Die Beteiligung an EWE stellt die EnBW vor neue Probleme. Die Oldenburger drohen jetzt mit dem Rückkauf ihrer Anteile.

Stuttgart - Die Beteiligung am Oldenburger Versorger EWE stellt die EnBW vor neue Probleme und Risiken. Im Poker um die Anteile am Leipziger Gasunternehmen Verbundnetz Gas (VNG) drohen gerichtliche Auseinandersetzungen mit der EWE, die für die EnBW massive finanzielle Folgen haben könnten. Hintergrund sind unterschiedliche Rechtsauffassungen über den Einstieg der Karlsruher in Oldenburg und die geplante Übernahme der bisher von der EWE gehaltenen VNG-Anteile von knapp 48 Prozent durch die EnBW. Zudem droht die VNG, die bisher Gewinne in zwei- bis dreistelliger Millionenhöhe schrieb, in diesem Jahr tief in die Verlustzone zu geraten.

 

Die Probleme sind offenbar der Auslöser für die massive Kritik der grün-roten Regierungskoalition am EWE-Engagement der EnBW. SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel hatte den vor zwei Jahren erfolgten Kauf von 26 Prozent für gut zwei Milliarden Euro vorige Woche im Landtag als schlechtes Geschäft gerügt. Die Verantwortung dafür trügen EnBW-Chef Hans-Peter Villis und der Aufsichtsratsvorsitzende Claus Dieter Hoffmann. Am Vortag hatte sich der Aufsichtsrat nach StZ-Informationen ausführlich mit den Differenzen zwischen EnBW und EWE befasst; dabei zeigten sich die Kontrolleure von deren Ausmaß überrascht.

Die Übernahme schien ausgeschlossen

Als Villis vor zwei Jahren bei EWE einstieg, ging es ihm vor allem um die Anteile der Oldenburger an der VNG. Sie gilt in der Branche als "ostdeutsche Ruhrgas" und sollte der EnBW beim Ausbau ihres Gasgeschäfts dienen. Bei den kommunalen Aktionären der VNG, die den Einstieg in der Hauptversammlung billigen müssten, stießen die Karlsruher aber auf wenig Gegenliebe. Die Übernahme einer Mehrheit durch die EnBW schien ausgeschlossen.

Die EWE möchte ihre VNG-Anteile möglichst schnell loswerden und erhöht deshalb den Druck auf die EnBW, diese zu übernehmen. Sie stellt nun die bisherige Ansicht der EnBW in Frage, es handele sich lediglich um eine Kaufoption; diese läuft zum Jahresende aus. Tatsächlich, argumentieren die Oldenburger plötzlich, seien die Karlsruher zum Kauf der VNG-Aktien verpflichtet. Wegen der damit verbundenen Risiken wurde eigens ein Nachtrag zum Wertpapierprospekt für die 750-Millionen-Euro-Anleihe veröffentlicht, die die EnBW kürzlich begeben hatte. Darin heißt es: "Der Kauf könnte zu einer ungeplanten finanziellen Belastung des Konzerns führen und das Rating der EnBW gefährden." Zudem bestehe "aufgrund der Höhe des Kaufpreises das Risiko einer sofortigen Wertberichtigung der Beteiligung." Weil dieses Risiko zunächst nicht klar genug dargestellt war, können Zeichner der Anleihe nachträglich zurücktreten.

Die Karlsruher wollen deutlich weniger zahlen

Dies gilt auch für den zweiten aktualisierten Punkt. Beim Einstieg in Oldenburg wurde vereinbart, dass die EnBW ihre Anteile im Fall eines Kontrollwechsels den kommunalen EWE-Eignern zum Rückkauf anbieten müsse. Die EnBW sieht im Wechsel eines der beiden Großaktionäre - das Land übernahm im Februar die 45-Prozent-Beteiligung der französischen EdF - zumindest im Geschäftsjahr 2011 keinen solchen Kontrollwechsel; so lange gilt nämlich noch die ursprünglich mit der EdF getroffene Aktionärsvereinbarung. Anders die hinter der EWE stehenden norddeutschen Landkreise: Sie haben die EnBW nun sogar aufgefordert, ein Verkaufsangebot vorzulegen. Auch hier wird im Nachtrag zum Wertpapierprospekt gewarnt, der notfalls gerichtlich zu ermittelnde Kaufpreis könne "unter dem aktuellen Buchwert" bei der EnBW liegen.

EnBW-intern werden die Differenzen als Drohkulisse vor dem Hintergrund der Verhandlungen über den Preis des VNG-Anteiles gewertet. Dies würde auch erklären, warum mit zwei scheinbar gegensätzlichen Forderungen operiert wird - einmal mit der Rückabwicklung des Kaufes, einmal mit der Erfüllung von Pflichten aus dem Kaufvertrag. Bisher war stets von 1,2 Milliarden Euro für VNG die Rede gewesen. Angesichts der aktuellen Probleme bei dem Gasunternehmen wollen die Karlsruher aber offenbar deutlich weniger bezahlen. Vorige Woche war durch Medienrecherchen bekannt geworden, dass der drittgrößte deutsche Gasimporteur dieses Jahr tief in die roten Zahlen rutschen dürfte: Nach einem Rekordgewinn von 170 Millionen Euro im Jahr 2009 und 59 Millionen Euro 2010 drohe ein Minus von 350 Millionen Euro. Ein Grund sei der Preisdruck bei Gas. VNG bestätigte nur, dass man Einbußen erwarte, nannte aber keine Zahlen.

Angesichts der unerwarteten Schwierigkeiten scheinen die kommunalen VNG-Aktionäre ihre Vorbehalte gegen den Einstieg der EnBW aufzugeben. Ein Vertreter des Verbandes, in dem sie zusammengeschlossen sind, bot der EnBW jetzt eine "faire und offene Partnerschaft" an. Ob die Kommunen auch die bisher abgelehnte Übernahme einer Mehrheit akzeptieren würden, blieb offen. Laut einem EnBW-Sprecher hat die EWE inzwischen angeboten, die eigentlich zum Jahresende auslaufende Kaufoption für den VNG-Anteil zu verlängern - offenbar um einige Monate. Gespräche darüber seien aufgenommen worden.

EWE - Teures, aber noch ungenutztes Ticket fürs Gasgeschäft

Hoffnungen: Die EWE gehört zu den „Sorgenkindern“ von Konzernchef Villis. Den Anteil von 26 Prozent hatte er 2009 vor allem deshalb erworben, um zunächst 48 Prozent und später die Mehrheit beim Leipziger Gasunternehmen VNG zu erhalten. Nur vor diesem Hintergrund sei der hohe Kaufpreis von mehr als zwei Milliarden Euro gerechtfertigt, heißt es in der Branche. Wegen Vorbehalten der kommunalen VNG-Eigner kam die EnBW jedoch bisher nicht zum Zuge.

Probleme: Über die Bewertung des Anteils wird seither konzernintern gerungen. Dies war bereits einer der Hintergründe, als der Finanzvorstand Rudolf Schulten 2010 vorzeitig ausschied – offiziell aus gesundheitlichen Gründen. Nach StZ-Informationen hatte er eine massive Wertberichtigung des Anteils gefordert, konnte sich aber nicht durchsetzen. In der Bilanz 2010 sollten wegen VNG 95 Millionen Euro abgeschrieben werden, im Halbjahresergebnis 2011 weitere 370 Millionen. Unternehmenskenner halten dies noch nicht für ausreichend.