Egal ob Walnuss, Haselnuss oder Mandeln: Nüsse gelten vielen Menschen als Dickmacher, von denen man besser die Finger lässt. Doch das Image haben sie völlig zu unrecht: Nüsse bescheren zwar Kalorien, aber sie müssen nicht zwangsläufig dick machen.

Stuttgart - Der alte Nikolaus wusste sie noch zu schätzen – die Nuss. Sie war fester Bestandteil seines Repertoires und wurde in Schuh, Schiffchen oder was ihm sonst noch vor die Füße gestellt wurde, gesteckt. Lecker, frisch und lange haltbar – früher konnte man der Menschheit mit Nüssen noch einen Gefallen tun. Inzwischen hat sich auch der Nikolaus dem gesellschaftlichen Trend angepasst und seinen Sack mit anderen Kalorienträgern aufgefüllt. Der Ruf der Nuss ist angeknackst, den meisten gilt sie heute als fettreicher Dickmacher.

 

Michael Glei wehrt sich gegen das Vorurteil: Seit drei Jahren forscht der Ernährungstoxikologe der Universität Jena über die Nuss. Daher weiß er: „Nüsse haben diesen schlechten Ruf nicht verdient!“ Sie seien zwar durchaus kalorienreich, „aber sie müssen nicht unbedingt dick machen“.

Nussesser sind dünner und leben länger

Im Sommer 2011 präsentierte auch der amerikanische Wissenschaftler Dariush Mozaffarian im renommierten New England Journal eine Art Hitliste der Dünnmacher. Zu diesem Zweck hatte er sich durch die Gesundheitsdaten von insgesamt 120  000 Amerikanern gearbeitet. Bis zu 20 Jahre hatten diese regelmäßig über ihr Gewicht, ihre Gesundheit und ihre Ernährungsgewohnheiten Bericht erstattet. Auf Platz zwei der Liste, weil besonders unter Dünnen beliebt: Nüsse. In diesem November unterzog sein Kollege Ying Bao die Daten einem zweiten Check . Er kam zu dem Ergebnis, dass Nuss-Esser nicht nur dünner sind, sondern dass sie auch länger leben. Wer unter den Probanden regelmäßig Nüsse zu sich genommen hatte, hatte um 20 Prozent bessere Chancen, das Ende dieser 30 Jahre währenden Studie lebendig zu erleben. Besonders Krebs, Herz- und Lungenkrankheiten wurden ihm seltener zum Verhängnis. Das ist ein recht erstaunliches Resultat für ein Nahrungsmittel mit einem Fettgehalt von 50 bis 60 Prozent.

Die erste Erklärung für das Nuss-Paradoxon lautet: Nicht jede Kalorie in der Nuss ist auch eine Kalorie für den Körper: Die amerikanische Ernährungswissenschaftlerin Janet Nowotny hat sich im vergangenen Jahr die Mühe gemacht, anhand der Blutproben und Ausscheidungen ihrer Mandelessenden Probanden auszurechnen, wie viele Nusskalorien bei diesen tatsächlich im Körper ankamen. Das Ergebnis: 30 Prozent des auf der Packung angegebenen Brennwertes wurden unverdaut wieder ausgeschieden.

„Nüsse scheinen zu einem erheblichen Anteil nicht so gründlich gekaut zu werden, dass der Körper die in ihnen enthaltene Gesamtenergie aufnehmen kann“, erklärt Gerhard Rechkemmer, Präsident des Max Rubner-Instituts (MRI) in Karlsruhe.

Gesünder als Weihnachtsplätzchen

Gegenüber der Schokolade haben die Nüsse noch einen weiteren Vorteil: Sie machen schneller satt. Dank des hohen Anteils an Ballaststoffen und ungesättigten Fettsäuren signalisiert der Magen dem Gehirn länger: „bin gut gefüllt“. Auch andere Studien geben Hinweise darauf, dass Nuss-Esser die dünneren Zeitgenossen sind.

Ein Freibrief zum ungebremsten Nussgenuss ist das aber nicht: „Eingebaut in die Mahlzeiten können Nüsse dazu beitragen, tatsächlich den Appetit und die Kalorienaufnahme zu vermindern“, sagt Gerhard Rechkemmer vom MRI. „Als Snack zwischendurch tragen sie eher zum Gegenteil bei.“ Im Vergleich zu den Weichnachtsplätzchen seien sie allerdings die gesündere Alternative auf dem Gabenteller.

Das hängt aber auch mit der Kombination an Inhaltsstoffen zusammen, von der der Nussforscher Glei schwärmt. Von den etwa 60 Gramm Fett in 100 Gramm Haselnüssen sind fast 6,5 Gramm gesunde, mehrfach ungesättigte, in der Regel Omega-6- oder Omega-3-Fettsäuren. Dazu kommen noch etwa 48 Gramm einfach ungesättigte Fettsäuren, die beispielsweise den Cholesterinwert positiv beeinflussen. Reichlich Vitamine, Mineralstoffe, antioxidative sekundäre Pflanzenstoffe wie Polyphenole runden die Mischung ab. Jede „Nuss hat ihr spezielles Plus“ schwärmt Glei, die Walnuss liefert etwa besonders viel gesunde Fettsäuren, die Mandeln die meisten Ballaststoffe. „Bereits mit 400 Gramm Haselnüssen ist auch die empfohlene Tagesration an Ballaststoffe erreicht“, sagt Heike Köhler von der Deutschen Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie. Ratsam ist es aber nicht, so große Mengen des Energielieferanten zu essen. Dreißig bis vierzig Gramm, also etwa eine Handvoll Nüsse pro Tag lautet die offizielle Expertenempfehlung – zwei Nüsse am Tag isst der Durchschnittsdeutsche bisher.

Nutzen für die Gesundheit

Dass Nüsse einen Gesundheitseffekt haben können, zeigen auch einige aktuelle Studien: So gibt es Untersuchungen, die einen Zusammenhang zwischen Nusskonsum und einem verringerten Diabetes-, Schlaganfall-, Herzinfarkt- und Darmkrebsrisiko belegen.

Wohlschmeckend, bekömmlich und gesundheitsförderlich– den Experten zufolge, die sich mit der Nuss beschäftigen, gibt es also zahlreiche Gründe, regelmäßig zu Nüssen zu greifen. Sogar die Schale hat den Forschern zufolge einen positiven Effekt: Sie macht die Nuss nicht nur zu einer besonders lange haltbaren, sondern auch zu einer recht widerspenstigen Versuchung: „Wer seine Nüsse selbst knackt“, sagt etwa Heike Köhler, „hat eine Menge zu tun. Bis man da auf seine 100 Gramm kommt, ist der Tatort vorbei.“