Die EU-Kommission will erlauben, auch Kernkraftwerke und nicht nur grüne Energien staatlich zu fördern. Das kommt Ländern wie Großbritannien und Frankreich entgegen, die ihre Nuklearenergie sogar noch ausbauen wollen.

Brüssel - Die EU-Wettbewerbsbehörde will bei der Prüfung künftiger Staatsbeihilfen im Energiesektor „technologieneutral“ vorgehen und nicht mehr zwischen Atomstrom und Erneuerbaren Energien unterscheiden. Das geht aus einem Entwurf für neue Beihilfeleitlinien hervor, die der StZ vorliegen und im nächsten Frühjahr erlassen werden sollen. Die Kommission erachtet demnach beide CO2-armen Energieformen als förderwürdig, um die Klimaziele für 2020 zu erreichen.

 

De facto käme dies nur zwei Jahre nach der Katastrophe im japanischen Fukushima einer Aufwertung der Kernenergie gleich. „Investitionen in die Atomkraft zu erleichtern“, schreibt die EU-Kommission mit Verweis auf Artikel 2 des Euratomvertrages, sei ein „gemeinsames Ziel der EU“, weshalb die Behörde „entsprechende Unterstützungsmaßnahmen nicht in Frage stellt“. Der Luxemburger Grünen-Europaabgeordnete Claude Turmes nennte es dagegen „absurd, sich 2013 auf einen energiepolitischen Artikel von 1957 zu berufen“.

Ein Sprecher von Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia, der mit dem für Energie zuständigen Deutschen Günther Oettinger die Pläne vorantreibt, bestritt am Tag nach einem entsprechenden Pressebericht, dass Brüssel der Atomkraft zu einer Renaissance verhelfe: „Die EU-Kommission möchte in keiner Form zu Subventionen in die Kernkraft ermuntern.“ Dies sei weiter Sache der einzelnen Mitgliedstaaten. Nur falls ein EU-Land öffentliche Gelder einsetzen wolle, werde es künftig erstmals feste Regeln geben – während bisher je nach Einzelfall entschieden wurde. „Es geht nicht um EU-Subventionen für Kernkraftwerke“, so der CDU-Europaparlamentarier Herbert Reul, „sondern um klare einheitliche Regeln.“ Die neuen Förderkriterien sind Teil einer umfassenden Modernisierung des Beihilferechts.

Brüssel blickt auf Frankreich und Großbritannien

Sie kommen Frankreich und vor allem Großbritannien entgegen. Die Regierung in London plant, analog zum deutschen Fördersystem für Erneuerbare den Betreibern eines neuen Atommeilers den Strom zu einem Mindestpreis abzunehmen – über 35 Jahre hinweg. „Wir können das Thema nicht ignorieren“, teilte Oettinger dazu gestern mit. Man werde bald „zu den Staatsbeihilfen weitere Meinungen einholen“.

Kanzlerin Angela Merkel bekräftigte am Freitag das Nein der Bundesregierung: „Deutschland hat dagegen gestimmt, und das unterstütze ich.“ In einer bereits im Frühjahr veröffentlichten Begründung aus Berlin heißt es klipp und klar: „Im Bereich der Kernenergie ist aus den gegenwärtigen Erkenntnissen der Bundesregierung eine ökonomische Fördernotwendigkeit nicht erkennbar.“ Und: „Eine Gleichstellung der Förderung von Kernenergie und erneuerbaren Energien“ führe beim Ökostrom zu einem „Verlust an Entwicklungsdynamik“.

Das wiederum ist genau die Forderung von Energiekommissar Oettinger. Er will den Ausbau von Wind- und Solaranlagen verlangsamen, weil der Netzausbau bisher nicht damit Schritt halten kann. Er spricht sich daher auch für eine Generalrevision des Erneuerbare-Energien-Gesetzes in Deutschland aus, da die Abnahmegarantie bei dieser Menge den Strompreis weiter in die Höhe treibt. „Unser Ziel ist die Vollendung des europäischen Energiebinnenmarktes“, so Oettinger gestern, „entsprechend arbeitet die Kommission zurzeit an der Ausgestaltung eines neuen Marktdesigns im Strom und Gasbereich.“

Seine Vorstellung, dass Windkraft eher im Norden und Sonnenenergie stärker im Süden Europas und nicht unbedingt in Deutschland gefördert werden soll, findet sich ebenfalls im Entwurf der Beihilfekriterien. So wird dort ein internationales Ausschreibungsverfahren verlangt, um die Kosten gering zu halten. Der Grüne Turmes kritisiert, dies konterkariere die entsprechende EU-Richtlinie, die nationale Förderung und freiwillige länderübergreifende Kooperation vorsieht.

Hier ist Berlin inhaltlich einer Meinung, aber formal dagegen. „Die Bundesregierung teilt die grundsätzlichen Überlegungen der Kommission zu einer stärkeren Wettbewerbsorientierung der Erneuerbare-Energien-Fördersysteme“, heißt es in ihren Papier. Dies sei aber nicht „im Beihilferecht zu regeln“, über das die EU-Kommission allein entscheidet. Angesichts der Tragweite der Vorschläge bestünden „Zweifel an der Vertragskonformität“.