An den Ermittlungen, die dem Prozess gegen Detlef S. vorausgegangen sind, wird Kritik laut. Es wurde Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben.

Stuttgart - Das Urteil von Roland W. (Name geändert) fällt deutlich aus: "Die Ermittlungen der Polizei sind skandalös gewesen!" 14 Tage saß der 50-Jährige aus Frankfurt in U-Haft, fälschlicherweise des Mordes an Hans L. verdächtigt. Der homosexuelle Rentner war am 2. Juli 2010 mit einer Kugel im Kopf in einem Wald nahe der A 5 im hessischen Mörfelden-Walldorf aufgefunden worden. Indizien führten die Ermittler Monate später zu dem 56-jährigen Detlef S. aus Esslingen, der sich seit August vor dem Landgericht Stuttgart verantworten muss. Doch damals, als auch in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY" nach dem Doppelmörder gefahndet wurde, tappten die Ermittler im Dunklen - so detailverliebt sie auch Tausenden Spuren nachgingen. Dankbar für den ersten und lange Zeit einzig habhaften Hinweis, druckten Boulevardzeitungen Bilder von Roland W. ab, Fernsehteams dokumentierten seine filmreife Festnahme.

 

Das schädigt den Ruf und geht an die Psyche. Deswegen ist das Fazit über die Arbeit der Ermittler aus der subjektiven Sicht von Roland W. betrachtet nachvollziehbar. Doch es ist, und das macht stutzig, nicht die einzige Kritik an den Beamten der zuständigen Dienststelle in Hessen.

Roland W.s Partner gab ihm ein Alibi

"Die Polizisten wollten mich einfach gehen lassen. Ich habe extra gefragt, ob sie nicht eine Aussage oder meine Personalien aufschreiben wollen", berichtete etwa der Mann im Zeugenstand, der die nackte Leiche von Hans L. nahe dem als Sextreff bekannten Parkplatz Steingrund gefunden hat. Ein weiteres Beispiel: Hans L. surfte in Schwulenchats. Nur: mit wem hatte er zuletzt Kontakt, welchen virtuellen Freund traf er tatsächlich und fand das Treffen mit "Tobi" statt, das ziemlich genau auf die Stunde des Todes von Hans L. hätte fallen sollen? "Die Polizei hat das nicht wirklich gut eruiert", sagt die Richterin beim Blick in die Akten. Die Prozessteilnehmer reagierten auch mit Kopfschütteln auf die Tatsache, dass in keinem Schriftstück vermerkt ist, wo genau Roland W. und Hans L. sich vor dessen Tod trafen. Dass dies der Tatort Steingrund war und kein x-beliebiger Parkplatz an der A 5, ist eine für Mordermittlungen nicht unerhebliche Information. Es sei ein zufälliges Treffen gewesen, sagt Roland W.; eine Stunde später war Hans L. tot.

Roland W.s Partner gab ihm ein Alibi für den ganzen Tag. "Und was passierte? Mein Freund wurde als Mittäter verhaftet", sagt er. "Abstruse Begründungen" hätten im Haftbefehl gestanden: "Dass mein Autokennzeichen F-KK lautet, sei ein Hinweis auf meine Vorliebe, nackt rumzulaufen."

Kunden kündigten dem Unternehmensberater

Die damals zuständige Staatsanwaltschaft Darmstadt nimmt zu den Ermittlungen keine Stellung. "Mit den Vorwürfen gegen die zwei unschuldig Inhaftierten war ich nicht betraut. Allgemein erscheint es mir nicht abwegig, die zu überprüfen, die den letzten Kontakt zum Opfer hatten", sagt der Stuttgarter Ankläger.

Roland W. genügt diese Erklärung nicht. Er hat Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben. Die "unbegründete Festnahme" und die Berichterstattung hätten seine Existenz ins Wanken gebracht. Kunden kündigten dem Unternehmensberater, bis heute wird er therapiert. Er sagt: "Das war die perfekt inszenierte Imagekampagne der hessischen Polizei. Ich war Bauernopfer."