Das Umweltressort gibt für eine Kampagne zur Energiewende 2,5 Millionen Euro aus. Ob die Werbeaktion bei der Bevölkerung so richtig zündet, ist allerdings nicht ganz klar. Die Resonanz könnte größer sein.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Franz Untersteller schaltete sofort in den Verteidigungsmodus. Mit einem Etat von zweieinhalb Millionen Euro, wurde der Umweltminister gefragt, sei seine Informationskampagne zur Energiewende eine der teuersten der Landesregierung. Ob es da eigentlich eine Erfolgskontrolle gebe? Es handele sich um „gut angelegtes Geld“, erwiderte der Grüne. Der Umbau der Energieversorgung könne nur gelingen, „wenn man die Bürger mitnimmt“. Wie notwendig dazu Kommunikation sei, zeige etwa die Diskussion über den Ausbau der Stromnetze. „Umsonst gibt’s das nicht“, fügte Untersteller hinzu.

 

Die beste Werbung für die Energiewende wäre es wohl, wenn diese sichtbare Fortschritte machen würde oder Erfolge zu vermelden wären. Doch daran hapert es noch – teils wegen der Rahmenbedingungen aus Berlin, teils weil man in Stuttgart die Probleme unterschätzt hat, besonders beim Ausbau der Windkraft. Aber auch die im Frühjahr 2013 gestartete Kampagne des Umweltministeriums (Slogan: „Energiewende – machen wir“) könnte sichtbarer sein. Zum Auftakt posierte Untersteller vor dem Landtag medienwirksam mit drei mannshohen Zahlen: 50-80-90, den Zielen der Landesregierung. Ihre Botschaft: Um 50 Prozent soll der Energieverbrauch sinken, 80 Prozent der Energie sollen bis 2050 die Erneuerbaren liefern, um 90 Prozent bis dahin die Treibhausgase sinken. Dann gingen die Zahlen auf Tournee durchs Land, flankiert von Anzeigen und einer Internetseite. Allzu viel sah und hörte man fortan nicht mehr von der Kampagne.

Keine europaweite Ausschreibung nötig

Allein diese „Kick-off“-Phase ließ sich das Ministerium 750 000 Euro kosten. Der Gesamtauftrag wurde so unterteilt, dass keine europaweite Ausschreibung notwendig wurde. Viel fehlte freilich nicht zu der dafür maßgeblichen 200 000-Euro-Grenze: 199 700 Euro erhielt die beauftragte Agentur Ressourcenmangel, die zur politikerfahrenen Hirschen-Gruppe gehört, nach offiziellen Angaben für die Startphase, nochmals gut 154 000 Euro für Entwicklung und Betreuung der Website. Prompt eröffneten die Werber von Ressourcenmangel ein eigenes Büro in Stuttgart, das inzwischen mehr als ein Dutzend Mitarbeiter beschäftigt.

Was die Kampagne bisher gebracht hat, erkundete die CDU-Fraktion jüngst in einer Landtagsanfrage. Die Auskunft aus dem Hause Untersteller fiel gemischt aus: „Repräsentative Zahlen zum Bekanntheitsgrad“ lägen derzeit nicht vor, da dafür teure Erhebungen notwendig wären. Auch das Interesse an der Internetseite war überschaubar: Gut 80 000 Besucher hätten die Seite www.50-80-90.de bis zum Ende vorigen Jahres angeklickt, nur ein kleiner Teil von ihnen mehrfach. Der Dialog im Debattenforum ebbte schnell wieder ab: Die Zahl der selbst verfassten Beiträge sank von Oktober bis Dezember 2013 von zwölf auf null, die Zahl der Kommentare dazu von 1050 ebenfalls auf null.

Ein externes Institut hat das Ministerium gelobt

Lob bekam das Ministerium bei einer Evaluation durch ein externes Marktforschungsinstitut, das in mehreren Workshops Bürger und Multiplikatoren zu der Kampagne befragte. Deren Urteil: sie werde „überwiegend sachlich, angemessen, informativ und überzeugend wahrgenommen“. Keiner der Befragten habe sie als überflüssig betrachtet oder abgelehnt. An Vorschlägen zur Verbesserung mangelte es nicht: Empfohlen wurde etwa eine „stärkere Emotionalisierung“, aber auch das Verteilen von Werbegeschenken, neudeutsch „give-aways“. Die Ergebnisse der Auswertung, soweit brauchbar, sollen nun in die Fortsetzung einfließen.

Vor Kurzem, berichtete Franz Untersteller, habe man „die zweite Phase eingeläutet“. Bis zum Ende der Legislaturperiode stehen dafür knapp 1,7 Millionen Euro zur Verfügung. Diesmal wurde der Auftrag übrigens nicht beschränkt, sondern europaweit ausgeschrieben. Elf Agenturen bewarben sich, acht präsentierten im Januar ihre Ideen, teils gemeinsam mit Kooperationspartnern. Der Sieger war am Ende keine große Überraschung: die Agentur Ressourcenmangel, unterstützt von einer Fellbacher Kommunikationsagentur. Mit „neuer Gewichtung, neuen Bausteinen und neuen Dialogformaten“, hieß es, solle sie die Kampagne fortführen. Geplant ist unter anderem ein „Energiewendetag“.

Das Verfahren sei „sauber gelaufen“, heißt es

Die Entwickler der Auftaktkampagne verteidigen den begehrten Etat – das war laut Ministerium kein Automatismus. Die Ausschreibung sei „absolut offen“ gewesen, sagt ein Sprecher. Ressourcenmangel habe nur insofern einen gewissen Vorteil gehabt, als den Werbern die bisherige Kampagne am besten vertraut war und sie darauf aufbauen konnten. Wie sauber das Verfahren gelaufen sei, zeige die Tatsache, dass es keinen Einspruch gegeben habe.

Mit den Wettbewerbssiegern werde man sich bald zusammensetzen, um die zweite Phase zu besprechen, kündigte Untersteller an. Auch die Erfolgskontrolle wird fortgesetzt: Allmonatlich treffen sich Ministeriale und Werber, um Bilanz zu ziehen. Nun muss der Slogan „Energiewende – machen wir“ nur noch eingelöst werden.