Nach zwanzig Jahren endet in Friedrichshafen am Bodensee der „Zeitungskrieg“ zwischen „Südkurier“ und „Schwäbischer Zeitung“ – und der OB von Friedrichshafen bedauert die Verarmung der Berichterstattung.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Stuttgart - Der Angriff auf Friedrichshafen ist in aller Stille vorbereitet worden, die Überrumpelung des Gegners gelang perfekt. Da war er plötzlich, der „Südkurier“ aus Konstanz, hineingestürmt ins Herzgebiet der „Schwäbischen Zeitung“. Die martialischen Metaphern purzelten nur so im Jahr 1993. „Zeitungskrieg am Bodensee“ meldete, in Vorfreude auf schöne Scharmützel, der Südwestrundfunk.

 

In den vergangenen Jahren ist vom Furor, der sich mit dem Ende des Zeitungsmonopols der „Schwäbischen“ verband, wenig geblieben. Zwei Lokalredaktionen gaben in Friedrichshafen noch ihr Bestes, aber die Claims innerhalb der Leserschaft waren abgesteckt, große Geländegewinne nicht mehr zu erwarten. Rund 3000 Abonnenten, sagen Insider der „Schwäbischen Zeitung“, soll der „Südkurier“ in der Kleinmetropole, wo der Stadtteil Kluftern bereits badisch ist, zuletzt noch gehabt haben. Längst hießen die wahren Gegner der Verlagshäuser Google oder Facebook, und nicht die Abwerbung von Abonnenten der anderen Seite war mehr erstes Daseinsziel, sondern die Verzögerung der Erosion alter Zeitungsstrukturen durch den Wandel des Geschäfts.

Nun gibt der „Südkurier“ seinen Angriff, der zum Patt führte, auf. Ende des Jahres stellen die Konstanzer ihre Ausgabe Friedrichshafen ein. Dem Vernehmen nach werden von acht Redakteuren sechs in andere Redaktionen versetzt, zwei sollen in Friedrichshafen bleiben und weiterhin zumindest eine tägliche Seite produzieren. Als wahrscheinlich gilt die Aufgabe des Trägersystems in der Messestadt und die Verringerung von Einzelverkaufsstellen. Eine Anfrage unserer Zeitung bei Geschäftsführung und Chefredaktion des „Südkuriers“ blieb unbeantwortet. Dem Branchendienst „kress“ bestätigte der „Südkurier“-Geschäftsführer Rainer Wiesner vor wenigen Tagen den Rückzug. „Leider ist der Markt gegen uns“, wird Wiesner zitiert.

Die Heftklammern der „Schwäbischen Zeitung“

Was bleibt, ist die Rückschau auf eine Zeit vor fast einem Vierteljahrhundert, in der das Internet publizistisch keine Rolle spielte und Zeitungsverlage mit prall gefüllter Kasse imperialistische Pläne verfolgten. Die überregionalen Blätter aus Frankfurt oder München heuerten Personal für Extraseiten aus Berlin an, auf denen Feuilleton und Lokales gekreuzt wurde. „Berliner Zeitung“ und „Tagesspiegel“ wetteiferten ihrerseits darum, dritte nationale Kraft neben der „Süddeutschen“ und der FAZ zu werden. Alles Gerangel von gestern.

Anfang der neunziger Jahre machte es in Friedrichshafen Heinz Gessler, Verleger und Gesellschafter des Schwäbischen Verlags, gerade anders herum: Er hütete seine Rendite, statt sie durch die Ausweitung des Leserangebots zu gefährden. Wollten seine Lokalredakteure Papier kleben, mussten sie an einen Leimtopf treten, der in der Mitte der Redaktionsräume an einem Nagel hing. Auf den Boden gefallene Heftklammern lagen am nächsten Morgen auf dem Schreibtisch der Verschwender, eine stumme Mahnung gegen jedweden Hedonismus. Den ärgsten Quälgeistern unter den Briefeschreibern entzog der Patriarch gerne mal das Abonnement. Sein Lokalblatt einschließlich aller Fotos ließ er in Schwarz-weiß drucken. Auf Berichte über Ereignisse ab dem späteren Freitagabend mussten die Leser lange warten. Eine lokale Montagsausgabe, fand Gessler, sei verzichtbar.

Zumindest ein Teil der über Jahrzehnte gesparten Millionen musste, als der „Südkurier“ einfiel, dann doch investiert werden. Die Zahl der Redakteure wurde rasch auf zehn erhöht, die Seitenzahl des Lokalteils stark ausgeweitet. Farbe gab’s und Pritt-Stifte, und die Stadt wurde mit Kugelschreibern, Zeitungshaltern und anderen Werbegimmicks geflutet.

Was dem „Südkurier“ fehlte: die Todesanzeigen

Es lassen sich Gründe finden, weshalb der „Südkurier“ den durch die Nachrüstung der „Schwäbischen Zeitung“ entstandenen Zeitvorsprung nicht entscheidend nutzen konnte. Einer ist, dass die Badener in ihrer Berichterstattung die selbe bürgerlich-traditionelle Grundhaltung vertraten wie der schwäbische Platzhalter. Im Ergebnis kam es zu einem Wettkuscheln, das sich die Redaktionen im Rathaus, aber auch bei den Vereinen, auf Sportplätzen und auf den bunt geschmückten Straßen der Fasnetsvereine lieferten. Überspitzt lässt sich sagen: Die Kontrahenten sind sich in ihrer Weltsicht so ähnlich gewesen, dass sie kaum voneinander zu unterscheiden waren. Zudem fehlten dem „Südkurier“ ein Lesestoff von ungeheurer Zugkraft: die örtlichen Todesanzeigen. Da half es auch nichts, dass eine Zeit lang die Namen von Verstorbenen schwarz umrahmt in den Anzeigenteil gestellt wurden, um den Markt doch noch in Schwung zu bringen.

Ist der Rückzug des „Südkuriers“ also ein später Sieg für den Schwäbischen Verlag? „Nein“, sagt der Chefredakteur Hendrik Groth, „wir gucken nur auf uns.“ Und das heißt, dass die „Schwäbische Zeitung“ ihrerseits zum Jahresende die Redaktionen in Markdorf und Pfullendorf, also auf badischem Gebiet, schließt. In Meßkirch wird zwar noch Zeitung gemacht, die Berichterstattung läuft in der Ausgabe Sigmaringen mit. Aber der Zustelldienst dort wird ebenfalls eingestellt. Alle betroffenen Beschäftigten, so der Chefredakteur, erhielten alternative Stellenangebote.

Der parteilose Friedrichshafener Oberbürgermeister Andreas Brand fürchtet die Verarmung der kommunalpolitischen Berichterstattung mit dem Start des kommenden Jahres. „Die Qualität, Lebhaftigkeit und Vielfältigkeit der öffentlichen Debatte ist bei konkurrierenden Medien immer höher“, sagt er. Der Gewinn für die Stadt durch den „Südkurier“ sei groß gewesen: „Der Verlust ist es nun auch.“ Die Schwäbische indes gelobt große Mühen. Ab Januar wird die Friedrichshafener Ausgabe um vier Seiten täglich und eine Redakteursstelle aufgestockt. Es gilt, möglichst viele Abonnenten des „Südkuriers“, die sich verlassen fühlen, herüberzubiegen.