Der baden-württembergische Energiekonzern EnBW will den insolventen Windparkbetreiber Prokon für 500 Millionen Euro übernehmen. Die EnBW ist allerdings nicht der einzige Interessent.

Stuttgart - Die Energie Baden-Württemberg (EnBW) will den insolventen Windparkbetreiber Prokon übernehmen. Nach Informationen der Stuttgarter Zeitung ist ein „Handelsblatt“-Bericht vom Montag zutreffend. Die EnBW wollte sich hierzu nicht äußern. Wie zu hören ist, will der heimische Energieversorger 500 Millionen Euro für Prokon zahlen. Die EnBW ist jedoch nicht der einzige Interessent für das insolvente Unternehmen. Erst am Wochenende hatte der Hamburger Solar- und Windparkbetreiber Capital Stage Interesse an Prokon bekundet. Eine weitere Variante ist der Erhalt von Prokon im Besitz der bisherigen Genussrechtsinhaber; Prokon würde dabei in eine Genossenschaft umgewandelt.

 

Die Pleite des Windparkbetreibers mit Sitz in Itzehoe erregte im vergangenen Jahr große Aufmerksamkeit, weil das Unternehmen Anleger mit dem Versprechen von Ausschüttungen in Höhe von acht Prozent angelockt hatte. Mehr als 75 000 Anleger haben durch den Kauf von Genussscheinen mehr als 1,4 Milliarden Euro investiert. Das Unternehmen geriet in Schwierigkeiten, als immer mehr Genussscheininhaber in Sorge um ihre Anteile gerieten und die Rücknahme der Genussscheine verlangten. Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin hat das Prokon-Kerngeschäft nach dem Insolvenzantrag fortgeführt und 300 Arbeitsplätze erhalten.

EnBW hat sich zum Ziel gesetzt, ihre bisher starke Abhängigkeit von Strom aus Kohle und Atom zu lockern. „Das Geschäft mit erneuerbaren Energien werden wir erheblich ausbauen und bis 2020 den Ergebnisbeitrag mehr als verdreifachen“, hatte EnBW-Chef Frank Mastiaux bei der Hauptversammlung Ende April in Karlsruhe gesagt. 2014 lag der Ergebnisbeitrag von Wind und Wasserkraft bei 216 Millionen Euro. Bis 2020 soll der Anteil der erneuerbaren Energien von bisher 19 Prozent (Jahr 2012) der Anlagenleistung auf mehr als 40 Prozent im Jahr 2020 verdoppelt werden. In den zurückliegenden Jahren hat der Energiekonzern die Windkrafterzeugung auf dem Meer stark ausgebaut. Die Kapazität erreicht 1900 Megawatt; zu den Anlagen gehören die Windparks Baltic 1 und Baltic 2 in der Ostsee. Damit ist die EnBW nach eigenen Angaben der größte deutsche Anbieter. Demgegenüber ist die Windkrafterzeugung an Land, die für das Unternehmen bisher nicht im Mittelspunkt stand, mit etwa 240 Megawatt deutlich geringer. Prokon betreibt Windparks in Deutschland, Polen und Finnland mit einer Leistung von 529 Megawatt. Mit 461 Megawatt liegt der weit überwiegende Teil in Deutschland.

Entscheidung über Investorenangebot noch diese Woche

Wie viel Capital Stage für Prokon bietet, ist nicht bekannt. Das Unternehmen, dessen Aktien im S-Dax notiert sind, will 94,9 Prozent von Prokon übernehmen; die restlichen 5,1 Prozent soll ein anderer Investor zeichnen. Insolvenzverwalter Penzlin will voraussichtlich noch in dieser Woche zusammen mit dem Gläubigerausschuss eine Entscheidung über das Investorenangebot treffen, das der Gläubigerversammlung dann noch vorgelegt werden muss. Somit ist zu erwarten, dass die EnBW ihr Angebot schnell offiziell vorlegen wird. Die Gläubigerversammlung von Prokon soll Anfang Juli stattfinden. Sie kann einem Investorenangebot, aber auch dem alternativ verfolgten Plan eines Genussrechtsinhaber-Insolvenzplans den Zuschlag geben. Dieser Plan setzt voraus, dass eine ausreichende Zahl an Genussrechtsinhabern bereit ist, auf Barauszahlungen zu verzichten und sich stattdessen an Prokon als Mitglieder einer Genossenschaft zu beteiligen.

Nach früheren Angaben von Insolvenzverwalter Penzlin erscheint dies auf der Grundlage einer unverbindlichen Befragung unter den Genussrechtsinhabern möglich; etwa die Hälfte der Genussscheininhaber will danach Prokon als selbstständiges Unternehmen erhalten und künftig als Genossenschaft führen. Voraussetzung ist jedoch, dass sie sich verbindlich für eine Beteiligung aussprechen. Viele Genussrechtsinhaber haben nach Mitteilung von Penzlin gesagt, dass sie eine verbindliche Entscheidung erst dann treffen könnten, wenn ihnen die wirtschaftliche Alternative bekannt ist. Offen ist, ob die Eigenkapitalquote vom genossenschaftlichen Prüfungsverband als ausreichend anerkannt wird. Viele ökologisch orientierte Prokon-Unterstützer haben sich in dem Verein „Freunde von Prokon“ zusammengeschlossen und wollen das Unternehmen erhalten.

Unabhängig davon, welche Zukunftsvariante zum Zug kommt, ist als Option die Ausgabe einer Anleihe an die Genussrechtsinhaber vorgesehen. Ein Investor kann aber auf die Anleihe verzichten und stattdessen eine zusätzliche Barzahlung an die Gläubiger anbieten. Was die Interessenten Capital Stage und EnBW vorhaben, ist noch nicht bekannt. Insolvenzverwalter Penzlin hatte den Investoren Ende vorigen Jahres angekündigt, dass sie sich auf einen Verlust in Höhe von mindestens der Hälfte ihres Kapitals einstellen müssten. Inoffiziell war auch von Verlustquoten zwischen 40 und 70 Prozent die Rede.