Der Bundesgerichtshof erklärt den Verkaufsprospekt des dritten Börsengangs für fehlerhaft. Jetzt muss das Oberlandesgericht Frankfurt entscheiden, ob 17 000 Kläger Schadenersatz erhalten.

Stuttgart - Tausende von Kleinaktionären können hoffen, die beim Kauf von Telekom-Aktien beim dritten Börsengang erhebliche Verluste hatten hinnehmen müssen. Der Bundesgerichtshof hat in einem jetzt veröffentlichten Beschluss den von der Telekom im Jahre 2000 herausgegebenen Verkaufsprospekt in einem wesentlichen Punkt für fehlerhaft erklärt.

 

Ob die rund 17 000 Kläger nun eine Entschädigung erhalten, ist noch offen. Das Oberlandesgericht Frankfurt muss nun auf der Grundlage des Karlsruher Beschlusses neu entscheiden, ob die Telekom wegen des Prospektfehlers schadenersatzpflichtig ist. Dies ist aber nach der bisherigen Rechtsprechung eher wahrscheinlich.

Der Bundesgerichtshof erklärt, der Verkaufsprospekt der Deutschen Telekom sei falsch, weil sie die konzerninterne Übertragung der ursprünglich von ihr gehaltenen Aktien des US-amerikanischen Unternehmens Sprint Corporation (Sprint) unzutreffend dargestellt habe. Die Telekom hatte behauptet, sie habe durch den konzerninternen Verkauf einen Buchgewinn von 8,2 Milliarden Doller realisieren können. Dabei habe sie verschwiegen, dass sie die Anteile nicht verkauft, sondern in Form einer Sacheinlage an ihre 100prozentige Tochter Nordamerika Beteiligungs Holding GmbH (NAB) übetragen, im Börsenjargon „umgehängt“ habe. Damit sei verschleiert worden, dass die Telekom weiterhin das volle Risiko eines Kursverlustes der Sprint-Aktien mit allen Auswirkungen auf die Dividenden trug. Die Telekom hätte deutlich machen müssen, dass bei Kursverlusten bei Sprint Sonderabschreibungen in Höhe von 6,653 Milliarden Doller vorgenommen werden müssten, was wiederum unmittelbaren Einfluss auf den künftigen Bilanzgewinn und damit auf die Dividendenerwartungen der Anleger hätte. Dies alles sei nicht geschehen.

Prospekt verschleiert die Rechtsform

Im Prospekt sei auch verschleiert worden, welche Rechtsform die NAB hat, was ihre Geschäftstätigkeit ist und welchen Anteil die Telekom an ihr hat. Selbst ein bilanzkundiger Anleger, der den Prospekt genau gelesen habe, habe die tatsächlichen Beteiligungsverhältnisse im Jahr 1999 und die daraus sich ergebenden Risiken nicht erkennen können.

Sprint stand bisher nicht im Zentrum der Klagen gegen die Telekom. Heftig kritisiert wurden dort stattdessen die im Prospekt angeblich zu hoch angesetzten Werte des Immobilienvermögens der Telekom. Diesen Punkt bemängelt der Bundesgerichtshof aber ausdrücklich nicht.

Der Weg zu einer Entschädigung bei Prospektfehlern ist kompliziert. Im Zusammenhang mit den Klagen der Telekom-Aktionäre wurde seinerzeit das Kapitalanleger-Musterverfahren geschaffen, für das nun der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in letzter Instanz zuständig ist. In diesem Musterverfahren, in dem sich die Klagen im Augenblick immer noch befinden, werden lediglich „verallgemeinerungsfähige Vorfragen“ entschieden, in diesem Fall eben die Richtigkeit oder aber die Mängel des damaligen Verkaufsprospektes. (Aktenzeichen: XI ZB 12/12)

Der Beschluss gilt für 17 000 Kläger

In dem jetzt entschiedenen Fall war zunächst strittig, welche Kläger beteiligt sind. Jetzt hat der Beschluss Gültigkeit für rund 17 000 Kläger, die sich durch die Telekom geschädigt fühlen. Wie hoch der Schadenersatz sein wird, den die Telekom zahlen muss, wenn alle Kläger abschließend Erfolg haben, ist unklar. Ursprünglich war einmal von 80 Millionen Euro die Rede.

In ihrem „dritten Börsengang“ hatte die Telekom 230 Millionen bereits zum Börsenhandel zugelassene Stückaktien aus dem Bestand der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zum Verkauf angeboten. Nachdem der Kurs dieser Aktien stark gefallen war, kam es zu zahlreichen Klagen gegen die Deutsche Telekom, gegen die KfW, die Bundesrepublik Deutschland und einen Teil der Konsortialbanken, die an dem Verkauf beteiligt waren. Das Oberverwaltungsgericht muss nun zunächst prüfen, ob der Prospektfehler ursächlich für den Kursverfall und damit für den Schaden der Anleger war und ob der Telekom ein Verschulden nachgewiesen werden kann.

Der dritte Börsengang bringt 13 Milliarden Euro

Beim „dritten Börsengang“ wurden die Telekom-Aktien 2000 zu einem Preis von 66,50 Euro verkauft. Die Bundesrepublik nahm dabei rund 13 Milliarden Euro ein. Nicht zuletzt durch riskante Firmenzukäufe stürzte die Telekom-Aktie bald darauf ab und erreichte ihren Tiefpunkt im September 2002 mit 8,42 Euro. Gegenwärtig liegt sie bei 12,9 Euro. Die Aktie war damals mehrfach überzeichnet, sodass zweifelhaft ist, ob ein korrekter Prospekt am Verkaufsergebnis etwas geändert hätte.

Die ersten T-Aktien waren 1996 in den Handel gekommen. Sie wurden damals vor allem Privatanlegern als Volksaktie angepriesen. Viele sahen dies als den Beginn der Aktieneuphorie in Deutschland. Damals kostete eine Aktie 28,50 DM (14,57 Euro). Beim zweiten Aktiengang 1999 erzielte die Aktie einen Preis von 39,50 Euro.