Ein acht Meter hohes „Kraftwerk“ ist für das nächste Frühjahr im Gerlinger Gewerbeareal geplant. Eine Stahlkonstruktion sieht aus wie ein Baum – einer von wenigen in Deutschland.

Gerlingen - Es sei „kein Baum im biologischen Sinn“, erläuterte Martin Prager, der Leiter des Baurechtsamts im Technischen Ausschuss. Sondern ein „Windbaum“, eine technische Neuigkeit. Deshalb wurden die Stadträte gefragt, ob sie dem kleinen Kraftwerk vor einem Firmengebäude an der Dieselstraße zustimmen. Ergebnis: die Innovation ist erwünscht – vielleicht wird sie gar zur „Pilgerstätte“, wie der Bürgermeister Georg Brenner schätzte.

 

Die Firma Endress und Hauser-Conducta ist ein im technischen Bereich tätiges Unternehmen, hauptsächlich werden Geräte zur Analyse von Flüssigkeiten entwickelt und produziert. Zu den Unternehmenszielen gehört der verantwortungsbewusste Umgang mit Energie.

72 Rotoren an Ästen aus Stahl

Dies wurde am Standort Gerlingen, der Deutschland-Zentrale des Unternehmens mit ursprünglichem Sitz in der Schweiz, mehrfach zum Ausdruck gebracht. „Mit dem ,Windbaum’ wollen wir die Einstellung der Firma nach außen zeigen“, sagt der Unternehmenssprecher Stephan Köhler. Erdkollektoren für die Lüftung der Gebäude, zertifiziertes Energiemanagement oder der Einsatz von Elektrofahrzeugen: das seien nur einige Beispiele, wie und wo Innovationen umgesetzt werden.

Nun also die Nutzung der Windenergie. Ein „Windbaum“ produziert Strom mittels 72 kleiner Rotoren, die wie Blätter aussehen, aber senkrecht an Ästen aus Stahl montiert sind. Die Anlage leistet bis zu drei Kilowatt – etwa doppelt soviel wie eine Solaranlage auf einem Einfamilienhaus.

Das kleine Windkraftwerk werde rund 60 000 Euro kosten, sagt Köhler, dazu kämen das Fundament, die Anschlüsse und ein Energiespeicher. Das Ganze sei eine „Mischung aus Skulptur, Kunstobjekt und Windgenerator“. Das Unternehmen wolle damit „visualisieren, was wir tun“, sagt Köhler – und den Windbaum Anfang nächsten Jahres aufstellen.

Strombedarf einer Familie im Jahr

Hergestellt wird der „Windbaum“ von der französischen Firma „New Wind“, die ihr Produkt „arbre à vent“ nennt. Es soll sich in Städten ins Gesamtbild einfügen und die in der Bevölkerung verbreiteten Vorbehalte gegen Windanlagen mindern.

In Fachartikeln ist von einer Stromerzeugung die Rede, die mit gut 3000 Kilowattstunden im Jahr den Bedarf einer Familie decke. Auf dem Place de la Concorde in Paris war eine Musteranlage zwischen März und Mai 2015 aufgestellt. In Deutschland läuft bisher ein „Windbaum“: im neuen Einkaufszentrum Ruhrpark in Bochum.

Die Gerlinger Stadträte stimmten dem Antrag von Endress und Hauser-Conducta zu. Ob die Rotoren denn Lärm verursachten, wollte Nino Niechziol (Junge Gerlinger) wissen. Der Baurechtschef Prager hielt die Schallbelästigung mit Hinweis auf den Standort im Industriegebiet für unbedenklich, „relevante Lärmwerte“ könne er sich nicht vorstellen. Rudolf Sickinger (CDU) hatte Bedenken wegen des Straßenverkehrs: Der „Windbaum“ könne Autofahrer ablenken. Doch auch diese Frage hielt die Stadträte nicht davon ab, dem Projekt einhellig Rückenwind zu verleihen.