Die neue Regierung muss die Energiepolitik neu aufsetzen und für die kommenden Dekaden regeln. Eine Mammutaufgabe, bei der es keine kurzfristigen Lösungen gibt, findet StZ-Korrespondentin Bärbel Krauß.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Die Energiepolitik ist ein undankbares Themenfeld. Schnelle Erfolge sind ausgeschlossen, da der Umbau der Stromversorgung ein halbes Jahrhundert dauert. An der Energiewende wird man deshalb erkennen, ob die künftige Koalition verantwortlich handelt. Meriten wird der bald für Energie zuständige Minister in den nächsten vier Jahren kaum erwerben können, dafür ist jede Menge Ärger vorprogrammiert. Er kann fast nichts alleine entscheiden, sondern muss sich mit 16 Ministerpräsidenten, dem EU-Kommissar und am besten auch mit seinen Kollegen in den Nachbarstaaten abstimmen.

 

Aber die Aufgabe ist zentral. In dieser Legislaturperiode muss die Bundesregierung die Weichen dafür stellen, dass die Stromversorgung in Deutschland sicher und bezahlbar bleibt. Was jahrzehntelang selbstverständlich war, ist durch die Energiewende zu einer schwer zu lösenden Aufgabe geworden. Der Abschied von der Atomkraft ist eingeleitet, die Produktion von Ökostrom funktioniert über die Maßen gut. Das ist ein großer Erfolg. Die Schattenseite dieses Erfolgs ist aber, dass die deutsche Energiewirtschaft ökonomisch nicht mehr funktioniert.

Strom wird billiger produziert als früher

Unterdessen wird sehr viel Strom viel billiger als früher produziert. Dennoch kostet die Kilowattstunde die Verbraucher mehr Geld, und die Tendenz ist weiter steigend. Die Kohle- und Gaskraftwerke, die gebraucht werden, um auch in wind- und sonnenarmen Zeiten Strom aus jeder Steckdose fließen zu lassen, rentieren sich nicht mehr, weil sie seltener ans Netz gehen. Der Investitionsbedarf wächst, weil neue Kraftwerke, zusätzliche Netze, effizientere Techniken notwendig sind, doch die betroffenen Unternehmen erwirtschaften dafür nicht mehr genügend Geld. Solche Fehlsteuerungen müssen beseitigt werden, obwohl viele Interessengruppen – Solaranlagenbesitzer, Windmüller, Bauern, Stadtkämmerer, Standortförderer, Ministerpräsidenten – von den bisherigen Verhältnissen profitieren und weiter profitieren wollen. Doch für die Verbraucher und die Volkswirtschaft wachsen die Kosten in unbezahlbare Dimensionen, wenn das System nicht reformiert wird. Es muss sich auf Dauer wieder besser selbst finanzieren.

Dabei darf weder die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft gefährdet werden noch der Klimaschutz unter die Räder kommen. Gesucht ist so etwas wie die Quadratur des Kreises. Deshalb ist es auch noch nicht ausgemacht, ob dieses Ressort – was seiner Bedeutung angemessen wäre – zu den begehrten Zuständigkeiten im Koalitionspoker wird oder zum Ladenhüter unter den Kabinettsposten mutiert.

Politik muss sich Zeit nehmen für Reformen

Wie diese Fundamentalreform aussehen kann, davon haben derzeit wenige Forscher eine genaue Vorstellung. Es gibt verschiedene Modelle, alle haben schwer zu überblickende Vor- und Nachteile. Deshalb muss die Politik sich für diese Entscheidung Zeit nehmen. Die Unterhändler, die den Koalitionsvertrag aushandeln, müssen zwei Versuchungen widerstehen: Sie dürfen an diesem Punkt nicht auf einen schnellen Abschluss schielen. Und sie dürfen ihr Konzept nicht auf eine schnell spürbare Kostensenkung – etwa bei der EEG-Umlage – ausrichten, denn das greift in der Sache zu kurz und könnte die politische Durchsetzungskraft gleichwohl schon erschöpfen. Zur Wahrheit gehört, dass die Energiewende nicht billig zu haben ist. Die Kernaufgabe bleibt aber, die Energiewirtschaft wieder so zu organisieren, dass es sich lohnt, Strom dann zu produzieren, wenn die Nachfrage hoch ist. Es gibt verschiedene Modelle, um mehr Marktsteuerung zu erreichen. Über sie lohnt es sich zu streiten. Die Zeit dafür muss die Politik sich nehmen – auch über den Abschluss des Koalitionsvertrags hinaus. Alle anderen Energiethemen sind daran gemessen Garnitur. Das gilt sogar für so populäre Ideen wie eine Abwrackprämie für alte Heizungen.