Ökobilanzen zeigen, dass alternative Kraftstoffe oft viel weniger umweltfreundlich sind als erhofft.

Stuttgart - Gerhard Bronner wird deutlich: „Biotreibstoffe schützen das Klima definitiv nicht“, sagt der stellvertretende Vorsitzende des Landesnaturschutzverbandes. Der Dachverband von 33 Natur- und Umweltschutzverbänden hat jetzt in Stuttgart sein Positionspapier zur Bioenergie vorgestellt. Darin bemängelt er, dass der Anbau von Energiepflanzen nicht nachhaltig sei. Und er legt der Politik nahe, auf den weiteren Ausbau zu verzichten.

 

Lange Zeit galten Biotreibstoffe als wichtiger Baustein im politischen Konzept, den Ausstoß des Klimagases CO2 zu reduzieren. Während bei der Verbrennung fossiler Kraftstoffe das darin vor Jahrmillionen gespeicherte CO2 freigesetzt wird und die Atmosphäre belastet, entsteht kaum „neues“ CO2, wenn man kürzlich geerntete Pflanzenmasse verbrennt.

Überschüsse sinnvoll verwerten

Am Anfang, das räumt auch der Landesnaturschutzverband ein, war dieses Konzept sinnvoll: So konnten landwirtschaftliche Überschüsse sowie Restholz und Sägeabfälle sinnvoll verwertet werden. Doch die Zeiten der Überproduktion sind vorbei: „Weltweit ist Biomasse knapp geworden – und die Nachfrage danach wird hoch bleiben“, stellt Harald Grethe fest, der an der Uni Hohenheim das Fachgebiet Agrar- und Ernährungspolitik leitet und außerdem Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des Bundesagrarministeriums ist.

Zudem mehren sich die wissenschaftlichen Studien, die den ökologischen Nutzen der Bioenergie kritisch beurteilen. So kam im Juli die Nationale Akademie der Wissenschaften in Halle zu einem vernichtenden Urteil: „Um den Verbrauch von fossilen Brennstoffen und Emissionen von Treibhausgasen zu reduzieren, sollte Deutschland nicht den weiteren Ausbau von Bioenergie anstreben.“ Den Grund sehen die Experten in der weitgehend ausgereizten Nutzung pflanzlicher Reste zur Produktion von Bioenergie sowie in den Umweltbelastungen durch Düngemittel und Pestizide beim Anbau der Pflanzen.

Umweltbelastungen verlagert

Zu einem ähnlichen Urteil kommt das schweizerische Forschungsinstitut Empa: Nur wenige Biotreibstoffe seien in der Gesamtbilanz umweltfreundlicher als Benzin, lautete kürzlich ihr Fazit. Einige Produkte könnten zwar den CO2-Ausstoß reduzieren, aber dafür würden andere Umweltschäden verstärkt auftreten wie versauerte Böden oder überdüngte Gewässer. „Die meisten Biotreibstoffe verlagern also lediglich die Umweltbelastungen“, schreibt die Empa. Einige Produkte schneiden allerdings besser ab als andere, allen voran Biogas aus Rest- und Abfallstoffen. So kann – allerdings in Abhängigkeit vom Ausgangsstoff – Biogas die Umwelt bis zur Hälfte weniger belasten als Benzin.

Auch der Landesnaturschutzverband bewertet die Vergärung von Gülle als „rundum positiv“, wie Bronner betont – genau wie die Produktion von Pellets aus Holzresten und Sägemehl. Gerade bei der Verwertung von Gülle zu Biogas sieht der Verband noch große Potenziale – wobei Bronner einräumt, dass dies wegen des vergleichsweise geringen Energiegehalts der Gülle lange nicht so lukrativ ist wie eine Biogasanlage, die mit Mais „gefüttert“ wird. Auch Grethe weist auf das große Manko dieser umweltverträglichen Biogasproduktion hin, bei der neben Gülle auch organische Abfälle verarbeitet werden: „Das Potenzial, Reststoffe in Biogas umzuwandeln, ist sehr begrenzt.“

Viel Biosprit wird importiert

Ein weiteres, nicht zu unterschätzendes Problem der Biotreibstoffe kommt aus dem Ausland: Annähernd die Hälfte des hierzulande verbrauchten Bioethanols ist importiert. So wurden im vergangenen Jahr laut Bundesregierung 1,05 Millionen Tonnen Biosprit dem Kraftstoff beigemischt – E 10 lässt grüßen. Davon stammten nur 580 000 Tonnen aus Deutschland. Dabei räumt die Bundesregierung ein, dass es zu sogenannten Verdrängungseffekten kommen kann, die indes schwer zu quantifizieren seien.

Eine Quantifizierung haben die Empa-Experten versucht. Dabei sind sie zu dem wenig ermutigenden Ergebnis gekommen, dass Biotreibstoffe, die auf gerodeten Wald- und Buschlandflächen angebaut werden, in der Regel noch mehr Treibhausgase verursachen als fossile Treibstoffe. Wichtig ist auch, dass durch den Anbau von Energiepflanzen keine Flächen gerodet werden müssen, um dort die jetzt in der Produktion fehlenden Lebensmittel- und Futterpflanzen anbauen zu können.

Bedarf an Biotreibstoffen wächst

Doch all diesen Problemen zum Trotz wird man auch künftig nicht auf Biotreibstoffe verzichten können. Schon heute stammen laut der Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe zwei Drittel aller erneuerbaren Energien aus Biomasse: aus Holz und anderen Festbrennstoffen sowie aus Biogas und Biokraftstoffen. Bei Letzteren wird der Anteil am Kraftstoffbedarf in Deutschland von derzeit 5,6 Prozent wohl weiter steigen: Einer von Shell zusammen mit dem Internationalen Institut für Nachhaltigkeitsanalysen und -strategien sowie dem Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung erstellten Studie zufolge könnten heimische Biokraftstoffe bis 2030 rund 20 Prozent des Bedarfs decken.

Bis 2050 könnten es sogar 70 Prozent sein, wobei anzumerken ist, dass bis dahin von einem deutlich geringeren Kraftstoffbedarf ausgegangen wird – nicht zuletzt dank der dann viel größeren Verbreitung von Elektroautos. Dabei soll, so die Vision der Biospritlobby, der Ökokraftstoff entweder aus nicht mehr verwendbaren Reststoffen oder aus nicht anderweitig genutzten Flächen stammen – es also gar nicht erst zur Konkurrenz zwischen Tank und Teller kommen kann. Von der wollen viele heimische Landwirte ohnehin nichts wissen: Sie verweisen auf die (noch) vorhandenen Überschüsse und die großen Mengen an weggeworfenen Lebensmitteln.

Suche nach Alternativen

Gleichwohl suchen manche Landwirte schon jetzt nach Alternativen zum heftig umstrittenen Maisanbau. So wird bei einem Modellprojekt am Bodensee statt Mais eine Mischung aus 25 verschiedenen Wildpflanzen auf den Acker gesät, darunter Sonnenblumen und Malven. Zwar liefert die Samenmischung nach den bisherigen Erfahrungen nur rund 60 bis 70 Prozent derjenigen Erträge an Methan, die Mais in der Biogasanlage bringt; dafür braucht man weniger Zeit und Geld für das Aussäen und die Pflege des Feldes, auch Pflanzenschutzmittel sind überflüssig. Und der Artenreichtum auf den wilden „Blumenfeldern“ ist deutlich größer als auf den Monokulturflächen aus Mais.

Wie aus Biomasse Energie wird

Biokraftstoff
Nach wie vor werden Biosprit und Biogas hierzulande vor allem aus traditionell angebauten Pflanzen wie Raps, Mais und Getreide gewonnen. In südlichen Ländern stehen andere Pflanzen im Vordergrund, so setzt etwa Brasilien auf Zuckerrohr.

Entwicklung
In Zukunft sollen diese sogenannten Biokraftstoffe der ersten Generation von der zweiten Generation abgelöst werden. Mit verschiedenen Verfahren lässt sich beispielsweise aus Holzabfällen oder aus Algen hochwertiger synthetischer Kraftstoff gewinnen, der dann auch für Flugzeuge geeignet sein soll. Potenzial und Umwelt-verträglichkeit dieser Biokraftstoffe werden als deutlich größer eingeschätzt. Ihre Entwicklung kommt aber nur sehr langsam voran.

Vorgaben
Im Jahr 2009 hat die EU beschlossen, dass europaweit bis 2020 mindestens zehn Prozent des im Verkehr verbrauchten Sprits aus erneuerbaren Quellen stammen sollen. Inzwischen ist dieses Ziel modifiziert worden: Weil auch die EU jetzt die Umweltverträglichkeit der Biokraftstoffe der ersten Generation kritisch beurteilt, sollen es in Zukunft nur noch fünf Prozent sein. Die anderen fünf Prozent soll der neuartige Biosprit liefern – den es allerdings bislang noch gar nicht gibt.