Die Aktionäre verabschiedet sich auf der Hauptversammlung mit Applaus von Vorstandschef Hans-Peter Villis, der das Unternehmen verlässt.

Karlsruhe - Die Rahmenbedingungen für die deutsche Energiewirtschaft haben sich einschneidend, drastisch und signifikant geändert“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) Hans-Peter Villis am Donnerstag vor der Hauptversammlung des Konzerns. Die EnBW haben „wahrlich kein einfaches Jahr“ hinter sich. Die Energiewende habe spürbare finanzielle Auswirkungen für das Unternehmen gehabt – damit sei die EnBW „ein Spielbild der gesamten deutschen Energiewirtschaft“. Er blicke „verhalten“ in die Zukunft. Für das laufende Jahr rechne er mit einem um zehn bis zwölf Prozent niedrigeren operativen Ergebnis, ähnliches prognostizierte Villis auch für das Jahr 2013. Erst von 2014 an werde die EnBW wieder zu alter Stärke zurückfinden.

 

Der Konzern hatte im vergangenen Jahr einen Verlust in Höhe von 863 Millionen Euro gemacht. Am schwersten haben dabei die Abschreibungen auf die Beteiligungen an der österreichischen EVN und der Oldenburger EWE in Höhe von gut 800 Millionen Euro die Bilanz belastet. Die Abschaltung der beiden Atomkraftwerksblöcke Philippsburg I und Neckarwestheim I schlugen mit fast 600 Millionen Euro zu Buche, und die Brennelementesteuer mit rund 240 Millionen Euro.

Frisches Geld notwendig

Die EnBW wolle jedoch nicht jammern, so Villis, sondern optimistisch sein und unternehmerisch handeln – „und dabei starten wir nicht bei Null“, betonte der EnBW-Chef. Nicht zuletzt mit frischem Geld will das Unternehmen vor allem in erneuerbare Energien investieren. Dazu hat der Konzern eine Hybridanleihe über eine Milliarde Euro aufgelegt, die in zwei Tranchen im Herbst 2011 und im Frühjahr 2012 auf den Markt kam. Zudem beschloss die gestrige Hauptversammlung eine Kapitalerhöhung in Höhe von 800 Millionen Euro, zu der die beiden Hauptaktionäre, die landeseigene Neckarpri GmbH und die Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW) nach längeren Dissonanzen bereits im Vorfeld ihr Zustimmung signalisiert hatten. Zudem will der Konzern 1,5 Millionen Euro aus Verkäufen von vorwiegend „nichtstrategischen Minderheitsbeteiligungen“ erlösen und ihre Ausgaben nachhaltig um 750 Millionen Euro senken.

Die insgesamt vier Milliarden Euro, die so zusammenkommen, will die EnBW zur Hälfte in Wachstum, und zur anderen Hälfte in Modernisierungen und Erweiterungen bestehender Anlangen stecken. Im Fokus stehen nicht zuletzt diverse regenerative Projekte: Konkret nannte Villis Windkraftprojekte in Ost- und Nordsee sowie an „mehreren hundert Standorten in Baden-Württemberg“ und in der Türkei. Zudem prüfe und investiere die EnBW teilweise auch schon in Laufwasserkraftwerke – so wird die Anlage Iffezheim derzeit zum größten Wasserkraftwerk auf deutschem Boden ausgebaut. Seit 2005 habe die EnBW bereits mehr als zwei Milliarden Euro in erneuerbare Energien investiert, so Villis. Im konventionellen Bereich baut der Konzern derzeit einen neuen Steinkohlekraftwerksblock im Karlsruher Rheinhafen, der im kommenden Jahr ans Netz gehen soll, und plant gemeinsam mit den Stadtwerken Düsseldorf, an denen die EnBW die Mehrheit hält, ein Gaskraftwerk zu bauen.

Bedauern über Abschied

Aktionärssprecher drückten ihr Bedauern darüber aus, dass Villis das Unternehmen Ende September verlassen wird. Ihm wird der Eon-Manager Frank Mastiaux folgen. „Sie hätten die Chance verdient, die Energiewende umzusetzen“, sagte der Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Thomas Hechtfischer, und erntete damit lauten Applaus. Anerkennung sprach sogar der gemeinhin als Hauptversammlungsschreck bekannte Matthias Gaebler aus, der Villis sogar explizit und mehrfach zum Bleiben aufforderte. Villis hatte Anfang Dezember 2011 mitgeteilt, er stehe für eine Vertragsverlängerung nicht zur Verfügung , da er nicht mehr vom ungeteilten Vertrauen des Aufsichtsrates ausgehen könne. Fragen der Aktionäre, was genau vorgefallen sei, wurden am Donnerstag nicht beantwortet.

Auf Kritik stieß bei den Aktionären, die in der Karlsruher Stadthalle das Wort ergriffen, dass die EnBW trotz des immensen Verlustes im vergangenen Jahr pro Aktie eine Dividende in Höhe von 85 Cent zahlen will. Er habe schon im vergangenen Jahr vorgeschlagen, die Dividende angesichts der anstehenden Aufwendungen ausfallen zu lassen, so Dieter Tassler von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). Und man habe sich schon damals auf den Gängen der Hauptversammlung gefragt, ob nicht so mancher Aktionär auf eine Dividende von mehr oder weniger einem Euro angewiesen sei, um ihre Darlehen bedienen zu können – gemeint dürfte das Land Baden-Württemberg sein, das Ende 2010 den Anteil des französischen Energiekonzerns EdF für 4,7 Milliarden Euro gekauft hat und die Kaufsumme über ein Darlehen finanziert.