Der Regionalverband will eine „Maximalkulisse“ ausweisen. Dem Verkehrsministerium sind das nicht genug Standorte. Doch in der Region warnt man davor den Bogen zu überspannen und damit die Akzeptanz der Anlagen in der Bevölkerung zu gefährden.

Stuttgart - Selten hat ein schnöder Planungsausschuss des Regionalverbandes so viele Besucher wie am Mittwoch erlebt: Rund dreißig Gegner und Befürworter neuer Windkraftanlagen waren gekommen, um der Debatte zu folgen – vom Schurwald und vom Husarenhof bei Ingersheim die Gegner, aus Bönnigheim jene Bürger, die eine Windgenossenschaft gründen wollen.

 

Egal, was die Fraktionen im Planungsausschuss also sagten, sie konnten sicher sein, nicht nur auf Zustimmung zu stoßen. 82 Standorte sind derzeit noch denkbar, nachdem sechs zunächst gestrichene Gebiete jetzt wieder hinzufügt worden sind – die Bundeswehr hält es vorerst nicht mehr für zwingend, einen Flugkorridor der Heeresflieger offen zu halten. Daneben wurde auf Drängen von FDP, CDU und Grünen über einige zusätzliche Standorte wie Bönnigheim oder Nürtingen, die schon weggefallen waren, noch nicht entschieden.

Bis auf die „Republikaner“ sind alle Fraktionen auf einer Linie

Die grundsätzliche Tendenz bei allen Fraktionen war eindeutig: Alle wollen einen substanziellen Beitrag zur Nutzung der Windenergie in der Region leisten. Nur die „Republikaner“ halten es für falsch, eine solche Masse an Rädern zuzulassen.

Für viel Aufregung sorgte am Mittwoch aber die Stellungnahme des Verkehrsministeriums. Erstens kam dieser Bericht erst vor wenigen Tagen, also ein Jahr nach der Anforderung – dabei war es gerade das Ministerium, das der Region teilweise die Planung aus den Händen genommen hatte mit der Begründung, die Region würde zu zurückhaltend und zu langsam planen. Zweitens aber ist das Ministerium nicht mit den bisherigen Standorten zufrieden – die Region solle auch außerhalb der geplanten Vorranggebiete Windräder zulassen, damit jede Kommune selbst planen könne. Das birgt Sprengstoff. Planungsdirektor Thomas Kiwitt verwahrte sich gegen diese Forderung: „Wir haben eine Maximalkulisse geplant. Wer mehr will, gefährdet die Akzeptanz in der Bevölkerung.“ Auch verzögerte sich das Verfahren um zwei Jahre.

Regionalrat Manfred List (CDU) lehnte eine Ausdehnung der Gebiete kategorisch ab. Im Gegenteil: Man respektiere den Beschluss des Landes, aber man sei dagegen, dass eine so dicht besiedelte und belastete Region wie Stuttgart einen höheren Beitrag leisten soll als andere Regionen.

Regionen engagieren sich unterschiedlich stark

Mit derzeit 82 Standorten wäre der Beitrag Stuttgarts tatsächlich höher als vorerst benötigt. Das Ziel der Landesregierung ist es, bis 2020 etwa 1200 Windkraftanlagen zu errichten – die Region Stuttgart umfasst zehn Prozent der Landesfläche, theoretisch käme man also auf einen Beitrag von 120 Anlagen. An 82 Standorten lässt sich vermutlich das Dreifache an Anlagen bauen. Umgekehrt haben benachbarte Regionen deutlich weniger Standorte ausgewiesen. In der Region Heilbronn-Franken sind es im Moment 41 Standorte, obwohl die Fläche dort um knapp ein Drittel größer und obwohl dort laut Windatlas die Stärke des Windes nicht geringer ist.

Thomas Kiwitt hält sein Vorgehen aber für richtig. Da man schon jetzt alle möglichen Standorte ausweise, müsse man in zehn Jahren, wenn der Ausbau voranschreite, nicht erneut in dieses komplizierte Verfahren einsteigen. Außerdem würden vermutlich noch viele Standorte im weiteren Verfahren wegfallen: „Bisher gibt es nur ganz wenige Standorte, die völlig unproblematisch sind“, sagte Kiwitt.

Mindestabstand zur Wohnbebauung nochmals in der Kritik

Matthias Hahn von der SPD stellte sich uneingeschränkt hinter diese Planung, zeigte aber dem Verkehrsministerium die gelbe Karte: „Man kann nicht mitten im Spiel die Regeln ändern.“ Alfred Bachofer (Freie Wähler) lobte die klare Linie der bisherigen Planungen. Bei Land und Bund könne man eine solche Konzeption nicht erkennen: „Man überlässt alles den Kommunen und den Regionen, und die prügelt man dann auch noch dafür.“ Auch Kai Buschmann (FDP) ärgerte sich massiv über diese „inhaltlich falschen“ Forderungen.

Dorothee Kraus-Prause (Grüne) hätte gerne gehabt, dass man mehr Standorte zugelassen hätte, auch wenn auf den ersten Blick der Wind nicht stark genug sei. Eine Öffnungsklausel macht dies nun möglich, sofern die Gemeinde die benötigte Windstärke nachweist. CDU, Freie Wähler und FDP betonten einen weiteren Punkt: den Abstand zur Wohnbebauung. Man müsse darüber reden, ob 700 Meter ausreichen, forderten die Fraktionen. Thomas Kiwitt hält eine Änderung nicht mehr für möglich.

Windräder in der Region – So ist der Stand der Dinge

Planung
Erst Anfang 2014 wird abschließend geregelt, wo Windräder möglich sind. Gestern hat der Regionalverband aber einen wichtigen Zwischenschritt getan. Sechs gestrichene Standorte im Kreis Göppingen sind wieder aufgenommen worden – die Bundeswehr hat Einsprüche zurückgenommen. Konkret ging es um einen Flugkorridor der Heeresflieger. Nun sind wieder 82 Standorte im Rennen – das würde reichen für mehrere hundert Windräder.

Standorte
Zwei Drittel der Standorte liegen im Osten der Region, wo der Wind stärker bläst als im Westen. Die Toplagen: Schwäbischer Wald, Schurwald und Alb. Die Verteilung nach Kreisen sieht so aus: Im Landkreis Ludwigsburg liegen neun Gebiete, im Landkreis Böblingen ebenfalls neun, in Stuttgart zwei, in Esslingen sind es elf Standorte, im Rems-Murr-Kreis 26 Gebiete und im Landkreis Göppingen 25 Standorte. Die Größe schwankt zwischen zwei und 460 Hektar.

Erledigte Gebiete
Exakt 19 Standorte hat der Regionalverband fallen gelassen, vor allem aus Gründen des Landschaftsschutzes. Bei den 82 Standorten wird es nicht bleiben: Wegen des Artenschutzes sowie der Belange der Flugsicherung und des Wetterdiensts werden weitere Standorte gestrichen werden.

Widerstand
Vor allem rund um die Buocher Höhe (Rems-Murr-Kreis) gibt es erheblichen Widerstand gegen die noch drei bis fünf möglichen Windräder – zunächst waren bis zu zehn geplant gewesen. Auch auf dem Schurwald formieren sich die Bürger gegen die Windkraftanlagen.