Der US-Staatsanwalt Preet Bharara lernte die Korruption als Kind im Punjab hassen. Präsident Obama hat ihn nun mit der Aufgabe betraut, in den Vereinigten Staaten dagegen vorzugehen. Seitdem schlafen einige Politiker in New York schlecht.

Stuttgart - Sheldon Silver wusste nicht, wie ihm geschah, als ihm in der vergangenen Woche eine Anklage der Staatsanwaltschaft vorgelegt wurde. Seit mehr 20 Jahren ist Silver einer der mächtigsten Politiker von New York. Keine Entscheidung wurde im Staat gefällt, als dessen Parlamentssprecher er seit 1994 agiert, die nicht über seinen Tisch geht. Silver fühlte sich unantastbar in der politischen Szene der New Yorker Staatshauptstadt Albany.

 

Doch mit einem hatte Silver nicht gerechnet – mit der Beharrlichkeit des Staatsanwaltes Preet Bharara vom Bezirk Süd in Manhattan. Bharara, der bereits in 85 Fällen korrupte und kriminelle Praktiken an der Wall Street erfolgreich verfolgt hat, scheute sich nicht, genau hinzuschauen, wie Silver sein Amt führt und was er fand, war haarsträubend.

Eine Kerbe im Gewehrkolben

Silver hatte sich über die Jahre Millionen Dollar an Bestechungsgeld in die Tasche gesteckt, zumeist von großen Anwaltskanzleien in Manhattan, denen er Aufträge von Immobilienfirmen zuschusterte. Um seine Einkünfte zu kaschieren führte Sheldon eine Scheinfirma, die vorgeblich gemeinnützige Tätigkeiten ausführte.

Die Wallstreet zittert

Die Anklage gegen Silver ist allerdings nur eine weitere Kerbe im Gewehrkolben von Preet Bharara, der es sich seit seinem Amtsantritt vor fünf Jahren auf die Fahne geschrieben hat, Korruption und kriminelle Praktiken in Politik und Wirtschaft rücksichtslos zu verfolgen. Bharara, „der Mann, der die Wall Street erzittern lässt“, wie das Time-Magazine einmal schrieb, ist so etwas wie die Ein-Mann-Aufsicht über ethisches Verhalten im öffentlichen Leben der USA.

Erfolgreich gegen Insiderhandel

Die Liste seiner Erfolge ist beeindruckend. Zwischen 2009 und 2012 erreichte er mehr als 60 Verurteilungen wegen Insiderhandels an der Wall Street. Sein Büro untersuchte die Galleon Gruppe und konnte unter anderem deren Spitzenmanagern Hinterzimmer-Deals in Milliardenhöhe nachweisen. Ähnliches gelang Bharara mit dem Hedge Fond SAC, einem der größten seiner Art an der Wall Street.

Sein spektakulärster Coup war zweifellos die Anklage und Verurteilung des Anlageberaters Berhard Madoff, der seine Kunden über Jahrzehnte mit einem sogenannten Ponzi-Schema getäuscht hatte. Anstatt deren Vermögen zu investieren, schob Madoff die ihm anvertrauten Gelder zwischen seinen Auftraggebern nur hin und her.

Die Regierung von New York im Visier

Bharara trat in Aktion, wo nach der Krise von 2008 die Finanzaufsicht versagte. So erzielte er 2013 im Namen der US-Bundesregierung eine Verurteilung der Bank of America wegen Hypothekenschwindels in Milliardenhöhe. Die Bank hatte den staatlichen Hypothekengesellschaften Fannie Mae und Freddy Mac vorsätzlich faule Hypothekenpakete verkauft. In der politischen Arena nahm Bharara die eingefleischte Korruption der Staatsregierung von New York im Visier. So erzielte er schon 2011 eine Verurteilung des Staats-Senators Carl Kruger zu sieben Jahren Haft wegen Bestechung, sowie Anklagen gegen ein halbes Dutzend weiterer Politiker.

Sheldons Strategie nötigte den Gouverneur Andrew Cuomo dazu, zu versprechen, gegen Korruption in Albany vorzugehen. Er gründete eine Untersuchungskommission, die er 2014 abrupt wieder einstellte. Bharara forschte weiter und brachte so schließlich Silver zu Fall. Silver ist der Erste der „drei Männer in einem Hinterzimmer“, die Bharara immer wieder beschuldigt, ohne jede öffentliche Aufsicht den Bundesstaat zu regieren. Die anderen zwei, Gouverneur Cuomo und der Mehrheitsanführer im Staats-Senat, Dean Skelos, dürften nun nicht mehr sehr ruhig schlafen.

Als Kind Korruption kennengelernt

Der Gouverneur schläft schlecht

Bharara lernte die Korruption bereits als kleiner Junge im Punjab kennen, wo sein Vater als Arzt arbeitete und sich zu Hause regelmäßig über die Notwendigkeit beklagte, Behörden zu schmieren. Während seines Studiums war Bharara dafür bekannt, dass er sich in Diskussionen mit Kommilitonen weigerte, eine zynische Sicht vom Funktionieren der amerikanischen Gesellschaft anzunehmen.

Als junger Staatsanwalt verdiente Bharara sich erste Sporen, als er die Untersuchung gegen zwei New Yorker Mafia-Bosse leitete. Das trug ihm unter anderem die Berufung als Berater von Senator Charles Schumer in Washington ein. Auch in der Hauptstadt ließ Bharara nicht locker. Er war eine der treibenden Kräfte bei der Untersuchung des Justizministeriums von George Bush, die letztlich zur Suspendierung des Justizministers Alberto Gonzalez und seiner Mitarbeiter führte.

Dies ließ den damaligen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama auf Bharara aufmerksam werden. Als Obama gewählt wurde, zögerte er nicht, Bharara für den Staatsanwaltsposten in einem der sensibelsten Bezirke des Landes – dem unteren Manhattan – einzusetzen. Während die großen Pläne der Obama-Regierung, die Kultur der Finanzbranche und der Politik umzukrempeln, versandet sind, ist Bharara noch immer unbeirrbar am Werk. Es gibt keine Anzeichen, dass er ermatten wird.