Die Stadt reagiert auf veränderte Schülerströme. Da immer weniger Fünftklässler an den Werkrealschulen angemeldet werden, sollen 15 Standorte gestrichen werden. Das hat der Verwaltungsausschuss des Gemeinderats einstimmig beschlossen.

Stuttgart - Nach vielen Debatten in den Stadtbezirken und einigen Differenzen im Vorfeld hat am Mittwoch der Verwaltungsausschuss des Gemeinderats einen einstimmigen Beschluss zur Zukunft der Werkrealschulen gefasst: Demnach werden 15 der 32 Standorte für diese Schulart aufgegeben (siehe Grafik). Im Gegenzug sollen 14 Werkrealschulen gestärkt und erhalten werden. Bei drei Standorten (im Norden und Süden) wurde die Entscheidung um ein Jahr vertagt. Damit folgte das Gremium im Wesentlichen dem Vorschlag und der Argumentation von Schulbürgermeisterin Susanne Eisenmann.

 

Diese hatte zuvor dargelegt, weshalb sie den von Freien Wählern und FDP beantragten Aufschub der Entscheidung ablehnt. Wenn der Gemeinderat jetzt nicht darüber entscheide, gebe er ein Steuerungsinstrument aus der Hand. Dann nämlich werde das Staatliche Schulamt reagieren, und die künftige Verteilung der Standorte werde dem Zufall überlassen.

Die Schülerzahlen sinken

„Wir müssen die Realität zur Kenntnis nehmen: die Eltern entscheiden mit den Füßen“, so Eisenmann. Derzeit besuchen nur noch 489 Fünftklässler eine Werkrealschule – 376 weniger als im Vorjahr. Rechnerisch bieten die Werkrealschulen jedoch Platz für bis zu 1740 Schüler je Klassenstufe. Der Anteil der Viertklässler, die sich für die Werkrealschule entschieden haben, ist innerhalb eines Jahres von 20,9 auf aktuell 10,7 Prozent zurückgegangen, während Realschulen und Gymnasien aus allen Nähten platzen.

Die Schulbürgermeisterin betonte auch: „Wir schließen keine Schulstandorte – wir lassen herauswachsen.“ Zudem sei die Zahl der zu erhaltenden Werkrealschulen sehr großzügig ausgelegt worden, so dass immer noch genügend Plätze für potenzielle „Abschuler“ aus Realschule oder Gymnasium vorhanden seien. „Ich will nicht ausschließen, dass wir in ein, zwei, drei Jahren über weitere Schulschließungen reden müssen“, sagte Eisenmann. Zumal es im Gegenzug bei Realschulen und Gymnasien einen „immensen Handlungsbedarf“ gebe.


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Die von Grünen, SPD und SÖS/Linke beantragten und vom Verwaltungsausschuss beschlossenen Modifizierungen des Verwaltungsvorschlags seien „in allen Punkten sinnvolle Ergänzungen“, hob Eisenmann hervor. Demnach wird die Jörg-Ratgeb-Schule von der Schließung ausgenommen, es soll geprüft werden, ob sie Gemeinschaftsschule werden kann. Die Friedensschule im Westen nimmt im kommenden Schuljahr noch einmal Fünftklässler auf und zieht 2014/15 mit Schülern und Lehrern komplett an den Standort Falkertschule, um mit dieser zu verschmelzen. Die internationalen Vorbereitungsklassen sollen erhalten werden. Die Schließung der Rosensteinschule im Norden wird zunächst für ein Jahr aufgehoben. Danach wird auch mit Blick auf den Umzug der Neckarrealschule in den Norden der Bedarf erneut geprüft. Im Süden soll erst in einem Jahr entschieden werden, ob Heusteig- oder Lerchenrainschule geschlossen werden. Nur einer der beiden Standorte sei dort überlebensfähig, so Eisenmann. Die CDU konnte sich mit ihrem Votum für die Lerchenrain- und somit gegen die Heusteigschule nicht durchsetzen. In Bad Cannstatt bleibt es trotz eines anderslautenden CDU-Antrags bei der Streichung der Schillerschule: Diese sei wichtig, aber als Grundschulstandort, so Eisenmann. „Drei Werkrealschulstandorte trägt Cannstatt nicht.“

Der Beschluss fällt einstimmig

Vittorio Lazaridis (Grüne) betonte, die massiv gesunkenen Schülerzahlen bei der Werkrealschule seien zwar durch den Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung beschleunigt, aber nicht durch sie verursacht worden. „Es liegt auch nicht an der fehlenden Qualität der Schulen, sondern an der fehlenden gesellschaftlichen Akzeptanz“, so Lazaridis. „Wir müssen konzeptionell denken – das Gefeilsche um Standorte bringt uns nicht weiter.“ Ein Moratorium, so der Grüne, „wäre ein Weglaufen vor der Verantwortung gewesen: Eltern, Lehrer und Schüler brauchen Klarheit.“ Nun brauche man aber ein pädagogisches Konzept für die Gestaltung des Übergangs durch das Staatliche Schulamt, schlug er vor. Auch Iris Ripsam (CDU) drang auf eine rasche Entscheidung. Marita Gröger (SPD) regte im Blick auf die beruflichen Profile an, auch darüber nachzudenken, wie lang das Auslaufen einer Schule gehen solle. Rose von Stein (Freie Wähler) verteidigte den (abgewiesenen) Antrag, die Entscheidung über strittige Schulen aufzuschieben, damit, dass man so der Schulentwicklung eine Chance gebe. Bernd Klingler (FDP) lobte Stadtverwaltung und Schulamt und zeigte sich entgegen seinem ursprünglichen Antrag mit der raschen Entscheidung zufrieden. Ulrike Küstler (SÖS/Linke) warb dafür, die Schulcampus zu stärken. Sie schlug vor, die frei werdenden Werkrealschulräume auch für Kitas und Stadtteilzentren zu nutzen. Eisenmann stellte klar, der Bildungs- und Betreuungsbedarf habe bei der Nachnutzung Vorrang.