Die gleichzeitige Erzeugung von Strom und Wärme mittels Kraft-Wärme-Kopplung gilt seit langem als klimaschonend. In den Planungen der Bundesregierung kommt das Thema aber kaum noch vor.

Stuttgart - Im Jahr 2007 war das Jahr 2020 noch relativ weit weg. Trotzdem war das Ziel schon damals ambitioniert: Innerhalb von 13 Jahren sollte die Stromerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung von gut 14 auf 25 Prozent steigen. Angestachelt vom bevorstehenden Klimagipfel auf Bali wollte die damalige große Koalition in Berlin als Musterschüler in Sachen Klimaschutz glänzen und setzte sich mit den „Meseberger Beschlüssen“ vorbildliche Klimaschutzziele. Ein Vehikel, sie zu erreichen, sollte unter anderem die gemeinsame Erzeugung von Strom und Wärme sein, besser bekannt als Kraft-Wärme-Kopplung (KWK, siehe unten).

 

So richtig vorangekommen mit dem ehrgeizigen Ziel ist Deutschland seither nicht. Heute stammen etwa 16 Prozent des erzeugten Stroms in Deutschland aus KWK-Anlagen, also gerade einmal zwei Prozentpunkte mehr als vor sieben Jahren. Etwa die Hälfte davon entfällt auf Fernwärmekraftwerke, die in Ballungsgebieten Strom und Wärme liefern. Ein weiteres Drittel läuft in der Industrie, der Rest sind kleinere und Kleinstanlagen, die Gewerbebetriebe, Schwimmbäder, Wohnhäuser oder Quartiere versorgen. Da die Anlagen die Abwärme der Stromerzeugung nutzen, um Haushalte mit Wärme zu versorgen, glänzen sie mit einem hohen Wirkungsgrad von 90 Prozent und mehr. Die effizientesten Kraftwerke, die ausschließlich Strom erzeugen, schaffen einen Wirkungsgrad von knapp 60 Prozent.

Das Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz ist veraltet

Um die effiziente Technik zu fördern, zahlt jeder Stromverbraucher eine Umlage: In der Stromrechnung zu finden unter dem Stichwort KWK-Umlage. Aus der Summe erhalten die Betreiber der KWK-Anlagen Zuschläge. Grundlage für die auf Verbraucher umgelegte Förderung ist das Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz (KWKG), das zuletzt im Jahr 2012 reformiert wurde.

Eine Überprüfung des Gesetzes ist regelmäßig vorgesehen – zuletzt eigentlich für das vergangene Jahr. Doch geschehen ist 2014 nichts, außer, dass eine Expertenkommission im Herbst eine Potenzialanalyse vorgelegt hat. Sie konstatiert, dass die KWK schon heute gegenüber der ungekoppelten Strom- und Wärmeerzeugung rund 56 Millionen Tonnen Kohlendioxid einspart: „Bei einer Erschließung weiterer KWK-Potenziale sind gegenüber heute weitere Einsparungen möglich, auch wenn das zukünftige Stromerzeugungssystem durch den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien geprägt sein wird.“

Vor dem Sommer ist kaum mit einem Entwurf zu rechnen

Erst vor wenigen Wochen hat die Bundesregierung mit großem Auftritt einen „Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz“ und das „Aktionsprogramm Klimaschutz 2020“ vorgelegt, doch dort kommt die KWK gar nicht beziehungsweise nur am Rande vor. Das federführende Bundeswirtschaftsministerium, das sich beim Thema Energiewende an sich mächtig ins Zeug legt, ist mit dem Strommarktdesign beschäftigt und sinnt darüber nach, wie sich in Zukunft der Betrieb von konventionellen Kraftwerken als Gegenspieler von Wind und Sonne garantieren lässt, auch wenn die Kraftwerke immer seltener laufen. Da dieses Thema mit der Kraft-Wärme-Kopplung zu tun hat (schließlich sind auch viele KWK-Anlagen mit Kohle oder Gas betrieben), muss die KWK-Gesetzesnovelle warten, bis man beim Strommarktdesign klarer sieht, heißt es aus dem Ressort von Minister Sigmar Gabriel (SPD). Vor dem Sommer ist also kaum mit einem Gesetzentwurf zu rechnen.

Derweil aber sieht die Branche ihre Felle davonschwimmen. Denn im Gesetz von 2012 ist noch unterstellt, dass sich die Megawattstunde Strom am Markt für 60 Euro verkaufen lässt. Mittlerweile aber liegt der Börsenstrompreis für die Megawattstunde bei nur noch etwa 32 Euro – Tendenz sinkend. Die Kalkulation der Fernwärmekraftwerke stimmt also nicht mehr. Für viele Anlagen, vor allem erdgasbetriebene, führt das dazu, dass sie nicht kostendeckend arbeiten. In einer aktuellen Umfrage unter Stromversorgern erhielt der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) jüngst nur von der Hälfte der KWK-Betreiber die Antwort, dass die Anlagen ihre Kosten decken. Fast ein Drittel nannte seine Anlagen „unwirtschaftlich“.

In Tübingen laufen öfter Gaskessel statt des BHKW

Ein Unternehmen, das mit diesen schwierigen Rahmenbedingungen umgehen muss, sind beispielsweise die Stadtwerke Tübingen. Der Regionalversorger setzt bereits seit den siebziger Jahren auf Kraft-Wärme-Kopplung und betreibt beispielsweise im Stadtteil Waldhäuser-Ost ein relativ großes Blockheizkraftwerk (BHKW), das mit seinen vier Gasmotoren seit 15 Jahren nicht nur Haushalte, sondern auch ein Studentenwohnheim und ein Schwimmbad mit Wärme versorgt. Vor zwei Jahren haben die Tübinger das BHKW komplett saniert.

Seit 2009, so berichtet Peter Kaiser, Chef der Erzeugung bei den Stadtwerken, ist die Stromerzeugung aus KWK um rund ein Viertel zurückgegangen. Die Wärmeproduktion sank etwas stärker, weil die Anlagen mehr Wärme als Strom erzeugen. Der Grund für den Rückgang ist einfach: Der Betrieb des Heizkraftwerkes rechnet sich nur, wenn der erzielbare Strompreis die Kosten deckt. Das ist heutzutage aber nicht immer der Fall. Wie aber bekommen die Haushalte, die an das Fernwärmenetz angeschlossen sind, dann ihre Wohnungen warm? Die Antwort: die Stadtwerke produzieren die Wärme in Gaskesseln statt im BHKW. Der hat aber naturgemäß einen niedrigeren Wirkungsgrad und ist nicht ganz so umweltschonend wie die gekoppelte Anlage. „Für den wirtschaftlichen Betrieb des umweltschonenden Heizkraftwerkes ist die KWK-Zulage unerlässlich“, sagt Peter Kaiser.

Das 25-Prozent-Ziel ist nicht zu halten

Die Stadtwerke als Unternehmen sind nun in einer schwierigen Situation: Denn eigentlich rechnet sich der Einsatz des BHKW immer öfter nicht mehr, andererseits ist das Kundeninteresse an Fernwärme groß, da diese Heizungsart rechnerisch die Energiebilanz von Häusern senkt und damit Bauherren oder Sanierern andere verbrauchssenkende Investitionen erspart. Die Tübinger wollen entsprechend auch weiterhin auf Kraft-Wärme-Kopplung setzen: „KWK halten wir für eine sehr sinnvolle Erzeugungsart. Daher warten wir in der Branche auf die angekündigte und dringend benötigte Novellierung des KWKG“, so Kaiser.

Tübingen steht mit diesem Problem nicht alleine da, wie die Umfrage des BDEW zeigt. Sollte es bei der aktuellen Förderung und bei den niedrigen Strompreisen bleiben, rechnen Beobachter maximal mit einem stabilen KWK-Anteil an der deutschen Stromerzeugung. Daran, dass das 25-Prozent-Ziel zu halten ist, das in Paragraf eins des KWK-Gesetzes steht, glaubt ohnehin niemand mehr. „Unter Berücksichtigung der aktuellen Marktbedingungen wird die KWK-Stromerzeugung bis zum Jahr 2020 gegenüber dem heutigen Stand stagnieren. Das aktuelle Ziel von 25 Prozent KWK-Stromerzeugung im Jahr 2020 wird demnach deutlich verfehlt werden“, heißt es in der im Oktober vergangenen Jahres veröffentlichten Potenzialstudie.

Kraft-Wärme-Kopplung

Technik
Egal ob mittels Turbine oder mittels Motor erzeugt: bei der Produktion von elektrischer Energie (Strom) entsteht immer auch thermische Energie (Wärme). Bei Kraftwerken wird diese Wärme oft entsorgt. Die Kraft-Wärme-Kopplung hingegen macht sich beide Energieformen zunutze: Mit der Wärme heizen Haushalte oder Betriebe, und in der Industrie wird die thermische Energie oft als Prozess-wärme genutzt – beispielsweise zum Trocknenvon Papier oder Schmelzen von Kunststoff. Die elektrische Energie wird ins Netz eingespeist oder selbst genutzt. Bis vor Kurzem war Letzteres insofern privilegiert, als für eigengenutzten Strom keine EEG-Umlage gezahlt werden musste. Seit August 2014 wird für Neuan-lagen eine reduzierte EEG-Umlage erhoben.

Förderung
Zurzeit beträgt die Abgabe zur Förderung der KWK 0,254 Cent pro Kilowattstunde. Für einen Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 4000 Kilowattstunden bedeutet das eine Belastung von rund zehn Euro pro Jahr. Zur Förderung erneuerbarer Energien bezahlt er jährlich rund 250 Euro EEG-Umlage. Anlagenbetreiber erhalten aus der KWK-Umlage eine Förderung – neue Anlagen für 30 000, modernisierte für 15 000 Betriebsstunden.

Wärmespeicher verschaffen der KWK Flexibilität

Problem
In der Regel werden KWK-Anlagen wärmegeführt betrieben – das heißt, der Wärmebedarf bestimmt den Einsatz, die Stromerzeugung ist ein Nebeneffekt. Seit aber die Strompreise so niedrig sind, können viele Anlagen nur dann noch ohne Verlust eingesetzt werden, wenn sie zu Zeiten laufen, in denen der Strompreis an der Börse eine gewisse Höhe hat.

Lösung
Abhilfe kann ein Wärmespeicher schaffen, wie ihn die MVV seit gut einem Jahr in Mannheim betreibt.In einem 36 Meter hohen Zylinder, einer Art Riesenthermoskanne, kann Wärme aufbewahrt werden. Die MVVist mit dem Speicher Vorreiter und berichtet, dass Interessenten aus aller Welt nach Mannheim pilgern, um sichzu informieren.