Die CDU-Abgeordnete wird ein Opfer des AfD-Erfolgs. Jetzt muss sie beruflich wieder völlig neu anfangen. Der FDP-Mann Erik Schweickert hingegen ist Überraschungssieger.

Enzkreis - Je später der Abend, desto länger wurden die Gesichter der CDU-Wahlkämpfer auf der Wahlparty in Pforzheim. Der Bundestagsabgeordnete und Kreisvorsitzende der Christdemokraten, Gunther Krichbaum, hatte alle Mühe, die schlechten Ergebnisse der Landespartei und die desaströsen der Kreispartei zu verdauen: fast 16 Prozent Minus. Selbst in ländlichen Gemeinden des Heckengäus wie Mönsheim wurde die Union von den Grünen überholt.

 

Viktoria Schmid, die seit fünf Jahren im Landtag sitzt und das eigentlich todsichere CDU-Direktmandat innehatte, war die Verliererin des Abends. Bis 22.50 Uhr hoffte sie noch auf ein Zweitmandat, doch als kurz vor 23 Uhr das vorläufige amtliche Endergebnis feststand, war auch für sie klar: Es reicht nicht mehr für den Landtag. „Klar bin ich enttäuscht“, sagt sie am Montag nach der Wahl, „ich hätte damit nicht gerechnet. Der Enzkreis steht, das hieß es immer.“ Sie sieht sich als Leidtragende des exorbitanten Wahlsiegs der AfD im Enzkreis, und des allgemeinen CDU-Trends. „Als Kandidat hängt man an dieser Entwicklung“, sagt die Tochter des ehemaligen Kanzleramts-Minister Lutz Stavenhagen.

Schmid muss nun beruflich neu anfangen – vor ihrer Landtagszeit hat sie als freie Journalistin gearbeitet. Anders als viele CDU-Kollegen kann sie nicht wieder in eine Anwaltskanzlei einsteigen oder in den öffentlichen Dienst zurückkehren. „Ich falle nicht weich gepolstert“, sagt Schmid. Zumal nach fünf Jahren im Landtag auch ein Loch in der Altersvorsorge klaffe. Noch nimmt sie an Sitzungen des Bezirksvorstandes und der Fraktion teil, doch die dreifache Mutter will es dann erst einmal etwas ruhiger angehen lassen.

Ganz anders das Bild bei der 57-jährigen Grünen-Siegerin Stefanie Seemann. „Ich habe den ganzen Tag Glückwünsche bekommen und Anrufe beantwortet“, sagt sie, „das Gefühl ist immer noch wunderbar.“ Als sie vor einem halben Jahr nominiert worden sei, hätte sie nicht im Traum daran gedacht, in den Landtag zu kommen. Als sich die Umfragewerte gebessert hätten, wuchs die leise Hoffnung, „irgendwie rein zu rutschen“.

Aber an ein Direktmandat mit fast 27 Prozent der Stimmen hätte sie nie zu hoffen gewagt. Am Dienstag ist die erste Fraktionssitzung. Seemann wird jetzt Berufspolitikerin. Ihren befristeten Vertrag beim Karlsruher Institut für Technologie (KIT) lässt sie auslaufen – in fünf Jahren wäre sie 62 Jahre – und will ihren Landtagssitz verteidigen. Ihre Wunschkoalition in Stuttgart? „Der Wähler will, dass Winfried Kretschmann Ministerpräsident bleibt“, sagt sie, „und Zweierkoalitionen sind stabiler als Dreikonstellationen.“ Also sei Grün-Schwarz naheliegend.

In Depression versinkt die SPD im Enzkreis. Der Kandidat Thomas Knapp hat gerade mal 12,3 Prozent erreicht. „Das ist nicht so toll“, meint er selbstironisch. Die Sozialdemokraten hätten früher zehn Sitze in Nordbaden gestellt, jetzt nur noch sechs. „Da ist man dermaßen weit weg davon, in den Landtag zu kommen“, meint der Sohn des früheren OBs von Mühlacker. Aus seiner Sicht hat die SPD ein Glaubwürdigkeitsproblem – weil sie in Berlin zugestimmt habe, Arbeitnehmer einen größeren Anteil der Krankenkassen-Beiträge zahlen zu lassen. Oder weil Sigmar Gabriel die Energiewende torpediert habe: „So wählt kein Mensch mehr SPD.“ Knapp bleibt als selbstständiger Unternehmer politisch aktiv – seinen Sitz im Landtag hat er schon vor fünf Jahren verloren.

Besonders kurios ist die Situation bei der FDP: In den Wahlkreisen Pforzheim und Enz traten jeweils der Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke und der frühere Bundestagsabgeordnete und Wein-Professor Erik Schweickert an – das Wahlrecht lässt dies zu. Es wurde entsprechend geändert, als die FDP noch mitregiert hat. Nun zieht Rülke für den Wahlkreis Pforzheim in den Landtag ein, weil er dort mehr Stimmen errungen hat als im Enzkreis. Deswegen vertritt Erik Schweickert künftig das Heckengäu in Stuttgart – weil er als Ersatzbewerber „nachrückt“.

Und einen weiteren Mandatsträger stellt der Enz-Wahlkreis: Bernd Gögel, Transportunternehmer aus Tiefenbronn. Das AfD-Ergebnis von 19,2 Prozent bringt dem 61-Jährigen einen Landtagssitz. Er erklärt sich den Erfolg seiner Partei mit der „Migrationsproblematik“ vor allem im Pforzheim und im Enzkreis, zudem sei die gefühlte innere Sicherheit durch die zahlreichen Einbruchsserien im Enzkreis in Frage gestellt worden. „Die etablierten Parteien und Angela Merkel haben keine Antworten mehr“, sagt Gögel. Er wird nun einer der neuen Mandatsträger der Partei. Sein Fazit: „Es freut einen, wenn man mit über 60 Jahren so eine Chance bekommt.“