie ausführlich die Risiken thematisiert, einschließlich einer Klage samt Niederlage vor dem Staatsgerichtshof. Der Kauf bliebe in diesem Fall trotzdem gültig, wurde intern festgehalten. Vieles spricht dafür, dass Mappus das Geschäft unbedingt wollte – und alle Hürden irgendwie aus dem Weg geräumt werden mussten. Gleiss Lutz scheint jedenfalls nicht gewillt zu sein, sich die Rolle des alleinigen Sündenbocks zuweisen zu lassen.

Hat Mappus die Aktien zu teuer gekauft?

Schwerer dürfte sich der Ausschuss mit einer anderen zentralen Frage tun: hat Mappus die EnBW-Aktien, wie Grüne und SPD argwöhnen, zu teuer gekauft? Geklärt wird dies letztlich von einem internationalen Schiedsgericht, vor dem das Land kürzlich den französischen Staatskonzern EdF als Verkäufer verklagt hat. Auch der zunächst unwillige Rechnungshof prüft inzwischen auf Wunsch des Landtags die Wertermittlung. Mit einem Ergebnis wird im Frühjahr gerechnet. Die Abgeordneten von Grünen und SPD wollen unter anderem wissen, warum die Investmentbank Morgan Stanley keine umfassende „Due Diligence“-Prüfung vorgenommen habe. Aus Gründen der Geheimhaltung, lautet die Erklärung, habe man nicht in die Bücher der EnBW schauen können. Doch diese Geheimhaltung, sagen Experten, wäre so gar nicht nötig gewesen: Die angeblich zu befürchtende „Kursexplosion“ hätte man angesichts des geringen freien Aktienanteils leicht in den Griff bekommen können.

Viel Voraussagen erwiesen sich als nicht haltbar

Vieles von dem, was Mappus im Hochgefühl des Deals verkündete, erwies sich inzwischen als nicht haltbar. Seine Rechnung, die Zinsen für die Milliardendarlehen aus der EnBW-Dividende zu bezahlen, war von Anfang an gewagt; „Volksverdummung“ sei das, urteilte ein Wirtschaftsblatt schon damals. Nach dem keineswegs nur durch den Atomausstieg, sondern auch durch hausgemachte Probleme bedingten Gewinneinbruch bei dem Energiekonzern reicht die fast halbierte Ausschüttung schon jetzt nicht mehr aus. Die Pläne für einen Börsengang, gar einen vierten baden-württembergischen Dax-Konzern, hatte Mappus selbst früh wieder relativiert. Kurz zuvor hatte Notheis noch versichert, das kühne Szenario sei durchaus realistisch. Hatte er seinen Freund dazu verleitet, den Mund offenkundig zu voll zu nehmen? Mit Spannung wird erwartet, wie weit die Aussagen der beiden Schlüsselfiguren heute übereinstimmen – sofern denn beide zu Wort kommen. Notheis ist zwar für 14 Uhr geladen. Doch es gilt als nicht völlig ausgeschlossen, dass sich die Anhörung von Mappus so lange hinzieht, dass der „Dealmaker“ erst beim nächsten Termin zum Zuge kommt.

Nach dem regulären Plan sollen dann die beteiligten Minister gehört werden, später die Mitarbeiter aus dem Staatsministerium und dann die Anwälte von Gleiss Lutz. Auf der Zeugenliste stehen auch der EdF-Chef Henri Proglio und hochrangige Manager. Angesichts des gespannten Verhältnisses zum Land gilt es aber als fraglich, ob sie zur Verfügung stehen.