Die Autohersteller sind gefordert. Um Klimaziele zu erreichen, muss die Zahl der Elektroautos steigen. Die Entwicklungsaufträge, die die Branche vergibt, werden immer größer.

Stuttgart - Die Autoindustrie steht vor diversen Herausforderungen. Um die gesteckten Klimaziele zu erreichen, wird Elektromobilität immer wichtiger. Zudem forciert die Branche das vernetzte und automatisierte Fahren. „Positiv für Bertrandt ist die Vielfalt an Themenstellungen“, sagte Dietmar Bichler, Chef des Entwicklungsdienstleisters Bertrandt, am Donnerstag bei der Vorlage der Bilanz in Stuttgart. Angesichts verschärfter Abgasrichtlinien würden Autohersteller ihre mittelfristigen Modellplanungen vielfach um neue Modelle mit alternativen Antrieben ergänzen, sagte er. Marktforscher hätten errechnet, dass die Zahl der Modelle der 13 führenden Automobilhersteller weltweit zwischen 2015 und 2022 um mehr als acht Prozent wachsen werde.

 

Parallel dazu werde sich – ebenfalls eine Chance für Bertrandt – das globale Marktvolumen für Informations- und Kommunikationssysteme im Auto wie etwa Telematik und Infotainment auf über 120 Milliarden Euro mehr als verdreifachen. Marktforscher sagen den Entwicklungsdienstleistern bis 2022 denn auch Wachstum von bis zu 4,8 Prozent jährlich voraus. Allerdings dürften nicht alle Unternehmen der Branche gleichermaßen von der Entwicklung profitieren. Hersteller und Systemlieferanten würden, um die Herausforderungen zu meistern, bevorzugt auf Entwicklungsspezialisten mit einer breiten Kompetenz setzen, die auch umfangreiche Aufgabenpakete bearbeiten könnten, sagte Bichler. Autohersteller würden zunehmend Aufträge im hohen zweistelligen Millionenbereich vergeben. Kleinere Entwicklungsdienstleister mit 200 oder 300 Mitarbeitern könnten diese nicht stemmen.

Die Preispolitik wird aggressiver

Hinzu komme, dass in der Folge des Abgasskandals die Preispolitik der Hersteller aggressiver geworden sei. „Der Druck steigt“, so Bichler. Er rechnet damit, dass es künftig unter den Entwicklungsdienstleistern zu Übernahmen und Pleiten kommen wird. „Der Markt bewegt sich gerade sehr stark, da wird es zu Konsolidierungen kommen“, sagte er. Bertrandt, mit knapp 13 000 Mitarbeitern und beinahe einer Milliarde Euro Umsatz der Marktführer in Deutschland, will eigene Übernahmen nicht ausschließen. Im Fokus des Unternehmens stehe allerdings organisches Wachstum, fügte Bichler hinzu.

Um den Herausforderungen zu begegnen und sein Leistungsspektrum zu erweitern, hat das Ehninger Unternehmen vor allem in übergreifendes Wissen investiert. So würden künftig mehr dreidimensionale Visualisierungstechniken eingesetzt, erläutert der Bertrandt-Chef. Dabei würden Projektteams in der physikalischen Welt mit virtuellen Modellen interagieren. Dadurch könnten Ingenieure Entwicklungsentscheidungen treffen, lange bevor ein reales Modell existiere. So könne der Produktentstehungsprozess noch effizienter gesteuert werden, erwartet der Firmenchef. Aber die Ehninger investieren nicht nur in Wissen, sondern auch in Infrastruktur. In Mönsheim bei Weissach wurde ein neues Technologiezentrum eröffnet, wo alle Aspekte künftiger Mobilität gebündelt würden. Dieses Technologiezentrum sei eines der größten Investitionen von Bertrandt in den vergangenen Jahren.

Weiteres Wachstum

Unter anspruchsvollen Rahmenbedingungen habe das Unternehmen im abgelaufenen Geschäftsjahr (30. September) Gesamtleistung und Ergebnis gesteigert. Auch für das laufende Jahr erwartet Bichler weiteres Wachstum. Der Umsatz werde zwischen 30 und 70 Millionen Euro zulegen, sagte er. Das Ergebnis vor Steuern und Zinsen (Ebit) werde etwa drei Millionen Euro über Vorjahr liegen. Mittelfristiges Ziel sei unverändert eine Rendite zwischen acht und 10,5 Prozent. Im abgelaufenen Geschäftsjahr ist die Rendite – das Ebit im Verhältnis zum Umsatz – leicht auf 9,3 Prozent gefallen. Bertrandt stellt seit Jahren Mitarbeiter ein. In diesem Jahr soll die Belegschaft um weitere 600 Beschäftigte wachsen. Gesucht würden Ingenieure der Elektro- und Fahrzeugtechnik, Informatiker, Mathematiker und Physiker. Zudem bilden die Ehninger knapp 370 junge Menschen zu Fachinformatikern und Mechatronikern aus. An der Dualen Hochschulen liegt der Schwerpunkt bei IT-Automotive, Elektrotechnik und Maschinenbau.