Vor Monaten enthüllte die StZ, dass bei der EnBW Kundentelefonate ohne Erlaubnis aufgezeichnet wurden. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen die Verantwortlichen. Eine Strafanzeige des Landesdatenschutzbeauftragten war der Auslöser.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Wegen des unerlaubten Mitschneidens von Kundentelefonaten ermittelt die Staatsanwaltschaft Karlsruhe nun doch gegen den Energiekonzern EnBW. Nach monatelanger Prüfung hat die Behörde ein Verfahren wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes eingeleitet. Dies bestätigte ein Sprecher der Stuttgarter Zeitung. Die Ermittlungen richteten sich gegen konkrete „Verantwortliche der EnBW“, deren Name oder Funktion jedoch nicht genannt wurde. Zudem werde geprüft, ob auch strafrechtlich relevante Datenschutzverstöße vorliegen. Im Zuge des Verfahrens seien bereits Zeugen vernommen worden, eine Durchsuchung bei der EnBW habe es jedoch nicht gegeben. Zur voraussichtlichen Dauer machte der Sprecher keine Angaben.

 

Nach dem Strafgesetzbuch (Paragraf 201) wird wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes bestraft, wer „das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt oder eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht“. Bereits der Versuch ist strafbar, die dabei verwendeten Tonträger oder Abhörgeräte können eingezogen werden. Der Strafrahmen reicht von einer Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren, bei Amtsträgern oder „für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten“ sogar bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe.

Seltsamer Zickzackkurs des Konzerns

Die fragwürdige Praxis bei der EnBW war Ende April durch StZ-Recherchen bekannt geworden. Telefonate mit Kunden wurden danach auch dann aufgenommen, wenn die Gesprächspartner dem ausdrücklich widersprochen hatten. Dabei kam ein System der US-Firma Verint zum Einsatz, der eine Nähe zum Geheimdienst NSA nachgesagt wird. Zunächst hatte der Konzern das Vorgehen als rechtskonform verteidigt: es diene der Qualitätssicherung im Kundenservice. Die Aufnahmen seien unmittelbar nach Gesprächsende automatisch gelöscht worden. Kurz vor der Hauptversammlung am 29. April vollzog die EnBW dann überraschend eine Wende: Man habe den Einsatz der Software „ab sofort und bis auf Weiteres“ gestoppt, um etwaige Probleme mit dem Datenschutz noch einmal gründlich zu prüfen.

Wochen später hieß es dann plötzlich, die Praxis sei doch unproblematisch, weil die Aufnahmen durch einen Störton unverwertbar gemacht worden seien; dies habe sich erst bei der internen Untersuchung gezeigt. Infolge der StZ-Recherchen hatte der baden-württembergische Datenschutzbeauftragte Jörg Klingbeil Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Karlsruhe erstattet. Nach seiner vorläufigen Einschätzung sei die Praxis „datenschutzwidrig“, sagte Klingbeil. Auch von der EnBW wurde er um eine Stellungnahme gebeten. Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft angekündigt, binnen einer Woche über die Aufnahme von Ermittlungen zu entscheiden – also Anfang Mai. Dies verzögerte sich aber wiederholt, weil ein von der EnBW angeforderter Bericht auf sich warten ließ. Zudem hieß es, es gebe noch Rückfragen an den Datenschutzbeauftragten. Später gab die Behörde dann keine Auskunft mehr zu der Frage, ob Ermittlungen eingeleitet worden seien; dies hatte offenbar ermittlungstaktische Gründe. Erst jetzt bestätigte der Sprecher, dass bereits seit längerem ein förmliches Verfahren laufe.

Kein Anlass für eine Durchsuchung

In einem anonymen, offenkundig von Insidern verfassten Schreiben an die Staatsanwaltschaft war der EnBW vorgeworfen worden, sie habe gegenüber der Justiz teilweise falsche Angaben gemacht und Aufnahmen nachträglich manipuliert. Dem sollten die Ermittler gründlich nachgehen. Das Unternehmen hatte die Vorwürfe als „völlig unbegründet und unzutreffend“ zurückgewiesen. Alle Angaben entsprächen der Wahrheit, versicherte ein Sprecher, man werde die Justiz weiterhin „vorbehaltlos“ unterstützen. Die Staatsanwaltschaft hatte sich nicht zu den Vorwürfen geäußert; sie sah darin aber offenkundig keinen Anlass für eine Durchsuchung bei der EnBW.

Die Datenschutzaffäre beim dem fast ganz im Staatsbesitz befindlichen Energiekonzern beschäftigte zwischenzeitlich auch die Landespolitik. Insbesondere die Landtags-FDP hatte auf umfassende Aufklärung gedrungen und der Regierung mangelndes Interesse daran vorgeworfen. Das zuständige Finanzministerium von Nils Schmid (SPD) hatte betont, man habe von der Praxis nichts gewusst und auch keinen Anlass zu kritischen Fragen gehabt; im Übrigen gehe es um das operative Geschäft.