Meditation – Trend oder Mode? Jedenfalls suchen immer mehr Stadtmenschen ihr inneres Gleichgewicht. Auch bei der Zen-Meditation. „Zen-Meditation ist ein Schatz für die heutige Zeit“, wie der elsässische Zen-Meister Reigen Wang-Genh bestätigt. Was sich hinter dieser These verbirgt, wird er am Freitag, 21. Oktober, im Rathaus erklären.

Stuttgart - Friedrich Nietzsche war nicht nur genial, er hatte wohl auch seherische Fähigkeiten. Bereits 1882 schrieb er, dass „die atemlose Hast der Arbeit das eigentliche Laster der neuen Welt“ sei. Hätte er schon damals gewusst, dass fast alle Stadtmenschen mit einer elektronischen Fußfessel namens Smartphone durch die Gegend hasten, wäre sein Urteil wohl noch härter ausgefallen.

 

WhatsApp, SMS, E-Mail, Facebook, Instagram, Twitter. Rund um die Uhr. Abschalten wird schwer. Abgrenzen unmöglich. Die Konturen zwischen Beruf und Privatem verschwimmen.

Wen wundert es da, dass sich immer mehr dieser Entwicklung entziehen wollen? Ab auf die Insel – auch wenn es nur gedanklich ist. Diese Gegenströmung stellt auch der Stuttgarter Zen-Mönch Stefan Müller-Hieke. Er nennt dieses „Bedürfnis nach innerer Ruhe“ natürlich nicht Trend. Obwohl er weiß, dass „heute in der Hektik und im Beruf alle höchst effizient funktionieren“ müssten: „Wir werden doch alle an die Kandare genommen.“

Das Interesse an Meditation wächst

Er selbst meditiert schon seit über 25 Jahren. Er stellt aber fest, dass das Interesse der Menschen in der Stadt an Meditationsangeboten wächst. Auch in seinem vor 16 Jahren gegründeten „Ho Ryu Zen Dojo“ in der Silberburgstraße schneien immer wieder Neugierige rein, die einfach mal mitsitzen wollen. Sitzen (Zazen) nennen die Zen-Buddhisten die Essenz dieser Praxis. Im Sitzen mit geradem Rücken auf einem Bänkchen oder Kissen „ist man gezwungen, im Hier und Jetzt zu sein“, sagt Stefan Müller-Hieke. Körperlich, ohne zappeln. Vor allem aber mit dem Kopf. Denn die Gedanken schwirren schon nach ein paar Sekunden, in denen man nur auf den Atem achten und nichts denken soll, davon. Ins Gestern an das gute Abendessen. Oder ins Morgen an den kommenden Einkauf. Das Ziel ist aber, die Gedanken wie Wolken am Himmel ziehen zu lassen. Meditation soll eine Rückbesinnung auf das persönliche Erleben des Augenblicks sein. „Die strenge Haltung hilft uns, ins Jetzt zurückzukommen“, sagt der Zen-Mönch.

Wahrscheinlich gibt es sanftere Methoden als Zazen, um mit dem Meditieren zu beginnen. Geführte Meditationen etwa. Die Internet-Suchmaschinen spucken bei den Begriffen „Stuttgart und Meditation“ ein Dutzend Angebote aus. Aber die strenge japanische Form des Zen-Buddhismus gilt als sehr anspruchsvoll. In Stuttgart findet man neben dem Dojo (Meditationshalle) in der Silberburgstraße zwei weitere. Eine in Feuerbach (Daishin Zen Zendo), eine andere am Stöckach (Eiryu-ji Zen Zentrum).

Alle haben eines gemein: sie wollen Menschen auf den Weg helfen. Gemäß dem Spruch eines alten Zen-Meisters: „Den Weg studieren, heißt sich selbst studieren. Sich selbst studieren, heißt sich selbst vergessen. Sich selbst vergessen, heißt eins mit allen Existenzen sein.“ Wem das zu geschwollen klingt, der nehme das Sitzen in der Stille einfach als Hilfsmittel zur Zen-trierung. Als Hilfe, seine Mitte zu finden.

In Stuttgart gibt es drei Zen-Dojos

Wie gesagt: In einer aus den Fugen geratenen Zeit nehmen immer mehr Menschen diesen Weg in Anspruch. Führungskräfte etwa. Sie werden vom Zen-Meister Hinnerk Polenski, der dem Feuerbacher Dojonahesteht, angeleitet. Aber auch Menschen, die dem drohenden Burn-Out entfliehen wollen. Manche suchen sogar spirituelle Erleuchtung. Aber ganz gleich, was man mit der Meditation auch verbindet. Alle profitieren gleichermaßen, wie auch Hirnforscher Gerald Hüther bestätigt. Und es kommt nicht von ungefähr, dass sich auch die Kirchen wieder stärker auf die mittelalterlichen Mystiker wie Meister Eckhardt oder Hildegard von Bingen besinnen. Der katholische Stadtdekan Christian Hermes will sogar ein spirituelles Zentrum in der Stadt errichten, in dem auch die Zen-Meditation eine Rolle spielen soll. Damit scheint klar zu sein, warum plötzlich so viele Stadtmenschen meditieren. „Weil die Zen-Meditation ein Schatz für die heutige Zeit ist“, wie der elsässische Zen-Meister Reigen Wang-Genh bestätigt. Was sich hinter dieser These verbirgt, wird er am Freitag, 21. Oktober, 19 Uhr, im Rathaus erklären. „Viele Menschen suchen heutzutage nach einem Weg, um in ihrem Leben Sinn und inneren Frieden zu finden“, sagt Reigen Wang-Genh.

Wen die Worte des Zen-Meisters neugierig gemacht haben, den leitet Stefan Müller-Hieke am darauffolgenden Samstag beim Meditationsnachmittag in der Silberburgstraße 62a beim Zazen an (Anmeldung unter Telefon 67 44 06 7).