Das Bundesverfassungsgericht prüft die Steuererleichterungen für die Erben von Familienunternehmen. Die Wirtschaft befürchtet bei einer Reform der gelten Regelungen, dass viele Firmenerben ihre Unternehmen verkaufen müssen.

Berlin - Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) warnt davor, die Vergünstigungen für Familienunternehmen bei der Erbschaftsteuer zu streichen. Anlässlich der mündlichen Anhörung vor dem Verfassungsgericht zum geltenden Erbschaftsteuerrecht sagte der BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber: „Sollte die geltende Regelung gekippt werden, droht vielen Familienunternehmen ein Ausverkauf.“ Der BDI wies darauf hin, dass die Vergünstigungen für Betriebserben unter der Voraussetzung gewährt würden, dass Arbeitsplätze in den mittelständischen Unternehmen erhalten blieben. Durch die Verschonungsregeln würde der Generationswechsel in den Betrieben erleichtert, sagte Kerber. Der Stuttgarter Anwalt Brun-Hagen Hennerkes, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen, wies darauf hin, dass die Familienunternehmen wegen der Prüfung der Erbschaftsteuer durch das Bundesverfassungsgericht beunruhigt seien. Falls die Verschonungsregelungen wegfielen, müssten die Nachkommen große Teile ihrer Betriebe verkaufen, um die Erbschaftsteuer bezahlen zu können, erklärte Hennerkes. Auch die Bundesregierung verteidigte die Steuervorteile für Firmenerben.

 

Zahl der Schenkungen legt zu

Dass viele inhabergeführte Betriebe in Zukunft Nachteile befürchten, zeigen Zahlen des Bundesfinanzministeriums, die dem Verfassungsgericht vor der Anhörung zugeleitet worden sind. Viele Familienunternehmen sind offenbar bestrebt, die günstigen Verschonungsregeln, die zurzeit gelten, zu nutzen. Offenbar halten es viele Firmeneigentümer für möglich, dass die Erbschaftsteuer erhöht werden könnte. Die Zahl der Schenkungen nahm jedenfalls bei Betriebsvermögen auffällig zu. Auch für Schenkungen gelten die Verschonungsregeln, wonach Nachkommen unter bestimmten Auflagen keine Erbschaft- und Schenkungsteuer zahlen müssen.

Das Bundesfinanzministerium bezifferte für das Jahr 2010 die Steuervergünstigungen bei Schenkungen von Betriebsvermögen auf drei Milliarden Euro. Im Jahr 2011 waren es 15 Milliarden Euro und 2012 schon 36 Milliarden Euro. Das sind stolze Summen, auf die der Fiskus verzichtet hat. Die starken Steigerungsraten lassen vermuten, dass viele Familienunternehmer mit Schenkungen mögliche höhere Belastungen in Zukunft vermeiden wollen. Fachleute aus den Wirtschaftsverbänden schätzen, dass sich seit dem Inkrafttreten der Erbschaftsteuerreform 2009 die Vergünstigungen bei der Übertragung von Betriebsvermögen auf 100 Milliarden Euro belaufen könnten. Aus Sicht der Wirtschaft sei positiv zu bewerten, dass dieses Geld in den Unternehmen geblieben sei. Das Verfassungsgericht muss nun entscheiden, ob dies mit einer gerechten Besteuerung zu vereinbaren ist.

Auf der Suche nach Schlupflöchern

Die Regeln zur Erbschaftsteuer wurden seinerzeit von der großen Koalition beschlossen. Hauptakteure waren der ehemalige Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) und Hessens Ex-Ministerpräsident Roland Koch (CDU). Schon damals führten Kritiker verfassungsrechtliche Bedenken an, was dazu führte, dass das Gesetz von den Ministerien unter diesem Aspekt gründlich geprüft worden ist. Anlass zu Kritik am geltenden Erbschaftsteuerrecht lieferten danach auch missbräuchliche Gestaltungen. Immer wieder wird getrickst. Es häuften sich die Fälle, in denen Firmeneigentümer Barvermögen in eine sogenannte Cash-GmbH auslagerten, um Steuern zu sparen. Bundestag und Bundesrat stopften im vergangenen Jahr dieses Steuerschlupfloch. Wie sich die Beseitigung dieser Missbrauchsmöglichkeit auf das Steueraufkommen auswirkt, lässt sich noch nicht sagen.

Bei der Frage, ob Betriebserben zu stark privilegiert werden, spielt auch eine Rolle, dass bei den Verschonungsregeln ein großer Teil der Unternehmen erleichterte Bedingungen genießt: Das sind die Betriebe mit bis zu 20 Mitarbeitern, die für die Vergünstigung bei der Erbschaftsteuer nicht nachweisen müssen, dass die Lohnsumme über mehrere Jahre hinweg stabil bleibt. Von dieser Ausnahmeregelung profitiert die große Mehrheit der Betriebe.