Der Klage eines gewerblichen Sammlers wird stattgegeben: Der Abfallwirtschaftsbetrieb darf nach Ansicht des Stuttgarter Verwaltungsgerichts die Konkurrenz nicht durch ein Verbot vom Markt mit den aussortierten Textilien fernhalten.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Das schriftliche Urteil liegt noch nicht vor, aber einen Tenor hat das Stuttgarter Verwaltungsgericht am Freitag verkündet: Der Klage eines gewerblichen Textilverwerters gegen ein Verbot des Böblinger Landratsamtes wurde stattgegeben. Seine Altkleidersammlung im Landkreis Böblingen ist im Februar 2013 zu Unrecht untersagt worden, hat Karoline Stegemeyer, die Vorsitzende Richterin der 14. Kammer, geurteilt. „Denn der Sammlung stehen überwiegende öffentliche Interessen nicht entgegen“, heißt es in der Mitteilung. Die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgers sei dadurch ebenfalls nicht gefährdet.

 

Der Auffassung des Landkreises, dass seinem Abfallwirtschaftsbetrieb (AWB) aufgrund der im Kreislaufwirtschaftsgesetz festgelegten Überlassungspflicht für jede Form von Müll das gesamte Sammelaufkommen zustehe, wollte das Verwaltungsgericht nicht folgen. Dabei war das Stuttgarter Regierungspräsidium der gleichen Meinung wie die Kreisbehörde.

Der AWB ist mit der Verabschiedung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes in das Altkleidergeschäft eingestiegen: Zunächst hat er Container des Deutschen Roten Kreuzes gegen Miete übernommen, dann stellte er noch eigene Behälter auf. Mittlerweile sind es 274 Container. Die Menge an eingesammelten Altkleidern wurde seither von rund 550 auf 1800 Tonnen gesteigert. Bei einem Preis von 500 Euro pro Tonne kann der AWB damit rund 900 000 Euro verdienen. Private Textilverwerter haben im Kreis Böblingen laut einer Zählung des AWB vom Jahr 2014 mindestens rund 320 Container platziert. Laut seiner Rechnung gehen ihm dadurch rund eine Million Euro im Jahr verloren. Mit dem Betrag könnte die Grundgebühr für die Müllentsorgung um etwa zehn Prozent oder sechs Euro pro Haushalt gesenkt werden, lautet die Argumentation des Landratsamts vor Gericht.

Nach der Meinung des Verwaltungsgerichts liegt den Ansichten des Landratsamtes und des Regierungspräsidiums „ein europarechtswidriges Gesetzesverständnis zugrunde“. Der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger genieße mit der Aufnahme seiner Sammeltätigkeit gerade keinen absoluten Schutz vor jedweder Konkurrenz durch gewerbliche Sammler, erklärt die Vorsitzende Richterin. Er müsse sich vielmehr selbst am Markt behaupten. Karoline Stegemeyer stützte sich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, nach dem nur die bestehende Entsorgungsstruktur einer öffentlich-rechtlichen Abfallgesellschaft vor Einbußen geschützt ist. Eine gewerbliche Sammlung könnte erst dann verboten werden, wenn die Erträge des AWB zurückgingen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Der AWB habe einen kontinuierlichen Anstieg seines Sammelaufkommens verzeichnen können. Trotz der gewerblichen und gemeinnützigen Sammlungen seien solche Einbußen gerade nicht eingetreten.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat das Stuttgarter Gericht die Berufung am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim zugelassen. „Es ist noch nicht entscheiden, wie es weitergehen wird“, sagt Dusan Minic. Laut dem Sprecher des Landratsamtes will die Behörde das schriftliche Urteil abwarten. Genug Gründe, weiter zu streiten, gibt es: Andrea Vetter, die Anwältin des Kreises und des Regierungspräsidiums, interpretierte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ganz anders als die Richterin. „Wenn die Öffentlichkeit sammelt, müssen gewerbliche Sammlungen untersagt werden“, erklärte sie in der Verhandlung.