Die Nachricht von einem Baby, das drei Eltern hat, hat weltweit für viel Wirbel gesorgt. Jetzt werden neue Details bekannt.

Stuttgart - Die Geburt dieses Kindes wird in die Geschichtsbücher der Medizin eingehen. So wie die von Louise Brown, dem ersten Baby, das durch künstliche Befruchtung gezeugt wurde. Der kleine Junge wurde am 6. April 2016 geboren. Das Besondere: Genetisch gesehen hat er drei verschiedene Eltern. Der Großteil seiner DNA stammt von einem Ehepaar aus Jordanien. Die beiden, die er wohl Vater und Mutter nennen wird, sind seit 20 Jahren verheiratet. Sie versuchen schon lange, ein gesundes Kind zu bekommen, doch die Frau trägt eine defekte DNA, die sie bisher an die Kinder vererbte. Deshalb haben Ärzte aus dem New Yorker „New Hope Fertility Center“ in einer Eizelle die DNA von zwei Frauen gemischt. An die Stelle des schadhaften Stücks trat eine fehlerfreie DNA in einer Eizelle, die von einer anderen Frau gespendet wurde. Dadurch hat der Junge nun drei genetische Eltern. Am kommenden Mittwoch wollen die Wissenschaftler um John Zhang bei einer Konferenz für Reproduktionsmedizin in Salt Lake City weitere Informationen vorstellen.

 

Das tragische Schicksal des Paares weckt Verständnis für das Vorgehen: Die heute 36-jährige Frau hatte bereits vier Fehlgeburten, zwei weitere Kinder wurden mit dem Leigh-Syndrom geboren. Bei dieser unheilbaren Erkrankung kommt es zu Fehlbildungen im Gehirn und Atemstörungen. Beide Kinder starben noch in jungen Jahren. Dies brachte die Ärzte auf die Spur zur fehlerhaften DNA. Die Geburt des Sohnes mit den drei Elternteilen ist das Ergebnis der Reparatur eines Gen-Defektes im Rahmen einer künstlichen Befruchtung.

Historisches Ereignis

Um das historische Ereignis zu verstehen, muss man ein paar Details über die besondere Krankheit der Jordanierin wissen. Das schadhafte DNA-Stück gehört nicht zu den 23 000 Genen, von denen angenommen wird, dass sie den Menschen prägen. Der genetische Code für die menschliche Entwicklung befindet sich im Zellkern der Eizelle. Er vermischt sich während der Befruchtung mit der DNA des Mannes, so entsteht das individuelle Erbgut eines Kindes. Aber es gibt noch ein weiteres Stückchen DNA in der Eizelle, nämlich im Energiekraftwerk der Zellen, den Mitochondrien. Dort ist das Erbgut sehr viel kleiner, es besteht lediglich aus 37 Genen. Hier hat der Vater keinen Einfluss, Kinder übernehmen die Erbinformationen der Mutter.

Experten schätzen, dass eines von 5000 bis 10 000 Neugeborenen von einem DNA-Defekt in den Mitochondrien betroffen ist. Die meisten dieser Störungen bleiben allerdings unauffällig, weil der Körper Ausweichmechanismen entwickelt. Um den Defekt zu umgehen, haben die US-Forscher in die Eizelle einer Frau mit fehlerfreier Mitochondrien-DNA den Zellkern aus einer Eizelle der Jordanierin eingesetzt und dann mit den Spermien des Mannes befruchtet.

Zwiespältiges Echo

Die Ankündigung von John Zhang vom „New Hope Fertility Center“ hat ein zwiespältiges Echo ausgelöst. Zum einen eine ethische Debatte: Was ist durch den Kinderwunsch der Eltern zu rechtfertigen? Viele Forscher lehnen die Methode zum derzeitigen Zeitpunkt ab. Es gebe keine ausreichende Risikoabschätzung, und die bisherigen Hinweise an Tiermodellen und menschlichen Zellen seien zumindest zweideutig, sagt Klaus Reinhardt, Professor für angewandte Zoologie an der TU Berlin. „Für eine Gentherapie ist das ein sehr unbefriedigender Zustand.“ Auch bleibt die Frage, ob sich der Sohn durch den DNA-Austausch zu einem anderen Menschen entwickeln wird, als wenn er nur zwei genetische Elternteile hätte.

Zum anderen hat sich das New Yorker Team der amerikanischen Gesetzgebung entzogen, indem es für seine Experimente nach Mexiko auswich. Auch in Großbritannien und Schweden wäre das Verfahren bei einer ausreichenden Begleitung durch eine Ethik-Kommission erlaubt. In den USA dagegen warten mehrere Forscher seit Jahren auf Genehmigungen durch die Behörden. Einer von ihnen ist Shoukhrat Mitalipov. Der US-Forscher sagte, der Fall sei ein Beispiel, dass eine strenge Regulierung wie in den USA die Forscher in andere Länder vertreibe. Der Tausch der mitochondrialen DNA sei kein Verfahren, das für alle Betroffenen angewandt werde. Es gehe um „sehr begründete Einzelfallentscheidungen“. Betroffene hätten aber das Recht auf die Entwicklung einer Therapie.

Fehlerhafte Mitochondrien ausgetauscht

Man darf ziemlich sicher sein, dass auch in Schweden und Großbritannien Kinder mit drei Eltern geboren werden. Vielleicht sind sie es schon. Die beteiligten Forscher haben angekündigt, dass sie zum Schutz der Kinder mit einer Veröffentlichung warten wollen. Die Kinder sollen jahrelang medizinisch begleitet werden. Eine erste Studie dieser Art gibt es schon. Der Reproduktionsmediziner Jacques Cohen hat in den 90er Jahren bereits fehlerhafte Mitochondrien in der Eizelle gegen gesunde ausgetauscht. 17 Kinder mit mehreren genetischen Eltern wurden so geboren, bis die US-Aufsichtsbehörden 2002 Regularien für dieses Vorgehen erließen, berichtet die Wissenschaftszeitung „Nature“. Cohen will bald über die weitere Entwicklung der Kinder berichten.

Rechtslage in Deutschland

Verbot
Für Juristen ist die Rechtslage nicht eindeutig. Als das Embryonenschutzgesetz formuliert wurde, war diese Technik noch unbekannt. Veränderungen in der Keimbahn sind eindeutig verboten, doch stellt sich die Frage, ob das Gesetz hier greift.

Positionen
„Da das Embryonenschutzgesetz ein Strafgesetz ist, muss es wörtlich ausgelegt werden“, sagt Jochen Taubitz, Professor für bürgerliches Recht an der Uni Mannheim. So stelle sich die Frage, ob der isolierte Zellkern einer unbefruchteten Eizelle, der in eine andere Eizellhülle mit nicht defekten Mitochondrien implantiert werden soll, noch als menschliche „Keimzelle“ im Sinne des Gesetzes anzusehen ist. Guido de Wert von der Uni Maastricht sagt: „Diese Technik sollte als eine Form von Erbgut-veränderung in der Keimbahn begriffen werden, da bei dem Eingriff die Keimbahn zukünftiger Generationen verändert wird.