Deutschland muss wahrscheinlich deutlich mehr Atommüll entsorgen als bisher bekannt. Die Menge der schwach- und mittelradioaktiven Abfälle könnte sich verdoppeln. In Karlsruhe lagern 1700 Fässer mit Schäden.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Laut dem Entwurf für ein nationales Entsorgungsprogramm für Atommüll stellt sich der Bund auf 600 000 Kubikmeter Altlasten mit schwacher und mittlerer radioaktiver Belastung ein. Das ist fast die doppelte Menge des bisher Erwarteten. Dabei geht es nicht um hochradioaktive Brennstäbe aus Atomkraftwerken, sondern um Material mit geringer Radioaktivität. Doch die Mengen, die irgendwann in einem Endlager sicher untergebracht werden müssen, werden im schlechtesten Fall wesentlich größer sein als bisher angenommen.

 

Tritt dieser Fall ein, dann reichen die bisher genehmigten Kapazitäten des für solche Stoffe vorgesehenen Endlagers in Schacht Konrad bei Salzgitter nicht aus. Es wird derzeit gebaut, soll nach aktuellen Erwartungen im Jahr 2022 fertig gestellt sein und ist auf 303 000 Kubikmeter Atommüll ausgelegt. Die „Erweiterung des Endlagers Konrad für diese Abfälle wird nicht ausgeschlossen und soll gegebenenfalls nach dessen Inbetriebnahme geprüft werden“, heißt es in dem Papier. Verantwortlich für die wachsenden Müllmengen sind laut dem Papier vor allem die Stoffe aus dem maroden Atommülllager Asse und aus der Urananreicherungsanlage in Gronau.

Prognosen des Bundesamts für Strahlenschutz

Wird der bisher in der Asse deponierte Atommüll im Lauf der Sanierung zurückgeholt, dann müssen rund 200 000 Kubikmeter radioaktive Stoffe anderswo gelagert werden. Die Rückholung aus dem ehemaligen Salzbergwerk, das wegen eindringenden Wassers instabil zu werden droht, ist die von den Behörden favorisierte Lösung; allerdings ist nach wie vor unsicher, ob dies technisch überhaupt machbar ist. Der Abfall aus Gronau wird auf maximal 100 000 Kubikmeter beziffert. Dabei handelt es sich um abgereichertes Uranhexafluorid. Atomkraftgegner fordern, den schwach strahlenden Stoff als Atommüll zu deklarieren. Die Betreiber kontern, dass dieser „Reststoff“ weiterverwendbar sei.

Das Bundesumweltministerium bestätigte die Zahlen. Es handle sich um eine Art „Worst-Case“-Szenario, sagte ein Sprecher. Noch ist nach seinen Worten nicht entschieden, ob die Rückstände aus der Urananreicherung künftig als radioaktiver Abfall eingestuft würden. Aus Gründen der „Transparenz und Ehrlichkeit“ seien die Zahlen aber „vorsorglich“ in das Papier aufgenommen worden.

Die Prognosen des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) gingen bisher davon aus, dass das Gesamtvolumen des schwach- bis mittelradioaktiven Abfalls in Deutschland bis zum Jahr 2060 bei rund 300 000 Kubikmetern liegen wird. Gesondert verbucht werden die hochradioaktiven Abfälle, etwa abgebrannte Brennstäbe. Für deren Endlagerung wird seit dem vergangenen Jahr in einem aufwendigen, ergebnisoffenen Verfahren ein Standort gesucht.

2000 Fässer mit Rostschäden und anderen Mägeln

Aufregung hat auch ein TV-Bericht verursacht, wonach die Behörden in den vergangenen Jahren fast 2000 Atommüllfässer mit Rost- oder anderen Schäden registriert hätten – darunter 1700 allein in Karlsruhe. Diese Zahl haben der Betreiber, die WAK Rückbau und Entsorgungs-GMBH, und das Stuttgarter Umweltministerium bestätigt. Allerdings betonten beide, dass aus den untersuchten Fässern keine Radioaktivität ausgetreten sei und von ihnen keine Gefahr ausgehe.

„Korrosionserscheinungen an alten Fässern haben wir erwartet, deswegen suchen wir gezielt danach“, erklärte Umweltminister Franz Untersteller (Grüne). „Entscheidend ist für mich, dass von diesen Fässern keine Gefahr ausgeht. Und dies ist gewährleistet.“

Seit 2005 werden die in Karlsruhe gelagerten Behälter kontinuierlich auf Schäden untersucht. „Weniger als zehn Prozent wiesen Korrosionserscheinungen auf, ohne Kontamination auf der Außenfläche“, teilte die Firma mit. „Diese Fässer und Container wurden alle unverzüglich in größere Behälter gestellt, behandelt und bei Bedarf umgepackt.“

Sylvia Kotting-Uhl, atompolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, lobte das baden-württembergische Vorgehen und kritisierte den Bund. „Die Bundesregierung kümmert sich zu wenig um das Problem. Dass sie fast drei Jahre nach dem Fund des ersten Rostfasses in Brunsbüttel noch keinen belastbaren Überblick darüber hat, welche Dimension das Problem insgesamt hat, ist inakzeptabel.“