Die ersten Reaktionen auf das Energiewende-Papier des Stuttgarter Oberbürgermeisters Fritz Kuhn (Grüne) sind größtenteils zurückhaltend bis ablehnend. Die CDU vermisst innovative Ansätze, der SPD fehlen Aussagen zur Finanzierung.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Im Stuttgarter Gemeinderat ist das lange angekündigte Konzept von OB Fritz Kuhn (Grüne), wie die Energiewende in Stuttgart gemeistert werden kann, eher mit Enttäuschung und Skepsis aufgenommen worden. Ziel ist es, bis 2020 den gesamten Energieverbrauch um 20 Prozent zu senken (14 Prozent sind geschafft) sowie den Anteil der erneuerbaren Energien auf 20 Prozent zu steigern (bisher 9,7 Prozent).

 

Alexander Kotz, der Chef der CDU-Fraktion im Gemeinderat, kritisierte vor allem, dass er im Energiekonzept keine innovativen Ansätze gefunden habe: „Es gibt keine Stelle, wo man sagt: ‚Wow, da spürt man jetzt den grünen OB.’“ Im Gegenteil sei das Konzept hauptsächlich eine Zusammenstellung des Erreichten. Das sei zwar ein schönes nachträgliches Lob für den Ex-OB Wolfgang Schuster, aber die Bürger hätten mehr erwartet; man habe den Eindruck, es gehe alles so weiter wie bisher. Im Übrigen gelte dies, so Kotz, auch für die Konzepte in den Bereichen Verkehr und Wohnen: „Das ist enttäuschend.“

SPD: Es bleibt unklar, wer die Energiewende finanziert

Weiter sagte Kotz, dass seine Fraktion überlege, ob sie am Dienstag im Ausschuss für Umwelt und Technik die Vertagung des Themas beantrage. Die Verwaltung habe zwei Jahre lang an dem Konzept gearbeitet, jetzt soll sich der Gemeinderat binnen fünf Tagen kompetent äußern.

Peter Pätzold, der Vorsitzende der Grünen, kann diese Kritik nicht nachvollziehen: „Das Konkrete, das manchen fehlt, kommt jetzt im Diskussionsprozess“, sagte er. Alle könnten nun Vorschläge machen, und in einem Jahr bei den Haushaltsberatungen werde klar benannt, was finanziert und umgesetzt werde. Auch Pätzold sagte aber, wohl in Hinblick auf die Stadtwerke Stuttgart, dass es an der Vermarktung der Energiewende in Stuttgart noch hapere: „Diese Wende muss erlebbar werden.“

Martin Körner, der die SPD-Fraktion führt, wollte nicht ganz so hart mit dem Konzept ins Gericht gehen wie die CDU. Was ihm aber fehle, sei die Auseinandersetzung mit dem Thema Geld. Es werde weder gesagt, wie die Bürger bei den hohen Investitionen bei der Sanierung ihrer Gebäude unterstützt werden könnten, noch werde dargelegt, wie die teuren Anlagen der erneuerbaren Energien finanziert werden sollen. Auf Nachfrage hatte OB Kuhn bei der Vorstellung des Konzepts am Donnerstag erklärt, dass er für den nächsten Doppelhaushalt Vorschläge machen werde.

Linke: Bürger müssen mitmachen, nicht nur mitreden

Christoph Ozasek, Stadtrat in der Fraktionsgemeinschaft SÖS-Linke-Plus, äußerte sich inhaltlich noch nicht; dazu habe er sich nicht ausreichend einarbeiten können. Er kann daher den Wunsch der CDU auf eine Vertagung verstehen und würde diese mittragen. Grundsätzlich aber betonte Ozasek zwei Punkte. Zum einen dürfe sich die geplante Beteiligung der Bürger nicht nur auf Appelle und Diskussionen erschöpfen: „Vielmehr muss ein echter Mitmachprozess anlaufen“, so Ozasek. Zum anderen müsse die Energiewende in viele kleine Zwischenschritte aufgeteilt werden, deren Erfolg laufend überprüft werde.

Michael Fuchs vom Verein „Kommunale Stadtwerke“ freut sich darüber, dass die Stadt mit den Bürgern in einen Dialog treten wolle; man werde aber ein großes Augenmerk darauf legen, wie der Prozess konkret gestaltet werde. Grundsätzlich komme der Entwurf des Energiekonzeptes derzeit nicht über das bereits bekannte „Behördenmodell“ hinaus: „So wird Stuttgart bei der Energiewende jahrelang die Rolle des Schlusslichtes unter den bundesdeutschen Großstädten einnehmen.“ Fuchs kritisierte auch, die bekannten Probleme und die zu erwartenden Konflikte unter den Akteuren seien erneut nicht offen angesprochen worden.

Bei der Präsentation des Konzepts hatte OB Kuhn mehrfach betont, dass den Stadtwerken Stuttgart eine Schlüsselrolle bei der Energiewende zukomme. In ihrer ersten Stellungnahme nahmen die Stadtwerke diese Aufgabe an – man wolle sich weiter mit spezifischen Lösungen, Produkten und Projekten für die urbane Energiewende einsetzen, sagte ein Sprecher. Das Energiekonzept zeige zahlreiche Potenziale und Perspektiven auf – es gebe aber noch viele Herausforderungen und viel Arbeit.