Um die Kosten der Energiewende zu senken, stellt die Bundesregierung die Förderung von Ökoenergie-Projekten komplett um. Profitieren werden Energiekonzerne. Die Gekniffenen sind engagierte Bürger und kleine Stadtwerke.

Stuttgart - Im kleinen Städtchen Fellbach vor den Toren Stuttgarts hatte man sich in Sachen Energiewende große Ziele gesetzt. Das kommunale Stadtwerk betreibt eine Biogasanlage und hat mehrere Fotovoltaikanlagen und Blockheizkraftwerke errichtet. Seit 16 Jahren managt das 60-Mitarbeiterunternehmen einen eigenen Windpark auf der Schwäbischen Alb, und im nahen Remstal nimmt bald ein neues Projekt mit mehreren Anlagen den Betrieb auf. Aber seit neuestem zucken die schwäbischen Öko-Energiepioniere bei der Frage nach noch mehr grünem Engagement mit den Schultern. „Vor allem um die Windkraft voranzubringenwürden wir gerne noch mehr investieren“, sagt der Fellbacher Stadtwerke-Chef Gerhard Ammon. „Aber im Moment wissen wir überhaupt nicht, ob und unter welchen Bedingungen das überhaupt noch möglich ist.“

 

So wie Stadtwerkemanager Ammon geht es vielen kleinen Spielern im Energiemarkt. Landauf, landab schlagen sich lokale Energieversorger mit den neuen Regularien zur Förderung erneuerbarer Energien herum, über die am Freitag im Bundestag und im Bundesrat abgestimmt werden soll. „Kleinere Unternehmen, aber auch Bürgerinitiativen, drohen beim Rennen um neue Standorte für Windanlagen ins Hintertreffen zu geraten“, sagt Thorsten Höck, Geschäftsführer des Südwest-Energieverbands VfEW. „Da herrscht große Verunsicherung.“

Förderung wird auf neue Beine gestellt

Im Hintergrund steht die Neufassung des sogenannten Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), das seit dem Jahr 2000, die Förderung von Strom aus regenerativen Quellen wie Wind, Solarenergie, Wasserkraft oder Biomasse in Deutschland regelt. Bisher erhalten Ökostromerzeuger über eine Dauer von 20 Jahren feste Vergütungen für jede erzeugte Kilowattstunde Ökostrom. Mit diesem Einfach-Gesetz konnten selbst interessierte Laien ihre Renditen recht zuverlässig kalkulieren und danach eine Investitionsentscheidung treffen. Auf Grundlage des EEG wurde Deutschland innerhalb nicht mal eines Jahrzehnts zum weltweiten Vorzeigemarkt für saubere Stromerzeugung, mit einer Ökoenergie-Quote am Strommix von mittlerweile rund 33 Prozent. Der Nachteil des ausgelösten Investitionsschubs waren hohe Kosten für die garantierten Vergütungen der Wind- und Solarstromer. 23 Milliarden Euro zahlen die deutschen Energieverbraucher mittlerweile im Jahr über ihre Stromrechnung, um den Ökoboom am Laufen zu halten. Aus Sicht der Bundesregierung ist das zu viel, weswegen seit Jahren an einer Systemumstellung gearbeitet wird, die alles günstiger machen soll.

Dieser Systemwechsel steht nun an und er wird ziemlich radikal. An die Stelle der auf 20 Jahre gewährten Vergütungen sollen Ausschreibungen treten. Zwar soll grundsätzlich immer noch jeder Solar- oder Windparks bauen dürfen, staatlich gefördert werden aber nur noch die günstigsten Anbieter. Die Fördersätze werden in bundesweiten Ausschreibungsverfahren festgelegt.

Bürgerinitiativen im Abseits

Was sich bestechend anhört, birgt aber Nachteile. Ähnlich wie bei Architekten oder Handwerkern, die Angebote für Großprojekte abgeben, ist die Chance auch bei Wind- oder Solarparks in Zukunft groß, nicht zum Zug zu kommen. Hunderttausende Euro, die in die Vorentwicklung der Projekte gesteckt wurden, sind dann weg. Ein K.O.-Kriterium für kleinere, weniger finanzkräftige Energieversorger und Bürgerprojekte, wie Fachleute meinen. „Selber Windparks zu errichten, ist dann mit einem hohen Risiko verbunden“, sagt Stadtwerke-Chef Ammon. Große Unternehmen, etwa Energiekonzerne, würden das Rennen machen. Sie streuten einfach ihr Risiko, in dem sie für mehrere Windparks böten. Frei nach dem Motto: „Bei einem wird es schon klappen.“ Kleinversorger können das nicht. Sie sind fast immer von einzelnen Projekten abhängig. Scheitert es, wird das Unternehmen komplett zurückgeworfen. „Für die kleinen wird vom Windkraftgeschäft wird nicht viel übrig bleiben“, sagt Ammon.

Auch Bürgerinitiativen, die in Ländern wie Schleswig-Holstein bisher etwa die Hälfte aller Windräder errichtet haben, sehen ihr Felle davon schwimmen. Als „fatal“ bezeichnet René Mono, Chef des Vereins Bündnis Bürgerenergie, die Gesetzespläne. Kleininvestoren in erneuerbare Energien würden „massiv abgeschreckt“. Die Energiewende als „Projekt der Menschen“ sieht er in akuter Gefahr. Zwar müssen Zusammenschlüsse Ökoenergie-begeisterter Bürger die mitunter mehrere Hunderttausend Euro teuren Gutachten zum Arten-, Schall- oder Umweltschutz, die für den Bau von Windrädern nötig sind, im Ausschreibungsverfahren nicht vorlegen. Allerdings müssen sie bis zu sechsstellige Euro-Beträge als Sicherheit hinterlegen. Scheitert der Windpark dann dennoch, ist das Geld weg. Mono sagt: „Auf dieser Grundlage befürchten wir einen Stillstand beim Neubau von Anlagen aus Bürgerhand.“

Konzerne mit Vorteilen

Die Hände reiben sich indes große und finanzkräftige Energieunternehmen. Sie spekulieren auf das Anlagekapital der Bürger. Immer mehr Energieversorger bieten Kooperationsmodelle an und öffnen ihre Windparks oder Solarfelder für Kleininvestoren. Wenn sich am Gesetz nichts Substanzielles mehr verändere, bliebe wohl nicht anderes übrig, als sich damit zufrieden zu geben, sagt Mono.