In städtischen Kindertagesstätten müssen vorhandene Betreuungsplätze reduziert werden, weil Erzieherinnen fehlen. Der Personalrat spricht von mehr als tausend nicht belegten Plätzen, die Stadt von knapp 700. Doch der Fachkräftemarkt ist leer gefegt.

Stuttgart - Der Engpass in den Kindertagesstätten in Stuttgart verschärft sich. Weil es zu wenig Erzieherinnen gibt, kann eine zunehmende Zahl von vorhandenen Kitaplätzen nicht belegt werden. Laut Stadt sind es rund 450 Plätze in 36 Einrichtungen, dazu kommen weitere 226 Plätze in neuen Einrichtungen, die wegen des Personalmangels noch nicht vollständig in Betrieb genommen werden konnten. Der Personalrat des Jugendamts geht sogar von weit mehr als 1000 Kitaplätzen aus, die ungenutzt bleiben müssen. Das trifft viele Familien hart. Mehrere Tausend Kinder stehen auf der Warteliste der Stadt.

 

Martin Agster vom Personalrat erklärt, weshalb er von einer noch größeren Zahl blockierter Plätze ausgeht: Interne Zahlen sprächen dafür, dass nicht alle Einrichtungen ihre Aufnahmestopps offiziell gemacht hätten. Die Not der Teams führe dann aber dazu, dass Aufnahmen trotzdem hinausgeschoben würden. „Die Stadt ist nicht in der Lage, dem Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für alle Familien nachzukommen, geschweige denn, die Wünsche der Familien nach Form und Umfang der Betreuung zu erfüllen“, kritisiert Agster. Dabei habe die Stadt in den letzten Jahren massiv in neue Kitas investiert.

Beim städtischen Träger sind zehn Prozent der Erzieherstellen unbesetzt

„Trotz aller Personalgewinnungsbemühungen sind in den städtischen Tageseinrichtungen für Kinder zehn Prozent der Stellen unbesetzt“, räumt Isabel Fezer, Bürgermeisterin für Jugend und Bildung, auf Anfrage unserer Zeitung ein. Die Rede ist von rund 200 Stellen. Doch nicht jede offene Stelle führe automatisch zu einer Platzreduzierung. Vorübergehende Personalausfälle würden zunächst von den vorhandenen Fachkräften der Einrichtung aufgefangen oder mit Springern, die je nach Bedarf in unterschiedlichen Einrichtungen eingesetzt werden, überbrückt. Erst wenn es einem Haus länger nicht gelinge, Personal zu gewinnen, würde die Platzzahl reduziert, so Fezer. Dies müssten die Häuser mit dem Träger absprechen.

Als wesentliche Ursache für den Fachkräftemangel sieht Agster das „zu geringe Bezahlung der Erzieherinnen im Verhältnis zu den Lebenshaltungskosten in Stuttgart“. Während in München die Erzieherinnen eine tarifliche Ballungsraumzulage plus eine städtische Zulage bekämen – insgesamt mehrere hundert Euro – , erhielten in Stuttgart die Erzieherinnen seit 2014 nur den „Tarif Plus“: 100 Euro mehr im Monat – aber nur drei Jahre lang. Der Gemeinderat hatte sich für diese Zulage und gegen eine Höhergruppierung entschieden.

Auch kirchliche Träger räumen Probleme bei der Gewinnung von Fachkräften ein

Engpässe bei der Gewinnung von Fachkräften gibt es auch bei den kirchlichen Trägern. So berichtet Jörg Schulze-Gronemeyer vom evangelischen Träger, dass derzeit 50 der insgesamt 600 Erzieherstellen offen seien – darunter elf Leitungsstellen. „Es gibt einfach zu wenig Bewerber“, sagt Schulze-Gronemeyer. „Der Markt ist leer gefegt.“ Erstmals könne man drei Krippengruppen nicht besetzen. Betroffen seien zwei Einrichtungen mit 30 Kleinkind-Plätzen. „Wir mussten aber keiner Familie kündigen“, betont er.

Nun versuche man mit aller Kraft, Interessenten für den Erzieherberuf zu gewinnen – auch über das Freiwillige Soziale Jahr. Dabei sei das Diakonische Werk ein Vermittlungspartner. „Wir suchen gezielt Realschulabsolventen, die sich für den Kita-Bereich interessieren“, berichtet Schulze-Gronemeyer. Auch Abiturienten meldeten sich für das FSJ, aber diese machten es oft aus sozialem Engagement und studierten anschließend. Auch um die Qualifizierung von Quereinsteigern bemühe sich der evangelische Träger. Von den zehn Interessenten seien allerdings nur vier übrig geblieben, so Schulze-Gronemeyer.

Das Katholische Stadtdekanat bemüht sich im Ausland um Fachkräfte

Auch das Katholische Stadtdekanat bemüht sich um Personal. Knapp 40 der 450 Erzieherstellen seien derzeit nicht besetzt, berichtet Georg Kolb, Leiter der Kita-Verwaltung der katholischen Kirche. In Kooperation mit dem Kolping-Bildungswerk habe man bereits einige junge Leute aus Spanien angeworben: eine junge Frau mache nun die Praxisintegrierte Erzieherausbildung (Pia), bei der die Teilnehmer von Anfang an in Kitas eingesetzt werden und bezahlt werden. Insgesamt seien die 46 Pia-Plätze voll besetzt, so Kolb. Der evangelische Träger bietet 30 Pia-Plätze, der städtische Träger 180. Wie viele Absolventen anschließend auch als Fachkräfte in Stuttgart bleiben, ist unklar.

Jugend- und Bildungsbürgermeisterin Isabel Fezer kündigte an, sie werde dem Gemeinderat noch in diesem Herbst Maßnahmen für die künftige Personalgewinnung unterbreiten. Der katholische Träger will sich derweil im Februar 2017 auf der Didacta-Bildungsmesse in Köln präsentieren. „Wir hoffen“, sagt Kolb, „dass wir dort auch Erzieherinnen von auswärts ansprechen können, um uns als attraktiver Arbeitgeber darstellen zu können“.