Dem Münchner Kommunalunternehmen Thüga gehören Minderheitsbeteiligungen an vielen Stadtwerken. Lange hat die Partnerschaft funktioniert – doch nun wollten offenbar Stadtwerke unter anderem aus Baden-Württemberg am Stuhl des Thüga-Chefs sägen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Mit der Geheimniskrämerei treibt es die Thüga-Gruppe noch schlimmer als die EnBW in ihren schlimmsten Zeiten. Selbst früher, als der Karlsruher Energiekonzern noch ziemlich zugeknöpft agierte, veröffentlichte er stets die Vertragslaufzeiten seiner Vorstandsmitglieder: wer wie lange bestellt war, konnte man auf der Internetseite nachlesen. In der Münchner Zentrale der Thüga, wiewohl ebenfalls im kommunalen Besitz, wird hingegen gemauert: Man kommuniziere „grundsätzlich keine Informationen über Vertragslaufzeiten der Vorstandsverträge“, hat der Kommunikationschef eine Anfrage der Stuttgarter Zeitung beschieden.

 

Genauso schweigsam gibt sich der Sprecher, was die Zukunft des Thüga-Vorstandschefs Ewald Woste angeht. Ob bei ihm eine Vertragsverlängerung anstehe, wie aus Unternehmenskreisen verlautet, oder gar schon erfolgt sei – kein Kommentar. Auch von den Zeitabläufen spricht viel dafür. Woste führt das Unternehmen mit heute rund hundert Stadtwerke-Beteiligungen bereits seit 2007, als es noch zum Eon-Konzern gehörte. Er blieb Vorstandsvorsitzender, als es 2009 an eine kommunale Bietergruppe verkauft wurde. Sollte er damals einen neuen Fünfjahresvertrag bekommen haben, wäre jetzt – wie üblich ein Jahr vor Ablauf – die Verlängerung fällig.

Die Zäsur wollten Kritiker Wostes offenbar nutzen, um ihn in Frage zu stellen; auch ein potenzieller Nachfolger wurde schon ausgeguckt. Doch solche Bestrebungen, die nach StZ-Informationen maßgeblich auch von Baden-Württemberg ausgingen, fanden wohl nicht die nötige Unterstützung. Gleichwohl gibt es ein gewisses Rumoren in der Thüga-Gruppe, wie Insider, die nicht genannt sein wollen, bestätigen: Die Harmonie zwischen Stadtwerken, Städten und dem Unternehmen sei derzeit aus mehreren Gründen getrübt.

Wie alle Energieversorger leidet die Thüga unter der Energiewende und den immer noch ungeklärten Rahmenbedingungen; der künftige Umriss des Marktes wird dringend erwartet. Wie bei den Wettbewerbern schlägt sich die Ungewissheit in Zahlen nieder. Eine Kapitalerhöhung um 100 oder 150 Millionen Euro, die Woste angeblich plant, stößt intern nicht nur auf Gegenliebe. Anlass zu Missstimmung gibt aber vor allem die Rollenverteilung. Bisher verstand sich die Thüga vor allem als „Kapitalpartner“ der Stadtwerke, an denen sie Minderheitsbeteiligungen hält. Die Unternehmen bearbeiteten vor Ort den Markt, die Gruppe steuerte die Zusammenarbeit und offerierte zentrale Service- und Beratungsdienste.

Die Stadtwerke wollen nicht, dass Thüga mitbestimmt

Doch in jüngerer Zeit verspürten die Unternehmen, wie hinter vorgehaltener Hand moniert wird, zunehmend die „Neigung, bei uns reinzuregieren“. Die Thüga beschränke sich nicht mehr auf Dienstleistungen, sondern wolle bei der strategischen Ausrichtung mitreden. Bei den lokalen oder regionalen Versorgern, deren Selbstbewusstsein groß ist, kam das nicht gut an. Umgekehrt sei die Thüga-Führung ob der ihr angelegten Fesseln zunehmend frustriert gewesen; Woste soll vor einigen Monaten drauf und dran gewesen sein, das Handtuch zu werfen. Es herrsche einige Aufregung, „die Gremien tagen permanent“, berichtete ein Insider.

Zugespitzt hat sich der unterschwellige Konflikt, als unlängst der mit Kommunalvertretern besetzte Beirat tagte. Am Rande des Treffens wurde laut Teilnehmern heftig sondiert, ob sich eine Mehrheit gegen Woste schmieden ließe. Eine wichtige Rolle soll dabei die Spitze des Beirats gespielt haben, der von der Lörracher Oberbürgermeisterin Gudrun Heute-Bluhm (CDU) geführt wird. Auch als potenzieller Nachfolger wurde ein Südbadener genannt: Thorsten Radensleben, der Vorstandsvorsitzende der Freiburger Badenova. Beide, Woste und Radensleben, wurden übrigens gehandelt, als ein neuer Chef für die EnBW gesucht wurde. In der Energiebranche gilt der 51-Jährige immer noch als Aspirant für höhere Aufgaben. In Freiburg hingegen glaubt man, dass es ihn nicht mehr wegziehe.

Hinter dem abgeblasenen Putsch gegen Woste vermuten Branchenkenner indes nicht nur südbadische Kräfte, sondern einen Machtkampf auf Bundesebene. Der Thüga-Chef, so ihre These, sollte auch in seiner Funktion als Präsident des Bundesverbandes Energie- und Wasserwirtschaft (BdEW) getroffen werden; als solcher wurde er erst 2012 bestätigt. Strippenzieher hinter den Kulissen sei ein norddeutscher Stadtwerke-Chef mit Führungsfunktion im konkurrierenden Verband kommunaler Unternehmen, VKU.

Von der Beiratsvorsitzenden Heute-Bluhm ist zu alldem nichts zu erfahren. Sie verweist auf die Thüga-Pressestelle, die zu „Marktgerüchten“ schweigt.