Die Debatte über Standorte für Windräder ist noch einmal hitzig gewesen in der Regionalversammlung. 41 Flächen sind es am Ende, die der Windkraft zur Verfügung stehen.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Gleich fünf Fraktionen in der Regionalversammlung hat das Thema Windkraft derart umgetrieben, dass sie am Mittwoch demokratische Gepflogenheiten außer Kraft gesetzt haben: Sie waren nicht wie üblich bereit, sich an die Vorberatung im Planungsausschuss vor zwei Wochen zu halten. Rund 20 Standorte wurden nochmals zur Debatte gestellt, und zwar zu einer hitzigen Debatte, die drei Stunden dauerte. Grüne und SPD wollten wieder mehr, die CDU, die FDP und die AfD weniger Standorte. Doch am Ende blieben alle bei ihrer alten Haltung, trotz teils leidenschaftlicher Appelle vor allem der CDU, und es blieb weitgehend beim alten Vorbeschluss: Auf 41 Flächen in der Region können nun Windräder gebaut werden.

 

Damit ging vor den Augen von etwa 180 Zuschauern ein vierjähriges Verfahren zu Ende. Kein anderes regionales Thema hat in diesem Zeitraum den Regionalverband und die Bürger so bewegt wie die Windkraft.


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Im Schwäbischen Wald wird gestrichen

Herausgefallen sind am Mittwoch – auf Vorschlag der Verwaltung – noch drei Standorte im Schwäbischen Wald (im regionalen Jargon sind das die Flächen WN-02, WN-03 und WN-04), weil der nördliche Rems-Murr-Kreis aus Sicht der Regionalversammlung sonst zu stark belastet wäre. Drei weitere Gebiete zwischen Welzheim und Plüderhausen (WN-28, WN-29 und GP-01) sollen aus demselben Grund teils stark verkleinert werden. Im Bereich um Hohenstadt (Kreis Göppingen) war aus Sicht der Verwaltung ebenfalls eine Konzentration von Standorten zu erkennen. Die Begründung, dennoch nichts zu streichen, wirkt kurios: Es gebe schon bei den bestehenden Anlagen geringe Abstände, und aus der Bevölkerung seien keine Bedenken vorgebracht worden.

Auf dem Schurwald waren die Bürger dagegen Sturm gelaufen. Dennoch schlägt der Regionalverband vor, alle Standorte dort weitgehend zu belassen, denn eine „Galeriewirkung“ sei nicht zu befürchten, so die Begründung des Verbands.

Insgesamt will der Verband Region Stuttgart mit den 41 Standorten 2500 Hektar Fläche für Windräder frei geben. Das entspricht etwa 0,7 Prozent der Fläche der Region. Nicht wenige Standorte könnten aber noch im konkreten Genehmigungsverfahren gestrichen werden, da es bei 28 von 41 Standorten noch ungelöste Konflikte gibt – weil die Fläche zum Beispiel im Landschaftsschutzgebiet liegt oder der Deutsche Wetterdienst Einspruch erhoben hat (siehe im Einzelnen die Karte).

Um den Stuttgarter Tauschwald wurde gekämpft

In der Debatte wurden die unterschiedlichen Meinungen nochmals sehr deutlich. Die Grünen wollten sechs kleinere Standorte, darunter auch den Tauschwald in Stuttgart, wieder aufnehmen. Es sei wichtig, so die Begründung, dass nicht nur große Investoren Windräder bauten, sondern auch Bürgerenergiegenossenschaften oder Stadtwerke zum Zuge kämen. Diese seien auf kleinere Standorte angewiesen. Im Übrigen, so die Grünen-Chefin Ingrid Grischtschenko, „empfinde ich die Aufregung über Windräder angesichts des atomaren Zwischenlagers in Gemmrigheim als künstlich“. Die SPD wollte über vier Standorte erneut diskutieren.

Die CDU kämpfte dafür, zehn weitere Flächen zu streichen, darunter die umstrittene Buocher Höhe (Rems-Murr-Kreis) – auch dann leiste die Region mit 1900 Hektar einen bedeutenden Beitrag zur Windenergie. Auf dem Schurwald und rund um Geislingen sei die Belastung für die Menschen ebenfalls zu hoch, so der Regionalrat Felix Tausch. Die FDP wollte noch elf Standorte streichen, die AfD gar 13. Der SPD-Regionalrat Matthias Hahn kritisierte die CDU scharf: „Den Atomausstieg hat Ihre Kanzlerin beschlossen, doch Sie folgen ihr mit einem erschreckend geringen Enthusiasmus.“ Die Freien Wähler hatten ihre Haltung der Mitte schon in der letzten Sitzung bestätigt gesehen und hatten keine weiteren Wünsche. Am Ende aber fand sich für keine einzige der Änderungen eine Mehrheit, obwohl die Freien Wähler nicht immer geschlossen abstimmten.

Windkraftgegner sind unversöhnlich

Michael Haueis von der Bürgerinitiative Pro Schurwald kritisierte die Entscheidung: Eine Fläche von 1000 Hektar hätte als Beitrag ausgereicht, damit das Land sein Ziel erreiche, bis 2020 zehn Prozent des Strombedarfs mit Windkraft zu erzeugen. Die Initiative Vernunftkraft BW, die rund um den Hohenstaufen aktiv ist, hält die Pläne der Region gar für rechtswidrig, weil bekannte Konflikte nicht vor der Entscheidung gelöst würden. Wolfgang Voelker von „Pro Tauschwald“ betonte, dass seine Initiative nicht nur gegen die Räder gekämpft habe, sondern an der Energiewende mitarbeiten wolle. Der Stuttgarter OB Fritz Kuhn (Grüne) kündigte an, alle Stuttgarter Initiativen einzuladen, um darüber zu reden, wie man den Wegfall der zwei Windräder im Tauschwald kompensieren könne.