Der Energiekonzern Eon steuert radikal um und setzt kompromisslos auf Erneuerbare Energien. Seine Kohle- und Atom-Kraftwerke will er abstoßen. Die Strategie ist mutig, aber auch richtig, kommentiert der StZ-Mitarbeiter Wolfgang Koch.

Stuttgart - Ist die Strategie von Eon nun weitsichtig und zukunftsfähig – oder einfach nur verantwortungslos? Als erster Energieversorger zieht der Konzern tiefgreifende Konsequenzen aus den Veränderungen am Energiemarkt. Er konzentriert sich künftig auf erneuerbare Energien und will Kohle- und Atomkraftwerke abstoßen. Eon kappt damit seine Wurzeln.

 

Die großen Energieversorger hätten sich nicht auf die Energiewende eingestellt und stattdessen in alte Technologien wie etwa fossil befeuerte Kraftwerke investiert, dies wurde ihnen bisher zu Recht vorgeworfen: Sie haben die Energiewende nicht ernst genommen und sind nun von dem rasanten Ausbau von Windrädern und Fotovoltaikanlagen überrollt worden. Weil dieser Strom Vorrang hat, laufen die fossilen Großkraftwerke immer kürzer und werfen immer weniger Profite ab.

Die Strategien wechselten in schneller Folge

Als die Bundesregierung vor der Jahrtausendwende, damals noch in Bonn, das Gesetz zur Förderung von erneuerbaren Energien auf den Weg brachte, ging das offenbar an den Energieversorgern vorbei. Nicht im Traum dachten ihre Vorstände daran, dass damit einmal ihr Geschäftsmodell, die zentrale Energieerzeugung in großen Kraftwerken, zerstört werden könnte. Wenn es um neue Strategien ging, drehten sich die Fragen darum, in welche Länder dieses Modell übertragen werden könnte und welche anderen Aktivitäten man noch zukaufen müsste, um im internationalen Wettbewerb mithalten zu können.

Eon, entstanden aus der Fusion von Veba und Viag, wollte zeitweilig ein großer Aluminiumkonzern werden und dachte über den Ausbau des Telekommunikationsgeschäfts nach. RWE kaufte die Wasserversorgung von London. Die EnBW verbündete sich mit dem Atomkonzern EdF. Eon bot Unsummen für Spaniens größten Energieversorger. Beide zusammen planten, nach dem Aus für die Atomkraft in Deutschland dieses Geschäft in Großbritannien fortzusetzen. Die Versorger wechselten die Strategien wie ihre Vorstände die Hemden. Das alles ist gescheitert.

Eon prescht vor – ohne Kompromisse

Verzweifelt suchen die Stromriesen heute nach neuen Geschäftsmodellen. Auf das Naheliegende kamen sie erst spät: den erneuerbaren Energien den Weg zu ebnen. Nur zaghaft ließen sie sich darauf ein. Nun prescht Eon vor, und zwar ohne Kompromisse. Das alte Konzept wird abgestoßen und zurückgelassen. Es klingt wie Hohn, wenn Eon-Chef Johannes Teyssen es für zukunftsfähig erklärt. Fossile Energien sind ein Auslaufmodell. Sie müssen es sein, weil damit endliche Rohstoffe vernichtet werden und das Klima Schaden nimmt. Langfristig muss die Energieversorgung weltweit auf erneuerbaren Quellen beruhen. Bei der Klimakonferenz in Lima wird das gerade wieder beschworen.

Das Ziel kann umso schneller erreicht werden, je weniger die Energiekonzerne sich dagegen wehren. Es kommt noch eher in Sicht, wenn sie es tatkräftig selbst anstreben. Deshalb ist Eons neue Strategie weitsichtig und zukunftsfähig. Es gehört aber auch viel Mut dazu. Längst ist nicht ausgemacht, dass Eon damit zwei Drittel seiner heutigen Mitarbeiter dauerhaft beschäftigen kann. Das Geschäft wird kleinteilig und mühsamer.

Die Spaltung vergrößert auch die Gefahr, dass Eon aufgekauft wird und als selbstständiger Konzern verschwindet. Den verstoßenen Rest erwartet eine unsichere Zukunft. Wer sollte ihn denn besser betreiben können als Eon? Wie lange kann er sich noch halten? Für etliche Jahre werden seine Kraftwerke noch gebraucht, wenn auch immer weniger. Ein geordneter Rückzug dürfte möglich sein, Wachstum ist unwahrscheinlich. Wenn dabei jedoch die Atomkraftwerke in die Hände von Finanzinvestoren fallen sollten, wäre das verantwortungslos. Doch diese kauft voraussichtlich niemand. Für sie muss sich Eon also noch etwas anderes einfallen lassen.