Im vergangenen Jahr hat Roland Krauter sich auf ein Experiment eingelassen. Er hat in sein 60 Jahre altes Haus in Weinstadt eine Heizanlage mit einer Technik einbauen lassen, die noch im Experimentierstadium ist. Die Brennstoffzellen-Heizung wird EU-weit getestet und soll Heizkosten sparen – wenn sie den Praxistest besteht.

Weinstadt - Im vergangenen Jahr hat Roland Krauter sich auf ein Experiment eingelassen. Er hat in sein 60 Jahre altes Haus in Weinstadt eine Heizanlage mit einer Technik einbauen lassen, die noch im Experimentierstadium ist. Die Brennstoffzellen-Heizung soll auf Dauer seine Energiekosten deutlich verringern, verspricht der Hersteller: um 800 bis 1300 Euro im Jahr. Seit dem 1. August läuft die Anlage leise summend in seinem Heizungskeller. Bis jetzt sieht es so aus, als werde das Sparversprechen wahr. Seitdem hat Roland Krauter immer wieder Besuch, der unbedingt in seinen Keller möchte. Auch einer seiner Nachbarn, der selbst Heizungen baut, hat sich die Neuheit interessiert zeigen lassen.

 

In dem kleinen Heizungskeller stand noch bis zum Sommer eine Ölheizung, zwanzig Jahre alt. Krauter hat einen Gasanschluss legen lassen, ein neuer Edelstahlkamin wurde ans Haus montiert, der Heizungskeller weiß gestrichen, der Boden mit anthrazitfarbenen großen Fliesen belegt. Dazu passt das schneeweiße neue Prunkstück. Es hat die Dimensionen eines zweitürigen Kleiderschranks. Die Türen sind geschlossen, von außen sind keine Schalt- oder Anzeigeelemente zu sehen. Aber auf der linken Seite steht in großen Lettern „fuel cell“ – Brennstoffzelle.

Dieser Teil der Anlage gehört nicht Roland Krauter, sondern der Firma Bosch Thermotechnik. Die Bosch-Tochter nimmt teil an einem europaweiten Feldtest kleiner Brennstoffzellenanlagen mit Wärme-Kraft-Kopplung in Privathäusern. Zwanzig Anlagen wurden bereits installiert, davon ein Dutzend im Großraum Stuttgart. Siebzig Anlagen sollen es im nächsten Jahr werden, dann will man auch Erfahrungen in anderen EU-Ländern sammeln, in Österreich, der Schweiz, Frankreich und Großbritannien. Man plane, 2016 mit einer kleinen Stückzahl auf den Markt zu gehen, sagt Uwe Limbeck, Gruppenleiter bei Bosch Thermotechnik. Der Preis könne anfangs noch oberhalb von 20 000 Euro liegen.

Technik stieß in der Anwendung auf Hindernisse

Die Kosten zu senken ist erklärtes Ziel des EU-Programms namens ene.field. 26 Millionen Euro will die EU bis 2017 an Fördermitteln vergeben, insgesamt sollen 53 Millionen Euro in das Projekt fließen. 26 Projektpartner von Herstellern über Energieversorger bis zu Forschungsinstituten sollen bis zu tausend kleine Brennstoffzellenanlagen in zwölf EU-Ländern aufstellen, Erfahrungen sammeln und auswerten.

Denn die Technik der Brennstoffzelle ist alles andere als neu, aber bisher in der praktischen Anwendung immer wieder auf Hindernisse gestoßen. Bei den Festoxid-Brennstoffzellen (SOFC, siehe 2. Seite) zersetzte sich zum Beispiel das oxidkeramische Material. Stand der Technik sei eine Lebensdauer von drei Jahren, heißt es in Unterlagen der EU zum Projekt ene.field. Drei Jahre sind viel zu kurz für eine Heizungsanlage. Angestrebt werden in dem Förderprogramm acht Jahre; Uwe Limbeck hofft auf zehn Jahre oder mehr.

Deshalb verwendet Bosch in dem Projekt Anlagen mit einer SOFC, die im Hause Krauter bei 700 Grad betrieben wird. „Der Grund ist der einfachere Systemaufbau“, sagt Limbeck. „Lange war die Haltbarkeit das Problem. Jetzt sehen wir Fortschritte bei der Technologie.“ Die Zeit sei reif, in einen Feldtest zu gehen.

Das sehen auch andere Hersteller so. Toyota verkaufe im japanischen Markt bereits Brennstoffzellen-Heizanlagen, sagt Limbeck. In Deutschland gibt es das Projekt Callux, aufgelegt vom Nationalen Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP), das Energiewirtschaft und Hersteller mit Förderung aus dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur tragen. Gemeinsam wollen die Beteiligten die Technik mit 75 Millionen Euro vorantreiben. Mit dabei sind unter anderem die EnBW, die schon Ende 2012 die hundertste Brennstoffzelle zu Heizungszwecken installiert hat, die MVV Energie in Mannheim, der Hersteller Vaillant und das Stuttgarter Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung (ZSW). Auch der Hersteller Viessmann ist bereits am Markt und hat sich dazu japanisches Knowhow durch eine Partnerschaft mit Panasonic gesichert.

Ehrgeiziges Ziel im Wirkungsgrad

In diesen Projekten wird häufig auch die Polymerelektrolyt-Brennstoffzelle eingesetzt, und der elektrische Wirkungsgrad liegt bei 35 Prozent: dieser Anteil der Energie wird in Strom umgesetzt. Bosch Thermotechnik hat sich mit 45 Prozent ein ehrgeizigere Ziele gesetzt. Der Gesamtwirkungsgrad der Anlage (Wärme und Strom) soll 85 bis 90 Prozent erreichen.

Das Test- und Demonstrationsprojekt hat Bosch Thermotechnik ausgeschrieben. Roland Krauter stieß in der eigenen Firma darauf – er arbeitet ebenfalls bei Bosch – im Automobilbereich. In der Anlage in seinem Keller steckt nicht nur die Brennstoffzelle, sondern drei weitere Module. Direkt unter ihr steht ein Puffertank mit 150 Litern. „Wir müssen die Wärme zwischenspeichern“, sagt Limbeck. Daneben steht ein Trinkwasserspeicher mit 75 Litern Kapazität. Aus dem kommt das Wasser für Dusche und Wasserhähne. Erst wenn das zur Neige geht fördert eine Pumpe Wasser aus dem Pufferspeicher.

Die Brennstoffzelle liefert 700 Watt elektrische Leistung und ebenso viel Wärme. Den Strom verbrauchen die Krauters selbst; wenn ihr Bedarf zu gering ist, fließt der Überschuss ins Netz und verschafft der Familie Einnahmen aus Stromverkauf. „Im Winter reichen 700 Watt Wärme natürlich nicht aus“, sagt Roland Krauter. Deswegen gehört zu der Demonstrationsanlage eine Brennwertheizung, die den Platz rechts oben im Schrank einnimmt. „Man könnte auch eine Solarthermie-Anlage einbinden“, sagt Limbeck, „und wir bieten Brennwertthermen von 14 bis 24 Kilowatt Leistung an.“ Die Therme springt an, wenn der Brennstoffzelle die Puste ausgeht. Roland Krauter hat sich mit ihr auch ein Stück Sicherheit für die Zukunft geschaffen. Das Test- und Demonstrationsprogramm von Bosch und das EU-Förderprogramm ene.field endet nämlich 2017.

Was dann mit der Brennstoffzelle geschieht, ist noch nicht entschieden. Die Betriebsdaten fließen derzeit ständig über das Internet zum Hersteller. Roland Krauter bekommt darüber monatlich einen Bericht. Möglicherweise muss aber zur Auswertung der Testphase die Brennstoffzelle am Ende ins Labor. Roland Krauter würde das nicht stören. „Die Brennwerttherme reicht aus“, versichert Limbeck. Und wenn er will, kann er eine andere Quelle erneuerbarer Energie anschließen, etwa eine Solarthermie-Anlage.

Die Brennstoffzelle

Erfindung

Schon 1839 beschrieb der in Metzingen geborene Christian Friedrich Schönbein das Prinzip der Brennstoffzelle, nämlich die Umkehrung der Elektrolyse von Wasser. Dabei entsteht eine elektrische Spannung zwischen zwei Elektroden, von denen eine von Wasserstoff und eine von Sauerstoff umspült wird.

Anwendung

In den 1960er Jahren wurden Brennstoffzellen erstmals zur Energieversorgung von Satelliten und den Apollo-Raumschiffen eingesetzt. Als Abfallprodukt entsteht Wasser, das die Astronauten nutzen können.

Weiterentwicklung

Als technisch knifflig erwies sich die Wahl des Materials für den Elektrolyten zwischen den Elektroden. Verwendet werden zum Beispiel Polymer-Membranen, etwa in der Polymerelektrolyt-Brennstoffzelle (PEFC) und Oxid-Keramik (Festoxid-Brennstoffzelle, SOFC). Erstere arbeitet bei Temperaturen zwischen 60 und 70 Grad, letztere bis zu 1000 Grad, allerdings mit höherem Wirkungsgrad.