Der Stromkonzern EnBW ändert seine bisherige Position, will aber die Mehrheit behalten. RWE erwägt hingegen einen Verkauf.  

Stuttgart - Der Stromkonzern Energie Baden-Württemberg (EnBW) prüft einen Verkauf von Anteilen seines Hochspannungsnetzes. "Wir überlegen, uns zu öffnen, was das Thema Netze angeht. Dabei denken wir beispielsweise an Infrastrukturfonds", sagte der Vorstandsvorsitzende Hans-Peter Villis der "Financial Times Deutschland". Die Mehrheit der Tochter EnBW Transportnetze bleibe auf jeden Fall bei EnBW, sagte er. "Finale Entscheidungen" dazu seien noch nicht getroffen worden, betonte Villis.

 

Kommt es zu einer Öffnung, so würde die EnBW ein Stück weit von ihrer bisherigen Position abrücken. Im Kreis der großen vier Stromkonzerne in Deutschland waren die Karlsruher die Einzigen, die das Hochspannungsnetz auf jeden Fall behalten wollten. Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) hatte im Mai zur Finanzierung der erneuerbaren Energien einen Verkauf des EnBW-Stromnetzes ins Gespräch gebracht. Das Unternehmen, so hieß es damals, werde "darüber nachdenken müssen, von welchen Unternehmensbeteiligungen man sich trennen kann, um mit den Erträgen dann die überfällige Energiewende zu stemmen und gleichzeitig die Ertragskraft nachhaltig zu steigern".

Der Konzern hatte solche Überlegungen zurückgewiesen. Die EnBW wolle ihr Gesamtpaket von der Stromerzeugung über den Transport bis zum Vertrieb beibehalten, hieß es. Das Land ist Miteigentümer der EnBW und hält seit dem Wiedereinstieg 2010 gut 46 Prozent der Anteile; der französische Staatskonzern Électricité de France (EdF) hatte sich bei der EnBW zurückgezogen. Die Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW), in denen kommunale Eigner aus Oberschwaben ihre Anteile zusammengefasst haben, halten einen gleich hohen Anteil. Die Finanzierung der Energiewende beschäftigt Vorstandschef Hans-Peter Villis noch in anderer Weise. So hält er eine Reduzierung des Anteils der Haupteigner von zusammen 92 Prozent für möglich und denkt an eine Kapitalerhöhung.

Die ENBW kann mit Erlösen in dreistelliger Millionenhöhe rechnen

Nach Darstellung der "Financial Times Deutschland" kann der Konzern bei einem Teilverkauf mit einem Erlös in dreistelliger Millionenhöhe rechnen. Investoren hätten bisher für je tausend Kilometer Netz etwa 100 Millionen Euro gezahlt. Das EnBW-Netz ist mit 3644 Kilometer Länge das kleinste der vier deutschen Hochspannungsnetze. In Finanzkreisen kursieren aber auch höhere Schätzungen. So hieß es vor einigen Wochen, das EnBW-Netz könnte bei einem kompletten Verkauf 700 bis 900 Millionen Euro bringen. Der Saarbrücker Energieexperte Uwe Leprich hatte in einer Studie für Greenpeace den möglichen Verkaufserlös im März mit 300 Millionen Euro angegeben. Die EnBW selbst macht keine Angaben zum Wert ihres Transportnetzes.

Die Konzerne Eon und Vattenfall haben ihre Hochspannungsnetze bereits komplett verkauft. RWE gibt dem Bericht zufolge voraussichtlich in den nächsten Tagen den Verkauf von 75 Prozent der Netztochter Amprion an eine Gruppe von Finanzinvestoren um die Commerzbank-Tochter Commerz Real bekannt. Auch dies markiert eine Wende. Erstmals hieß es im Herbst 2010, dass eine Öffnung der Netztochter Amprion geprüft werde. Offiziell bestätigt wurden die RWE-Verkaufspläne nicht. Vorstandschef Jürgen Großmann hat bisher Beteiligungsverkäufe im Umfang von acht Milliarden Euro für die nächsten zwei Jahre angekündigt. Amprion betreibt ein Netz mit 11300 Kilometer Länge. Der Düsseldorfer Eon-Konzern hat auf Druck der EU-Kommission das 10700 Kilometer lange Netz der Tochtergesellschaft Transpower vor gut einem Jahr für 1,1 Milliarden Euro an den holländischen Netzbetreiber Tennet verkauft. Auch der Allianz-Konzern bewarb sich damals mit Partnern um Transpower, unterlag jedoch.

Kurz nach dem Eon-Deal veräußerte Vattenfall Europe im März 2010 seine Netztochter 50Hertz Transmission an den belgischen Betreiber Elia System Operator sowie den australischen Fonds Industry Funds Management (IFM). Der vereinbarte Unternehmenswert wurde damals mit 810 Millionen Euro angegeben.