Der Tarifstreit bei der Post ist zu Ende. Verdi hat für bestehende Mitarbeiter Zeit gewonnen, aber der Trend zu Billiglöhnen wurde nicht gestoppt – und der harte Konflikt hat die Sozialpartnerschaft erschüttert, schreibt StZ-Redakteur Matthias Schiermeyer.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Für die Postkunden ist die Einigung von Bad Neuenahr eine wirklich gute Nachricht. Der seit dem 8. Juni anhaltende unbefristete Streik hatte für Bürger und Unternehmen gravierendere Folgen, als die Post es zugeben mochte. Gleichwohl saß Verdi nicht am längeren Hebel – für die Gewerkschaft ist ein solch langer Arbeitskampf ebenso eine schwere Belastung, nicht nur für ihre Streikkasse.

 

Somit war es einerseits folgerichtig, dass die Tarifparteien an den Verhandlungstisch zurückkehrten – andererseits war es eine Überraschung. Denn die Unternehmensführung hatte immer mehr zur Eskalation beigetragen. In ganzseitigen Zeitungsanzeigen hatte sie gegen Verdi mobilisiert, und intern wurden die Streikenden von Verantwortlichen in ungehörigem Maße angegangen. Sogar mit einer Sekte wurde die Gewerkschaft verglichen. Post-Chef Appel hatte bis zuletzt wenig diplomatisch kundgetan, dass er von der Auslagerung der Paketzustellung in 49 Regionalgesellschaften nicht abzurücken gedenke. Zudem hat das Management viel unternommen, um den Streik zu brechen: Es hat mit gerichtlichem Beistand Beamte eingesetzt und Leihkräfte selbst ausländischer Leasingfirmen aufgeboten. Auch wurde zur Linderung der Streikfolgen Sonntagsarbeit angeordnet, obwohl dies womöglich ein Verstoß gegen das Arbeitsgesetz war. All dies sorgt bei jeder Gewerkschaft für böses Blut – erst recht bei der Post, einer Hochburg von Verdi.

Letztendlich hat die Gewerkschaft ihr Ziel, die Gründung der 49 Regionalgesellschaften rückgängig zu machen, verpasst. Sie hat lediglich erreicht, dass Mitarbeiter nicht direkt in die DHL Delivery GmbH’s transferiert werden. Wenn man die Beschäftigungssicherung bis Ende 2019 und den Ausschluss der Fremdvergabe in der Brief- und Verbundzustellung bis Ende 2018 hinzurechnet, dann bietet der Tarifabschluss der Belegschaft ein vorübergehendes Netz – keine Garantie für die Zukunft.

Langfristig wird das Entgeltniveau abgesenkt werden, weil der Markt es so vorgibt. Genau dieser Punkt hat dem Arbeitskampf eine so grundsätzliche Bedeutung über die Post AG hinaus verliehen. Verdi hat sich Zeit erkauft, mehr nicht. Die Auseinandersetzung wird tiefe Spuren hinterlassen, die Unternehmenskultur wurde nachhaltig beschädigt. Das sozialpartnerschaftliche Miteinander bei der Post dürfte nie mehr so werden, wie es einmal war.