Das Landgericht Bonn weist die Klage auf Schadenersatz ab, weil der Energiekonzern 2011 auf Rechtsmittel verzichtet hat. Eine Klage damals wäre aussichtsreich gewesen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Bonn - Der Energiekonzern EnBW hat wegen des Atomausstieges nach Fukushima keinen Anspruch auf Schadenersatz vom Bund oder vom Land Baden-Württemberg. Eine entsprechende Klage auf 261 Millionen Euro hat das Landgericht Bonn nun klar abgewiesen. Die 1. Zivilkammer begründete ihr Urteil vor allem damit, dass die EnBW im Jahr 2011 keine Rechtsmittel gegen das Zwangsaus für die Reaktoren Neckarwestheim I und Philippsburg I eingelegt habe. Eine Klage wäre nach Meinung der Richter damals aussichtsreich und für den Konzern auch zumutbar gewesen. Die EnBW hatte aus Sorge vor dem Verlust von Kunden und um ihr Image darauf verzichtet. Das Unternehmen will das Urteil nun erst einmal prüfen und dann über mögliche weitere Schritte entscheiden. Landesumweltminister Franz Untersteller (Grüne) zeigte sich durch den Richterspruch bestätigt und appellierte an die EnBW, ihn zu akzeptieren.

 

In dem Verfahren ging es nicht um den gesamten Atomausstieg, sondern nur um die Phase des Moratoriums zwischen März und August 2011. Nach der Reaktorkatastrophe in Japan hatten Bund und Land auf die – zunächst vorübergehende – Abschaltung der ältesten sieben deutschen Meiler gedrungen. Das Bundesumweltministerium hatte die zuständigen Länder gebeten, deren Abschaltung wegen „Gefahrenverdachts“ anzuordnen; unter Berufung auf den Bund war dem auch Baden-Württemberg gefolgt. Die EnBW äußerte zwar erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Anordnungen, akzeptierte diese aber. Laut Gericht verzichtete sie auf Rechtsmittel „wegen des langfristigen Erhalts der Kundenbeziehungen und der Akzeptanz des Unternehmens in Politik und Gesellschaft“. Zuvor hatte die EnBW angeboten, Neckarwestheim I freiwillig abzufahren.

Klagen gegen das Zwangsaus für die Altmeiler hätten gute Chancen gehabt

Die Klage gegen den Bund wies die Zivilkammer schon aus formalen Gründen ab. Die Anordnungen seien vom Land Baden-Württemberg erlassen worden – ob auf Weisung oder nicht, sei nicht entscheidend. Nach außen sei das jeweilige Bundesland so oder so verantwortlich und hafte für etwaige Schäden; diese könne es später gegenüber dem Bund geltend machen.

Einen Amtshaftungsanspruch gegen den Südwesten sahen die Richter nur deshalb nicht, weil die EnBW 2011 rechtliche Schritte „schuldhaft unterlassen“ habe. Klagen gegen das Zwangsaus für die beiden Altmeiler vor dem Verwaltungsgericht hätten nämlich gute Chancen gehabt. Die nach Fukushima vorgenommene „Risikoneubestimmung“ und das Alter der Reaktoren alleine begründeten noch keinen Gefahrenverdacht. Ohne konkrete Anhaltspunkte für etwaige Gefahren wäre die Abschaltung nicht gerechtfertigt gewesen. Zudem habe das Land Baden-Württemberg das ihm zustehende Ermessen nicht ausgeübt, sondern „lediglich die Entscheidung anderer ohne eigene Abwägung übernommen“.

Insoweit folgte das Gericht der Argumentation der EnBW. Deren Anwälte hatten angeführt, an der Gefahrenlage habe sich durch Fukushima nichts geändert; ein Seebeben mit Tsunami wie in Japan sei in Deutschland nicht zu befürchten. Zudem habe eine aktuelle Überprüfung der beiden Altmeiler damals ergeben, dass „keine sicherheitstechnischen Defizite“ bestünden.

Umweltminister Untersteller freut sich

Den Verzicht auf eine Klage hatte die EnBW damit begründet, diese wäre der Öffentlichkeit in der „aufgeregten Situation“ nach Fukushima „nicht zu vermitteln“ gewesen. Dem Argument, Rechtsmittel wären nicht zumutbar gewesen, folgten die Richter jedoch nicht. Die angeführten Befürchtungen seien „unternehmenspolitische und strategische Gründe“, wären rechtlich aber kein Hindernis gewesen. Durch eine Klage hätte die EnBW das Abschalten der beiden Atommeiler und die daraus folgenden Schäden vermeiden können, befand die Kammer.

Umweltminister Untersteller äußerte sich erfreut, dass der EnBW kein Schadenersatz zustehe. Es sei gut, dass das Landgericht dies festgestellt habe. Ihm tue es leid, dass die Richter die Abschaltung für nach dem Gesetz nicht gerechtfertigt hielten.