Mit der Ex-Fernseh-Talkerin Sabine Christiansen wollte Windreich sein Bild in der Öffentlichkeit verbessern. Doch derzeit häufen sich schlechte Nachrichten für die Firma – auch wenn sie hinter den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft schlicht ein Irrtum vermutet.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Das Interview mit Sabine Christiansen erschien wenige Tage bevor die Staatsanwälte bei der Windreich AG einmarschierten. Vehement verteidigte die einstige TV-Talkmasterin das Wolfschlugener Unternehmen im „Manager Magazin“ gegen alle Vorbehalte. Nein, beteuerte sie, ihre Berufung zur Vizeaufsichtsratschefin sei keine PR-Aktion. Die „nachweisbaren Leistungen“ von Windreich seien deutlich besser als der Ruf. Die Millionen von Firmenchef Willi Balz seien auch nicht verloren, sondern gut in die Energiewende investiert. Davon habe sie sich bei einem Blick in die Bücher und bei vielen Gesprächen mit ihren Mitkontrolleuren überzeugen können. Auch für manche emotionale Äußerung von Balz, der sich von Konkurrenten und Medien verfolgt fühlt, zeigte Christiansen Verständnis; er kämpfe schließlich „als David gegen die Goliaths“. Nur eines schien ihr bei Windreich verbesserungsbedürftig: Als Aufseherin werde sie „bisherige Öffentlichkeitsstrategien, die nicht wirklich optimal waren“, überprüfen.

 

Genau das war die Begründung, als Balz die Verpflichtung der 55-jährigen Fernsehproduzentin Mitte Januar verkündete: Man wolle „die Expertise eines Medienprofis mit unserem Haus verknüpfen“. Ein PR-Foto zeigte die beiden behelmt vor dem Riesenfundament eines Meereswindrads. Keiner von ihnen wusste damals wohl, dass die Staatsanwaltschaft bereits seit Wochen einer anonymen Anzeige nachging. Seit die Ermittlungen wegen des Verdachts auf Bilanzmanipulation und andere Delikte mit der Razzia publik wurden, hört man von Christiansen nichts mehr; auf eine Anfrage der Stuttgarter Zeitung reagierte sie zunächst nicht. Mit der Öffentlichkeitsarbeit, die Balz sonst gerne selbst übernahm, wurde derweil eine in der Krisenkommunikation versierte PR-Agentur beauftragt.

Ermittelt wird auch wegen Insolvenzverschleppung

Zu den schlechten Nachrichten für Windreich ist inzwischen eine weitere hinzugekommen. Ermittelt wird nicht nur wegen Kapitalanlagebetrugs, Marktpreismanipulation und Kreditbetrugs, wie in der Pressemitteilung erwähnt, sondern auch wegen möglicher Insolvenzverschleppung. Ein entsprechender Anfangsverdacht sei bejaht worden, bestätigte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Bei Windreich wird dieser Punkt nicht kommentiert. Von einem Insolvenzantrag ist jedenfalls nichts bekannt. Das Unternehmen sieht demnach wohl keinen Anlass dafür.

In seinem einzigen Interview nach der Durchsuchung hatte Balz zwar Schwierigkeiten eingeräumt, sie aber als beherrschbar dargestellt. Ob er ein Liquiditätsproblem habe? „Ja, es ist natürlich auf Kante genäht, wenn ein Mittelständler wie ich sich ein Drittel der Offshore-Flächen in der Nordsee sichert“, sagte er dem „Handelsblatt“. Auch von einer Überschuldung wollte er nichts wissen: Den verzinslichen Schulden der AG von 308 Millionen Euro stünden Sicherheiten und Bürgschaften über 225 Millionen Euro gegenüber. Noch in diesem Halbjahr werde „der Befreiungsschlag kommen“, sagte der Firmenchef, Das werde dann der Fall sein, wenn er den ersten Teil eines Meerwindparks für 120 Millionen Euro verkaufe.

Irrt der Staatsanwalt?

Auch eine vermeintlich gute Nachricht könnte sich als wenig tragfähig erweisen. „Unseres Erachtens beruhen die Argumente der Staatsanwaltschaft – und damit auch die Vorwürfe selbst – schlicht auf einem Irrtum“, so ein Windreich-Sprecher. Balz’ Anwältin war beim Studium der Ermittlungsakten darauf gestoßen: Die Staatsanwälte hätten bei der Übertragung eines Aktienpakets im Wert von 30 Millionen Euro an eine Tochtergesellschaft einfach zwei Firmen verwechselt; es sei nicht, wie unterstellt, um wertlose, sondern um durchaus werthaltige Anteile gegangen. Letztlich sei also die Anschuldigung, dass Darstellungen in der Bilanz falsch seien, auf dem falschen Fundament gebaut, befand die Anwältin.

Gibt es also Entwarnung? Davon will die Staatsanwaltschaft nichts wissen. Die Frage, von welcher Firma Aktien übertragen worden seien, sei „ein Nebenkriegsschauplatz“, sagt die Behördensprecherin. Im Fokus der Ermittler stehe vielmehr die Tochtergesellschaft, die den Kaufpreis nie hätte zahlen können; deswegen hätte er auch nicht ungeschmälert in der Bilanz erscheinen dürfen. Gleichwohl bleibt Windreich optimistisch, dass es gelingen werde, „die Vorwürfe sämtlich und vollständig auszuräumen”. Man habe ein großes Interesse an der Aufklärung und kooperiere umfassend mit den Behörden, sagte ein Sprecher. Doch das Verfahren kann dauern: Man brauche bis zum Juni, um die 1200 Aktenordner und die digitalen Daten zumindest grob zu sichten, signalisierten die Fahnder. Erst dann könne man über das weitere Vorgehen reden. Zur Frage, ob auch ein Antrag auf Haftbefehl geprüft worden sei, gab es von der Justizsprecherin „keinen Kommentar”. Immerhin verfügt Balz über zwei Flugzeuge, mit denen einst auch Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus dienstlich unterwegs war, und Wohnsitze im Ausland. Dessen Nachfolger Winfried Kretschmann stellte dieser Tage übrigens klar, er habe die Maschinen nie genutzt.

Ärger für Bank wegen Windreich-Anleihe

Ärger droht derweil auch einem der Geldgeber von Windreich: der Schweizer Privatbank Sarasin. Auf Empfehlung der Bank hatten Anleger zum Teil hohe Beträge in Anleihen der Wolfschlugener investiert, deren Kurs inzwischen steil abgestürzt ist. Nun beklagen sie, nicht darüber informiert worden zu sein, dass die Bank Windreich selbst 70 Millionen Euro als Darlehen gegeben habe, und prüfen Schadenersatzansprüche. Einen Sarasin-Manager hatte Balz Ende 2010 als Finanzvorstand geholt, aber 2012 wieder geschasst.

Im Interview wurde Sabine Christiansen übrigens gefragt, ob sie um ihren guten Ruf fürchte, wenn Balz scheitere. „Warum?“, antwortete sie: „Scheitern kann ein Unternehmer immer, aber hier glaube ich nicht daran.“ So sieht es der Windreich-Chef auch selbst: „Das Spiel ist noch nicht zu Ende“, sagte er voraus: „Die Tüchtigen werden gewinnen – und die Ehrlichen.“