Mais eignet sich zur Energieproduktion, ist aber auch ein Nahrungsmittel. An der Universität Hohenheim wird daher nach Alternativen gesucht.

Stuttgart - Wer bei dem Wort Energiewende nur an Windräder oder Solaranlagen denkt, vergisst die leistungsfähigen „Kraftwerke“, die auf den Feldern wachsen. Aus Pflanzen wie Mais wird zum Beispiel in Biogasanlagen Energie erzeugt. Aber auch in Miscanthus, einem Gewächs, das landläufig oft als „Chinaschilf“ bezeichnet wird, sehen Forscher der Universität Hohenheim Potenzial.

 

Bisher wird Miscanthus lediglich als Festbrennstoff für die Wärme- und Stromerzeugung und als Baustoff genutzt. In einem Projekt, das die Europäische Union mit drei Millionen Euro fördert, züchten die Wissenschaftler jetzt Miscanthus-Sorten, die sich auch als Material für Biogasanlagen und als Rohstoff für Biotreibstoff eignen sollen. „Mehr Sorten heißt auch mehr Sicherheit für die Landwirte“, sagt Iris Lewandowski, Leiterin des Fachgebiets Nachwachsende Rohstoffe und Bioenergiepflanzen an der Universität Hohenheim.

Bisher ist nämlich nur eine einzige Züchtung (Miscanthus x giganteus) auf dem Markt. Sollte sich eine Pflanzenkrankheit auf Miscanthus-Äckern ausbreiten, könnten Bauern ihre gesamte Ernte verlieren. Deshalb haben niederländische und britische Projektpartner südostasiatische genetisch unterschiedliche Varianten gekreuzt, um so möglichst vielfältig einsetzbare Energiepflanzen zu erhalten.

Das Chinaschilf wächst auf schlechten Böden

Diese Miscanthus-Neuzüchtungen sollen nicht nur auf fruchtbaren, mitteleuropäischen Äckern gedeihen. Bei „Stresstests“ in Gewächshäusern und auf Feldern der chinesischen Projektpartner prüfen die Forscher, wie sich die Kreuzungen bei Kälte sowie auf trockenen und versalzenen Böden entwickeln. „Denn genau dort sollen sie die Landwirte anbauen. Gute Böden sollten möglichst der Nahrungsmittelproduktion vorbehalten werden“, erklärt Lewandowski. Schon jetzt sind die Eckdaten von Miscanthus x giganteus nicht schlecht: Die bis zu vier Meter hohen Pflanzen brauchen weniger Dünger als etwa Mais und Raps. Einmal angepflanzt ist Chinaschilf pflegeleicht und bis zu 20 Jahre nutzbar.

In ihrem Labor will Lewandowski die Biomassequalität vielversprechender Neuzüchtungen bestimmen und eine Ökobilanz aufstellen, also alle Faktoren von der Bewässerung bis zur Verwertung ermitteln, die die Umwelt be- oder entlasten. So erwartet die Forscherin Hinweise auf zusätzliche Nutzungsmöglichkeiten. Denn bei allen Vorteilen stellt sich die Frage, warum Landwirte in Miscanthus investieren sollten. Noch gibt es kein Saatgut, Bauern müssen also auf teure Jungpflanzen zurückgreifen. Erst nach zwei Jahren können sie mit guten Erträgen rechnen. „Eine Kostenanalyse von der Anpflanzung bis zur Weiterverwertung ist Teil unseres Projekts. Mit unseren Partnern wollen wir so eine Entscheidungshilfe für Landwirte erstellen“, erklärt Lewandowski.

Von Mai an sollen die Chinaschilf-Neuzüchtungen dann auch auf Hohenheimer Äckern gedeihen. Die Forscher sind schon gespannt: „Was mit den neuen Sorten alles möglich wird, können wir vor der ersten Ernte noch gar nicht sagen.“