Auch Apfelallergiker können oft Äpfel essen – allerdings nur alte Sorten. Eine Studie der Berliner Charité untersucht, ob mit dem täglichen Verzehr der Früchte eine Desensibilisierung möglich ist.

Wieso reagieren manche Menschen allergisch auf Äpfel?
Zwischen zwei und vier Millionen Menschen in Deutschland vertragen verschiedenen Schätzungen zufolge keine Äpfel. Auslöser der allergischen Reaktion ist ein bestimmtes Eiweiß (Protein), das in den Früchten vorkommt. Dieses wird vom Immunsystem des Allergikers irrtümlicherweise als gefährlich eingestuft, es wirkt als Allergen. In der Folge wird eine Immunreaktion ausgelöst, die zu den bekannten Allergiesymptomen führt: Die Mundschleimhäute, die Zunge und die Lippen fühlen sich pelzig an, sie schwellen an und können sich entzünden. Auch Atembeschwerden können vorkommen. Hierbei handelt es sich um eine Kreuzreaktion zur Birkenpollenallergie: Durch die Ähnlichkeit des Birken-Allergens („Bet v1“) zum Hauptallergen des Apfels („Mal d1“) kommt es zu einer Apfelallergie.
Lösen alle Äpfel Allergiesymptome aus?
Tatsächlich lösen verschiedene Apfelsorten unterschiedlich starke Immunreaktionen aus. „Es ist kein Mythos, dass Allergiker alte Apfelsorten besser vertragen“, sagt Josefine Grünhagen, Diätassistentin an der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Berliner Charité. Die Verträglichkeit schwanke allerdings von Person zu Person: „Manche haben gar keine Symptome, andere spüren ein leichtes Kribbeln, nachdem sie einen Apfel einer älteren Sorte gegessen haben“, sagt Grünhagen. Im Vergleich zu neueren Sorten sei dies allerdings nicht so dramatisch, gibt die Diätassistentin zu bedenken: „So viel könnten sie von einer neueren Sorte überhaupt nicht essen.“
Welche Sorten eignen sich für Allergiker?
Die Lemgoer Ortsgruppe im Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland ( BUND) sammelt bereits seit 2007 Meldungen von Allergikern, welche Sorten sie vertragen und welche nicht. Die Auswertungen stellt sie ins Internet. Ihre Erkenntnisse decken sich mit der Einschätzung Grünhagens: Unter den verträglichen Sorten listet sie etwa die alten Apfelsorten Goldparmäne, Altländer Pfannkuchenapfel, Gravensteiner und Westfälischer Gülderling. Sorten wie diese finden Allergiker vor allem in Bioläden und auf Wochenmärkten. Von hochgezüchteten Sorten wie Golden Delicious, Granny Smith, Jonagold und Braeburn sollten Betroffene besser die Finger lassen – vor allem, wenn sie sich erst wieder an Äpfel herantasten.
Was unterscheidet alte Apfelsorten von den neuen?
Alte Sorten enthalten mehr Polyphenole als neuere. Derartige sekundäre Inhaltsstoffe schützen den Apfel etwa vor Schimmelpilzen. „Diese Schutzstoffe unterdrücken das Allergen im Apfel, sodass kaum oder gar keine allergischen Reaktionen auftreten“, erklärt Grünhagen. Aus den neuen Sorten wurden Polyphenole weitgehend herausgezüchtet, da sie die Äpfel eher säuerlich und herb schmecken lassen. Zudem werden polyphenolreiche Früchte schneller braun, wenn man sie anschneidet.
Sind rote Äpfel besser verträglich als grüne?
„Die Farbe eines Apfels ist für Allergiker nicht relevant“, sagt Grünhagen. „Denn die Allergene sind sowohl in roten als auch in grünen Äpfeln enthalten.“ Eine Rolle spiele dagegen der Frischegrad der Früchte: Bei der Ernte ist der Allergengehalt der Äpfel am niedrigsten. Während der Lagerung nimmt der Gehalt an Mal d1-Proteinen zu.
Wie sollten Allergiker vorgehen, wenn sie zum ersten Mal wieder einen Apfel essen wollen?
Für das vorsichtige Probieren sollte eine alte Apfelsorte gewählt werden. Mit einem ganzen Apfel sollte man besser nicht starten, sagt Josefine Grünhagen: „Man sollte zunächst nur ein kleines Stück an die Zunge halten – kribbelt es nicht, kann man sich Biss für Biss vorarbeiten. Sobald es juckt, sollte man aufhören.“ Nach und nach können Allergiker ihren Konsum steigern – von kleinen Stückchen zu einem Viertel, einer Hälfte und schließlich einem ganzen Apfel. Da sich viele Allergene direkt unter der Schale befinden, empfiehlt es sich, den Apfel vor dem Verzehr zu schälen. Der BUND-Lemgo hat von zwei Betroffenen die Rückmeldung erhalten, dass sie nach regelmäßigem Konsum besser verträglicher Sorten eine Desensibilisierung erreicht haben – dass sie also auch wieder neuere Sorten essen können. Wissenschaftlich bestätigt ist das aber noch nicht. Allergiker, die sich wieder an Äpfel heranwagen, sollten sich notieren, welche Symptome sich beim Verzehr einstellen und mit ihrem Hausarzt darüber sprechen. Eine Behandlungsmöglichkeit gibt es bisher noch nicht.
Wie weit ist die Forschung?
Ob eine dauerhafte Desensibilisierung möglich ist, will die Berliner Charité zusammen mit dem BUND-Lemgo mittels einer Studie herausfinden. Die dreimonatige Untersuchung wird von Karl-Christian Bergmann, Allergologe an der Charité Berlin und Leiter der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst, bis Ende Januar 2017 durchgeführt. Rund 120 Apfelallergiker nehmen an ihr teil. Die Untersuchung hat bereits im September 2016 begonnen. Seither essen die Probanden jeden Tag einen Apfel einer alten Sorte. Am Ende der Studie werden sie ihre Reaktion auf einen Apfel der neueren Sorte Golden Delicious mit ihren Symptomen zu Beginn der Studie vergleichen. Die Ergebnisse wird die Charité Medienberichten zufolge voraussichtlich im März 2017 vorstellen.
Können Allergiker gekochte Äpfel essen?
Gekochte und auch gebackene Äpfel können viele Allergiker ohne Probleme essen. Durch das Kochen werden die in ihnen enthaltenen Eiweißbausteine so verändert, dass sie keine Allergie mehr auslösen. Apfelmus, -gelee und -kuchen sind für die meisten Allergiker daher gut verträglich. Pasteurisierten Apfelsaft können die meisten ebenfalls trinken. Bei gedörrten Früchten kommt es darauf an, bei welcher Temperatur die Apfelringe getrocknet wurden: Erst bei einer Temperatur von mehr als 60 Grad Celsius geht das allergene Potenzial der Äpfel zurück.