Die EnBW macht der grün-roten Regierung zu schaffen. In Aufsichtsrat und Vorstand des Energie-Konzerns sind noch Posten vakant.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Wenn Ministerpräsident Winfried Kretschmann nach seinen Plänen für die Energie Baden-Württemberg (EnBW) gefragt wird, behilft er sich mit einer Standardformel. Man brauche erst einmal tieferen Einblick in das Unternehmen, wehrt er ab, vorher lasse sich nichts Näheres sagen. Doch neben Stuttgart 21 gehört die Zukunft des Noch-Atomkonzerns zu den größten Sorgen des Grünen und seiner roten Mitregenten. Eine "schwere Erblast", stöhnen sie unisono, habe ihnen die Regierung Mappus mit dem milliardenschweren Wiedereinstieg des Landes hinterlassen.

 

Wie kann die EnBW auf erneuerbare Energien ausgerichtet werden, ohne ihre Wirtschaftskraft und die 20.000 Arbeitsplätze zu gefährden - so lautet die knifflige Frage. Antworten wollen Vorstand und Aufsichtsrat bei einer gemeinsamen Klausursitzung suchen. Eigentlich sollte das Treffen bereits am Donnerstag stattfinden, aber der Termin musste verschoben werden. Denn noch sind die neuen Aufsichtsräte des Landes - Staatsministerin Silke Krebs (Grüne) und Finanzminister Nils Schmid (SPD) - formal nicht bestellt; allenfalls als Gäste hätten sie an der Klausur teilnehmen können.

Personelle Kontinuität bei EnBW gewünscht

Die Schuld an der Verzögerung gibt der SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel den Kontrolleuren der alten Regierung: Die ehemaligen Minister Helmut Rau (CDU) und Ulrich Goll (FDP) machten ihre Sitze nicht schnell genug frei, was Schmiedel als "hanebüchen" rügte. Angesichts der alarmierenden Herabstufung der EnBW durch eine Ratingagentur dulde die Kursbestimmung keinen Aufschub. Aber auch die neue Koalition braucht offenbar noch Zeit: Derzeit sucht sie Ersatz für den (CDU-nahen) Südwestmetall-Chef Rainer Dulger, der seinen Sitz im Aufsichtsrat ebenfalls räumt. Das informelle Vorschlagsrecht liegt bei der SPD, da die Grünen in dem Gremium bereits mit der früheren Bundesvorsitzenden Gunda Röstel vertreten sind und die Genossen auf Parität pochen.

Bei der Klausur dürfte es nicht nur um Strategie-, sondern auch um Personalfragen gehen. Aufsichtsratschef Claus Dieter Hoffmann, so hört man, wolle dort die Neuformierung des Vorstands vorantreiben. Wie fest dessen Vorsitzender Hans-Peter Villis im Sattel sitzt, dazu gibt es unterschiedliche Signale. Einerseits nagen bei der grün-roten Regierung gewisse Zweifel, ob der bekennende Atomkraft-Anhänger Villis der richtige Mann für die Energiewende ist. Die komme in jedem Fall, verkündete der SPD-Mann Schmiedel schon mal mit drohendem Unterton, ob "mit Villis oder XY". Andererseits mehren sich die Stimmen, die - zumindest vorerst - für den Verbleib des Chefs plädieren: Angesichts des tiefgreifenden Umbruchs, argumentieren Koalitionsstrategen, brauche die EnBW eine gewisse personelle Kontinuität. Selbst der Chefaufseher Hoffmann wirkt intern nicht restlos von Villis überzeugt, scheint seine Vorbehalte aber erst einmal zurückzustellen. 

Besetzungen von Vorstandsposten sind fällig.

Villis selbst erschien eine Weile unsicher, ob er unter den völlig veränderten Bedingungen an Bord bleiben soll. Er wolle lieber international als bei einem Regionalversorger tätig sein, wurde er zitiert. Inzwischen haben Weggefährten aber den Eindruck, dass er den Chefposten in Karlsruhe verteidigen möchte - auch aus der Einsicht heraus, dass die Alternativen für ihn nicht gerade dicht gesät sind. Im September 2012 läuft sein Vertrag aus, ein Jahr vorher wird üblicherweise über die Verlängerung geredet. "Er sondiert seine Chancen", verlautet aus dem Unternehmen. 

Schneller muss über zwei vakante Vorstandsposten entschieden werden: das seit kurzem verwaiste Ressort fürs operative Geschäft und das seit längerem unbesetzte für Technik. Ende Mai ist Christian Buchel "auf eigenen Wunsch" zum ausgeschiedenen Miteigner Electricité de France (EdF) zurückgekehrt. Der künftige "Chief Operating Officer" soll nach Villis' Vorstellungen, aus dem eigenen Haus kommen. Drei Führungskräfte hat er offenbar für eine mögliche Beförderung ausgeguckt: Stefan Thiele, den Geschäftsführer der EnBW-Tochter für Erneuerbare Energien, Dirk Mausbeck, den Chef der Handelsgesellschaft, und Ulf Heitmüller, Geschäftsführer der Gasgesellschaft. Nur Außenseiterchancen werden dem Chef der EnBW Regional AG, Wolfgang Bruder, eingeräumt.

Besetzt Hans-Josef Zimmer das Technikressort?

Alle drei Vorschläge haben eines gemeinsam: von den Kandidaten hätte Villis keine Konkurrenz zu befürchten. "Die würden ihm ihr Leben lang aus Dankbarkeit die Füße küssen ", wird in unternehmensnahen Kreisen gelästert. Doch während Kritiker fragen, ob das Trio wirklich Vorstandsformat hat, scheint Hoffmann für Villis' Empfehlungen aufgeschlossen zu sein.

Heikle Fragen knüpfen sich an die Besetzung des Technikressorts, wo offenbar eine Rückkehr des bisherigen Vorstandes Hans-Josef Zimmer erwogen wird. Zimmer hatte den Posten im Zuge der Affäre um undurchsichtige Russland-Geschäfte verloren und nimmt seine nahezu unveränderten Aufgaben seither als Generalbevollmächtigter wahr. Wegen nicht erfüllter Verträge hatte die EnBW 130 Millionen Euro abgeschrieben - Geld, das sie sich nun von den verantwortlichen Managern zurückholen will. Höchstrangiger von ihnen ist Zimmer, der wie seine Kollegen den Vorwurf von Pflichtverletzungen weit von sich weist. Über Regressforderungen müssen am Ende wohl Gerichte entscheiden. Zimmer, dem freilich der Makel des "Atommannes" anheftet, hatte dem Vernehmen nach ein lukratives Angebot von der Konkurrenz. Doch er will wohl bei der EnBW bleiben - auch wegen seines Wohnsitzes in der Südpfalz.

Zu einem Wechsel kommt es auch an der Spitze jener Landesgesellschaft, die die EnBW-Aktien des Landes hält: der Neckarpri GmbH. Die Nachfolgerin von Staatsmiister Helmut Rau, Gisela Meister-Scheufelen (beide CDU), muss die Geschäftsführung bald wieder abgeben - an den SPD-Ministerialdirektor Wolfgang Leidig.