Mit einem simplen Verfahren umgehen Energiekonzerne die bis Ende 2016 befristete Kernbrennstoffsteuer . Der Bund muss mit beträchtlichen Einnahmeausfällen rechnen.

Stuttgart - So kurios war die energiepolitische Gemengelage noch nie: Ausgerechnet die Atomkraftgegner werfen den Energiekonzernen jetzt vor, sie würden in diesem Jahr ihre Atommeiler nur ungenügend befeuern. Die Sache hat einen simplen Grund: Um die seit 2011 erhobene aber bis Ende 2016 befristete Atomsteuer (Kernbrennstoffsteuer) zu sparen, verschieben Stromkonzerne den Austausch der Brennelemente in ihren Reaktoren zum Teil auf 2017. Denn die Steuer wird nur auf das Gewicht des Urans erhoben, der in den Brennenstäben im Reaktor als Heizstoff enthalten ist – 145 Euro pro Gramm Uran. Bei 500 Kilo in einem mittleren Atomkraftwerk kommen da hohe Beträge zusammen. Bei den jährlichen Wartungsarbeiten werden normalerweise ein Viertel bis ein Fünftel der Brennelemente erneuert – mit frischem Uran. Wird der Austausch von Brennelementen ins Jahr 2017 verschoben, fällt keine Steuer an. Und das tun die Konzerne offenbar– ein legaler Steuertrick.

 

Im zu Eon gehörenden Kernkraftwerk Brokdorf sind bei der Jahresrevision im Sommer diesmal gar keine Brennelemente erneuert worden. Der Energieversorger RWE stellte seine Atomanlagen in Gundremmingen im Frühjahr bereits so um, dass dieses Jahr möglichst wenig neue Brennstäbe benötigt werden. Wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet, sei RWE diesmal mit einem Drittel weniger neuen Brennstäben ausgekommen als bei früheren Wechseln.

Auch die EnBW spart Steuern

Auch der Energiekonzern EnBW, größtenteils in öffentlicher Hand, spart Brennelemente. Im Atomkraftwerk Neckarwestheim II werden bei Jahresrevisionen üblicherweise ein Fünftel der Brennstäbe ausgetauscht. Doch statt 40 von den insgesamt 193 waren es bei den Wartungsarbeiten, die letzte Woche endeten, nur 20.

„Eine verminderte Anzahl ausgetauschter Brennelemente zieht naturgemäß eine Verringerung der zu zahlenden Steuer nach sich“, erklärt die EnBW auf Anfrage. Von 2011 bis 2015 habe der Konzern im übrigen 1,3 Milliarden Euro an Atomsteuern bezahlt. Dass man in diesem Jahr einen Steuertrick anwende, gesteht der Konzern natürlich nicht ein. Die Zusammensetzung des Reaktorkerns werde im Jahreszyklus von den Fachleuten ständig neu berechnet, teilt die EnBW mit. Dabei werde auch miteinkalkuliert, dass Neckarwestheim II nicht länger als bis Ende 2022 Strom produzieren werde und „wir die Brennelemente wirtschaftlich optimiert einsetzen wollen“. „Wir wollen auch verhindern, dass zum Zeitpunkt der Abschaltung unnötig Brennelemente vorhanden sind, die noch nicht weitgehend verbraucht sind – das hat ökonomische und ökologische Vorteile.“

Bei der atompolitischen Sprecherin der Grünen, Sylvia Kotting-Uhl aus Karlsruhe, stoßen diese Aussagen auf wenig Glauben. „Das sind faule Ausreden der EnBW, in Wirklichkeit geht es um Steuervermeidung“, sagt Kotting-Uhl. „Die EnBW und andere Energiekonzerne tricksen wieder einmal zulasten der Allgemeinheit.“ Jochen Stay von der Aktivistengruppe „Ausgestrahlt“ sieht das ähnlich: „Die Stromkonzerne haben ein Steuerschlupfloch entdeckt.“ So habe sich der Gesetzgeber das eigentlich nicht gedacht, als er die Kernbrennstoffsteuer – noch vor Fukushima und der Energiewende – eingeführt habe. Die Steuer war auch zur Finanzierung der Altlastenbeseitigung im Lager Asse gedacht. Das Geld werde jetzt fehlen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble habe sich verrechnet und da eine „Luftnummer“ gebucht, sagt Stay.

Die Atomsteuer tröpfelt nur noch

In der Tat sprudelt die Atomsteuer dieses Jahr spärlich: Laut Steuerschätzung sollte die Kernbrennstoffsteuer dem Bund 2016 Jahr eine Milliarde Euro einbringen – nie und nimmer wird der Betrag zu erreichen sein. Laut August-Bericht des Ministeriums sind in den ersten acht Monaten dieses Jahres nur 294 Millionen Euro der Steuer eingenommen worden – ein Minus von 68,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Viel mehr Geld wird auch nicht mehr hereinkommen, denn die Jahresrevisionen der deutschen Atomkraftwerke sind beendet. Für eine mögliche Verlängerung der Atomsteuer über 2016 hinaus gebe es „keine Pläne“, so ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums.

Politiker aber sind alarmiert. Die Grüne Kotting-Uhl will im Bundestag einen Antrag einbringen, wonach die Atomsteuer „so lange erhoben wird, wie ein Akw läuft.“ Sie 2016 enden zu lassen sei „willkürlich“. Auch die SPD-Vize-Fraktionschefin im Bundestag, Ute Vogt, sieht das so: Eine Verlängerung der Atomsteuer über die gesamte Restlaufzeit sei „sinnvoll“, zumal die Konzerne mit Atomkraft viel Geld verdient hätten.