SPD und FDP schreiten im Landtag selten Seite an Seite. Bei der Reform der Erbschaftsteuer ist es soweit, selbst die CDU stimmt eint. Nur Ministerpräsident Kretschmann schweigt.

Stuttgart - Über mangelnden Zuspruch konnte sich Finanzminister Nils Schmid im Landtag bei der Debatte über die Reform der Erbschaftsteuer nicht beklagen. Der Beifall kam allerdings von ungewohnter Seite. CDU, FDP und auch die eigene Fraktion hatte der SPD-Minister hinter sich, nur Ministerpräsident Winfried Kretschmann schwieg. Der Plan von FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke war aufgegangen, die Uneinigkeit im Regierungslager vorzuführen. Rülke ätzte, der Finanzminister habe einen „produktiven Beitrag“ zur Neuregelung der Erbschaftsteuer geleistet, der Ministerpräsident hingegen ducke sich unter dem Druck der Grünen in Berlin weg. Kretschmann lasse seinen Stellvertreter Schmid „aus Angst vor den Fundamentalisten in den eigenen Reihen im Regen stehen“, sagte er.

 

Verfassungsrichter wollen mehr Steuergerechtigkeit

Die Debatte im Landtag wurde von der Frage geleitet, ob sich der Regierungschef eines von der mittelständischen Wirtschaft geprägten Bundeslandes beim Thema Erbschaftsteuer einfach heraushalten kann. Im Dezember vergangenen Jahres hatte das Bundesverfassungsgericht Teile des Erbschaftsteuergesetzes für verfassungswidrig erklärt. Es geht dabei um die Privilegierung von Unternehmen. Die Karlsruher Richter gestehen dem Gesetzgeber zwar zu, kleine und mittlere Unternehmen, die in personaler Verantwortung geführt werden, bei der Erbschaftsteuer zu begünstigen, sofern dies für den Bestand des Unternehmens und für den Erhalt der Arbeitsplätze relevant ist. Allerdings gehen den Richtern die Verschonungsregeln zu weit; es müsse zumindest bei größeren Familienunternehmen geprüft werden, ob eine Steuerfreistellung gerechtfertigt sei.

Der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) plant nun, die Verschonungsregeln für Betriebsvermögen auf 20 Millionen Euro zu begrenzen, ohne dass individuell geprüft wird, ob ein Zugriff auf das Privatvermögen der Erben möglich ist. Der FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke moniert, damit öffne Schäuble das Tor für den Einfall ausländischer Investoren, die an die Stelle der mit der Erbschaftsteuer überforderten Familienerben träten.

Kretschmann sitzt das Thema aus

Der Stuttgarter Finanzminister Nils Schmid zieht in seinem Modell die Grenze für die erforderliche Bedürfnisprüfung bei 100 Millionen Euro, allerdings wählt er eine andere Bezugsgröße, nämlich den Unternehmenswert. Schmids Vorschlag klingt mittelstandfreundlicher und ist es wohl auch, denn anders würde er von der Wirtschaftslobby nicht so freundlich aufgenommen. Ministerpräsident Kretschmann, der die Grünen im Südwesten als Wirtschaftspartei etablieren möchte, hatte über seinen Regierungssprecher zunächst auch Zustimmung zu Schmids Plan signalisiert, dann aber seinen Finanzminister bei einem gemeinsamen Auftritt in Berlin brüskiert. Seither sitzt er das Thema aus.

Denn uneins ist man sich allerorten. Die CDU-Bundes- und Landtagsfraktion hadern mit dem Schäuble-Plan, den wiederum der DGB-Landeschef Nikolaus Landgraf für sehr in Ordnung hält. Für die Berliner Grünen wie auch für die große Teile SPD ist die Erbschaftsteuer nach wie vor ein Gerechtigkeitsthema.

Für Finanzminister Schmid ist sie dagegen ein Arbeitsplatzthema. Es gehe ihm nicht um Villen, Gemälde oder Jachten, sondern um die Sicherung von Tausenden von Arbeitsplätzen. „Familienunternehmen sollen Familienunternehmen bleiben und nicht Heuschrecken zum Opfer fallen“, sagte Schmid im Landtag.

In hinreißender Naivität wandte sich dagegen der SPD-Abgeordnete Klaus Maier an FDP-Fraktionschef Rülke: Dieser schade dem Land, weil er einen Keil in die Regierung treiben wolle.