Als praxisuntauglich kritisiert StZ-Korrespondent Roland Pichler die Pläne der Koalition zur Erbschaftsteuerreform – und das sei nicht nur die Meinung der Wirtschaftsverbände, dies sage die Bundessteuerberaterkammer.

Berlin - Es kommt, wie es kommen musste: Die Bundesregierung peitscht die Erbschaftsteuerreform durch. Wie schon zuvor werden zwar einige Stellschrauben verändert, im Prinzip bringt das Kabinett aber das ursprüngliche Konzept des Finanzministers auf den Weg. Die Regierung, die sich heftiger Kritik der Wirtschaft ausgesetzt sieht, will das heiße Eisen schnell Bundestag und Bundesrat übergeben. Das Konzept von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) folgt der Vorgabe, aus verfassungsrechtlicher Sicht unangreifbar zu sein. Das ist wichtig, denn schon vier Mal musste Karlsruhe in den vergangenen Jahrzehnten über die Erbschaftsteuer entscheiden. Dabei ist jedoch ein Entwurf herausgekommen, der den Praxistest nicht bestehen wird. Dies ist nicht nur die Meinung der Wirtschaftsverbände, sondern dies sagt die Bundessteuerberaterkammer. Die Politik sollte die Warnungen der Praktiker ernst nehmen.

 

Da sich die große Koalition festgelegt hat, sind im Bundestag wohl nur kleinere Änderungen zu erwarten. Offen bleibt, was die Länder sagen, denen die Steuer zusteht. Einer breiten Öffentlichkeit sind die Inhalte kaum verständlich zu machen. Der Hauptvorwurf gegen Schäubles Reform fängt aber bei der Generallinie an. Es reicht nicht aus, allein auf juristische Absicherung zu setzen. Die neuen Regeln für Firmenerben müssten eigentlich das zentrale Thema für die Wirtschaftspolitiker in Regierung und Parlamenten sein. Doch die ökonomischen Folgen werden kaum belichtet. Das war beim letzten Anlauf im Jahr 2009 anders, als eine Arbeitsgruppe, die vom ehemaligen Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) und dem früheren Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) geleitet wurde, die Neuregelung vorbereitete. Das Verfassungsgericht kassierte zwar das geltende Gesetz, aber das ändert nichts daran, dass eine Frage entscheidend ist: Welche Auswirken hat die Reform auf Betriebe und Investitionen?

Union und SPD setzen darauf, dass es in der Gesellschaft kaum Widerstand geben wird

Die Koalition neigt hier voreilig dazu, Warnungen als das übliche Geschrei der Lobbyisten in den Wind zu schlagen. So einfach ist es aber nicht. Wenn dieser Entwurf ins Gesetzblatt kommt, müssen die Betriebsprüfer des Finanzamts bei jeder einzelnen Maschine, bei jedem Grundstück und jedem Firmenwagen untersuchen, ob das Wirtschaftsgut überwiegend betrieblich genutzt wird. Ein gigantischer Aufwand. Außerdem wird es dazu kommen, dass die Prüfer Teile des Unternehmens als nicht betriebsnotwendig einstufen, was zwangsläufig zu höheren Steuern führt.

Union und SPD setzen darauf, dass es in der Gesellschaft kaum Widerstand geben wird, im Gegenteil. Warum sollen die reichen Unternehmer nicht höhere Erbschaftsteuern zahlen? Es ist schließlich nicht zu bestreiten, dass viele Firmenerben zu den Begüterten und Privilegierten in Deutschland gehören. Auch in Deutschland wird nach dem Buch des französischen Ökonomen Thomas Piketty die Vermögenskonzentration in der Hand weniger Wohlhabender breit diskutiert. Ist ein höherer Obolus nicht zumutbar? Wer so argumentiert, lässt außer Acht, dass Familienunternehmen ihr Kapital in der Regel in den Betrieb investieren. Es passiert nicht selten, dass Gesellschafter in schwierigen Zeiten Geld aus ihrem Privatvermögen nachschießen. Damit hängen am Vermögen Investitionen und Arbeitsplätze. Das Verfassungsgericht hat immer betont, dass der Gesetzgeber Betriebsvermögen steuerlich schonen darf, wenn es volkswirtschaftlichen Nutzen stiftet. Schäuble schöpft diesen Spielraum längst nicht aus. Trotz gegenteiliger Beteuerungen nimmt er in Kauf, dass die Belastung mit einer Substanzsteuer zunimmt. Gerade die Union hat früher anders argumentiert. Die nachteiligen Folgen für Investitionen und Beschäftigte sollten in den Mittelpunkt rücken.