Eilt der türkische Staatschef zur nächsten Klage? Erdogan, sagt Mathias Richling, zeige sein Amt vor wie andere Protze ihre getunten Autos – „als Phallussymbol“. In seiner Show, die am Freitag, 27. Mai, 23.30 Uhr, im SWR-Fernsehen läuft, setzt er die Kanzlerin ins Harem des Präsidenten. Unser Kolumnist Uwe Bogen war bei der Aufzeichnung der Sendung, die erneut für Ärger am Bosporus sorgen dürfte.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Sekt für alle! Im Foyer des SWR-Sendesaals werden die 100 Studiogäste mit einem Gläschen in Stimmung gebracht, ehe man sie kreuz und quer durchs Funkhaus führt. Im Erdgeschoss des Neubaus endet die Reise. Hier im Studio sollen sich alle so setzen, dass keine Lücken vor den Kameras bleiben.

 

Den Mut zur Lücke hat auch der Kabarettist Mathias Richlingnicht, der vor der Aufzeichnung in den Koalitionsfarben (schwarzes Jackett, grüner Krawatte) selbst zum Aufwärmen rauskommt, mit der Nonsens-Kartenbestellung einer Schwäbin für Brüller sorgt und das Prinzip seiner Show erklärt: „Ich hab’ die großen Politiker eingeladen. Die haben alle abgesagt.“ Lücken werde es trotzdem keine geben. „Weil keiner von denen kommt“, sagt er und sieht dabei nicht traurig aus, „spiel’ ich sie halt selbst.“

Angela Merkel in horizontaler Lage

Wir sind Satire! Garantiert jeder deutsche Kabarettist hat in den vergangenen Wochen Erdogan verspottet und damit seine Solidarität mit dem jungen Satiriker Jan Böhmermann bekundet. Fast alles dazu ist gesagt. Aber noch nicht von allen.

Richling, der Stubenälteste des deutschen Kabaretts, der den Namen Böhmermann nicht in den Mund nimmt, setzt die vielleicht schönste Pointe in dieser Debatte. Er schickt Angela Merkel ins Harem des Staatschefs und spielt sie mit Travestie-Können natürlich selbst. Auch in die Maske von Erdogan schlüpft er und macht klar, wer das Sagen hat. Die nach Zuneigung dürstende Kanzlerin, die alles tut, um die Flüchtlingskrise zu lösen, sogar in horizontaler Lage, wird von ihm nur als Nebenfrau akzeptiert. So nervig findet er sie, dass er sie nächtens nicht aufsucht.

Nach dem Einspieler wird Richling wieder zu Richling, hockt auf dem roten Stuhl seiner Showkulisse und versetzt das Publikum in Staunen. Was der Kabarettist jetzt von sich gibt – die Szene wird später nachgedreht, weil der Perfektionist bei seiner ersten Attacke gegen Erdogan nicht zufrieden war –, könnte neue Akten bei den Anwälten des humorlosen Präsidenten füllen.

Neue Paraderolle für Richling: Vize-Regierungschef Strobl

Der Gastgeber, der sich in verteilten Rollen immer selbst empfängt, vergleicht Erdogan mit Angebern am Lenkrad. Dieser zeige sein Amt vor wie andere Protze ihre getunten Autos – „als Phallussymbol“. Diese Protze würden sich über jeden kleinen Fliegendreck ärgern, der sich auf dem Kühler festsetzt – über Dreck, den sonst keiner wahrnimmt. Hätte Erdogan nicht gegen „den Fliegendreck der Satire“ geklagt, hätte auch keiner was bemerkt. Richling dreht noch weiter auf: „Er hat sich selbst vor aller Welt beschmutzt und verdreckt, indem er auf seine Verunreinigung hingewiesen hat. Keiner hat ihn jemals sarkastischer verhöhnt als er sich selbst.“ Das Publikum klatscht donnernd auch bei der Wiederholung dieser Szene, die justiziabel werden könnte. Phallushilfe von Staatsamts wegen? Immerhin ging es diesmal nicht um das Sexualleben von Ziegen.

Später, nachdem der Kabarettist noch gezeigt an, was für Satire-Potenzial in Thomas Strobl steckt, in dem naiv lächelnden und seinen Chef Winfried Kretschmann verehrenden Vize-Regierungschef, treffen wir uns einen Stock über dem Studio. Was er denn mache, wenn Erdogan nun seine Anwälte auf ihn loslässt? „Ach, soll er doch“, antwortet Richling. Ist das nicht eine Auszeichnung für einen Satiriker?

Vor mehr als 25 Jahren war der Stuttgarter dank einer besonderen „Auszeichnung“ auf die Titelseiten der Zeitungen gekommen. In seiner ARD-Sendung „Jetzt schlägt’s Richling“ bezeichnete er das Kondomverbot, das der Papst selbst Aids-Kranken auferlegte, als „Aufforderung zur vorsätzlichen Körperverletzung“. Der Aufschrei war enorm. Die CSU ließ den Stuttgarter Kabarettisten aus der ARD werfen.

In Erdogans Harem spielt das Kondom heute keine Rolle mehr. Die Beziehung des Protz vom Bosporus zu seiner Nebenfrau Angie ist – auch wenn die noch so heult deshalb – rein platonisch.