Keine Zahnbürste dabei und nachts um drei Hunger wie ein Wolf? Die Brüder David und Samuel Härtl haben eine App entwickelt, mit der Hotels einen elektronischen Concierge rund um die Uhr zur Verfügung stellen können.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Plochingen - Der Ordner mit den mitunter etwas schmierig-klebrigen Klarsichthüllen, in denen der Wirt und frühere Gäste Restaurant-und Ausgehtipps abgeheftet haben, liegt in vielen Hotelzimmern. Oft sind die Seiten mit den Vorschlägen nicht nur vergilbt, sondern längst veraltet. Der Hotelbuddy, den Jungunternehmer Samuel Härtl zusammen mit seinem Bruder, dem Hoteldirektor David Härtl, als Web-App für Smartphone, Tablet und Laptop entwickelt hat, liefert dem Gast dagegen stets die neuesten Informationen über Essen, Trinken, Ausgehen, Shoppen, Sportmöglichkeiten und Ausflugsziele.

 

Aber die Erfindung des 26-jährigen Kommunikationsdesigners aus Stuttgart und seines älteren Bruders kann noch mehr. Sie ersetzt Personal. Im Hotel, das Bruder David Härtl in Plochingen leitet, kann der Gast rund um die Uhr mit seinem Reservierungsschlüssel, den er bei der Onlinebuchung erhalten hat, und der Scheckkarte am Automaten einchecken oder auschecken. Alle Informationen über das Hotel und die Umgebung liefert ihm der Hotelbuddy. Schon vorab kann der Nutzer fragen, ob es ein veganes Frühstück gibt, ob er sich ein Fahrrad mieten kann oder ob ein Beamer zur Verfügung steht.

Tagessuppe im Multifunktionsautomaten

„Wenn der Gast die Zahnbürste vergessen hat, muss er nur das Symbol in der App anklicken“, erklärt Samuel Härtl. Der Hotelbuddy weiß Rat. Im schnellen, personalarmen Hotel steckt das Notfallzahnpflegeset im Automaten im Foyer. Der hat noch mehr auf Vorrat: „Wenn jemand nachts um drei Hunger hat, kann er auch die App fragen“, sagt der Designer. Im Hotel, das sein Bruder leitet und das mit der App arbeitet, wartet auf den hungrigen Reisenden rund um die Uhr eine selbst zubereitete Tagessuppe im Multifunktions-Automaten.

„Die Idee für die App hatten wir bei einem Städtetrip nach Barcelona“, erzählt Samuel Härtl. Die Brüder wollten sich dort in ihrem Hotel an der Rezeption erkundigen, wo sie in der Gegend am besten essen. Doch eine Reisegruppe, die gerade eincheckte, blockierte alles. „Wir hatten keine Chance, an Informationen zu kommen“, erzählt er. „Da haben wir uns überlegt, dass man so eine Hotelmappe auch virtuell und von überall abrufbar machen könnte“, erinnert sich Samuel Härtl, der 2014 seinen Abschluss in Kommunikationsdesign an der Merz-Akademie gemacht hat.

Mindestlohn zwinge Hotelbetreiber zum Umdenken

Bruder David hat den „virtuellen Concierge“ seit einiger Zeit als Mitarbeiter eingestellt. „Die App ist etwas für schnelle Gäste und schnelle Hotels“, sagt er. Die Brüder haben viele Anfragen von anderen Hotels. „Das liegt an der Einführung des Mindestlohnes“, vermutet Samuel Härtl. Mit dem Automaten und der App reichten fünf Mitarbeiter auf 450 Euro-Basis, rechnet sein Bruder vor. „Die müssen auch nicht die ganze Zeit am Empfang stehen, sondern können nebenbei das Frühstücksbüffet in Ordnung halten. Wegen des Mindestlohnes müssen jetzt viele Hoteliers umdenken.“

Bei der Entwicklung des virtuellen Concierge spielte David Härtl den Part des Benutzers mit seinen besonderen Wünschen. Der jüngere Bruder setzte die Anregungen und Wünsche um. „Jeder, der eine E-Mail schreiben kann, kann auch seine Anregungen in der App einbringen. Der Hotelchef kann die Informationen also laufend aktualisieren“, erklärt Samuel Härtl. Den Zugang zur App erhält der Gast bei der Reservierung über das Internet.

Auf der Ostseeinsel Fehmarn arbeitet bereits eine ganze Feriensiedlung mit der Erfindung der beiden Brüder, die schon im Kindergarten-und Grundschulalter ihre ersten kleinen Geschäfte in der Nachbarschaft gemacht haben. „Zum Beispiel hatten wir einen Lieferservice für Senioren“, erzählt David Härtl lachend.