Es war eine kleine Sensation – auch für das Auktionshaus Eppli mit Sitz in Leinfelden-Echterdingen. Dort sollte am Samstag ein Bild von Gustave Courbet unter den Hammer kommen. Startpreis 160.000. Doch dann kam alles anders.

Leinfelden-Echterdingen - Die Sache war schnell besprochen. Der Geschäftsführer des Auktionshauses Eppli, Ferdinand Eppli, konnte es kurz machen. Für „das Highlight des Tages“, wie er das Landschaftsbild von Gustave Courbet bezeichnete, fand sich am Samstag nämlich kein Bieter. Weder im Saal an der Heilbronner Straße in Echterdingen noch online oder am Telefon.

 

Das Bild, das mit einem Aufrufpreis von 160. 000 Euro bewertet worden war, kommt jetzt in den Nachverkauf. Es könne sein, dass es dann auch für weniger Geld über den Verkaufstresen gehe, erklärte René Waldrab vom Auktionshaus Eppli. „Da ist noch alles offen“, sagte er. Entscheidend sei, ob sich der bisherige Eigentümer des Gemäldes auf den Preis einlasse.

Expertisen belegen, dass es sich um ein Original handelt

Das Bild zeigt eine abendliche Waldlandschaft mit einem kleinen See und einem rastenden Reh. Es heißt „Paysage Suisse Le Falaise du Jura“, ist 73,5 Zentimeter breit und 60,5 Zentimeter hoch. Am linken unteren Bildrand trägt es die Initialen des Künstlers „G. C.“. Expertisen belegen, dass es sich um ein Original handelt.

Dass das Gemälde im Katalog mit dem Startpreis über 160.000 Euro geführt wird, hat seinen Grund: Gustave Courbet gilt als einer der wichtigsten Maler der Moderne. Kunsthistoriker bescheinigen dem Meister des französischen Realismus, den Weg zum Impressionismus gebahnt zu haben. Auch Maler des sozialistischen Realismus berufen sich auf ihn. Letztere richteten ihr Augenmerk weniger auf Jagd-, Landschafts- und Küstengemälde des Franzosen, sondern auf sozialkritsche Werke wie „Das Begräbnis von Ornans“, mit dem er sakrale Zeremonien entwürdigt haben soll, oder auf „Die Kornsieberinnen“ und „Die Steineklopfer“, mit denen er die sozialen Verhältnisse seiner Zeit angeprangert hatte. Als sein Skandalbild schlechthin gilt „Der Ursprung der Welt“, auf dem er aus der Nähe die behaarte Vulva einer nackten Frau zeigt.

Dass nun ein Werk dieses Künstlers den Weg ins Auktionshaus Eppli gefunden hat, ist auch für die dort arbeitenden Kunstexperten eine kleine Sensation. „Das Bild ist ein Glanzlicht unsrer heutigen Auktion“, sagte Annegret König, Expertin für Gemälde, Grafiken und Skulpturen im Auktionshaus. Ihr Kollege José Martinez habe das Landschaftsbild bei einem Hausbesuch von einem Sammler erhalten, der es wiederum von einem anderen Privatsammler erstanden hatte. „ Courbet hat 1857 sein erstes Jagdmotiv gemalt und in der Folge viele Landschaftsbilder und Küstenszenen“, sagte Annegret König. Das Gemälde auf der Auktion sei ein Spätwerk des Meisters aus dem Jahre 1873. „In diesem Jahr ist Courbet aus politischen Gründen in die Schweiz geflohen“, sagt die Expertin.

Courbet schildert eine Welt der Versunkenheit

Beim Aufstand der Pariser Kommune und dem Sturz des Kaiserreichs sei er der Initiator für den Sturz der Vendôme Säule, die Napoleon I. auf der Place Vendôme zu Ehren der Grande Armée errichten ließ, beteiligt gewesen. „Nach sechs Monaten Gefängnis floh er in die Schweiz, weil er für den Wiederaufbau der Säule 335 000 Francs zahlen sollte“, sagte Annegret König. Mit seinen lebensnahen Darstellungen setzte er sich über die damals übliche Idealisierung der Kunst hinweg. „Bei seinen Portraits und Landschaftsbildern zeigt er jedoch eine andere Seite. Dort schildert er eine Welt der Versunkenheit, Nachhaltigkeit und Innenwendung“, sagt die Kunsthistorikerin. Auch bei der Jura-Landschaft sei der typische Stil Courbets zu bewundern: „Man sieht den Gegensatz der groben, ausdrucksstarken Felswand und den fast zeichnerischen Charakter des Rehs. Es ist eine Wiedergabe der Realität, die man empfinden kann.“

Über den Marktwert des Gemäldes und seinen Wert als Kapitalanlage für Sammler will Annegret König nicht spekulieren: „Jeder Marktwert kann schwanken. Ich halte es für den wahren Wert der Kunst, dass man sich an ihr erfreut.“