Ist Fischölzusatz in Wurst, Brot und Eiern gesund? Oder macht er nur die Hersteller froh?

Stuttgart - Der menschliche Körper braucht Fett – nicht zu viel davon und im richtigen Mix: nur kleine Mengen gesättigte Fettsäuren, dafür mehr ungesättigte Fettsäuren wie mehrfach ungesättigte Omega-3- und auch Omega-6-Fettsäuren. Sie sind wichtig für den Aufbau von Zellmembranen. „Omega-3-Fettsäuren spielen zudem eine bedeutende Rolle für das Gehirn und das Nervengewebe“, sagt Bernhard Watzl, Direktor des Instituts für Physiologie und Biochemie der Ernährung am Max-Rubner-Institut (MRI) in Karlsruhe.

 

Die Omega-6-Fettsäuren haben aber einen Haken: Die Arachidonsäure begünstigt Entzündungen, wenn sie in größeren Mengen über tierische Fette mit der Nahrung zugeführt wird. Sie kann vom Körper teilweise selbst aus anderen Fettsäuren gebildet werden. Anders die Omega-3-Fettsäuren: Sie hemmen Entzündungen und schützen uns vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen und rheumatischen Erkrankungen. „Allerdings geht der Schutzeffekt nur von den beiden langkettigen Fettsäuren Docosahexaensäure DHA und Eicosapentaensäure EPA aus“, so der Ernährungswissenschaftler Peter Stehle von der Uni Bonn. Bei Erwachsenen verbessern die in fettem Fisch enthaltenen Fettsäuren DHA und EPA die Fließeigenschaft des Blutes, hemmen die Blutgerinnung und vermindern so das Risiko, dass die Blutgefäße verstopfen.

Zweimal die Woche Fisch essen!

„Eine Menge von 250 bis 350 Milligramm DHA und EPA täglich empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das heißt, zweimal pro Woche Fisch essen“, sagt Stehle. Damit ließe sich das Herzinfarktrisiko dem Karlsruher Ernährungsexperten Watzl zufolge deutlich verringern. Eine Reihe von Studien ergaben, dass der Schutzeffekt auch für Fischölkapseln mit Vitamin E gilt.

In der Mai-Ausgabe des medizinischen Fachblattes „American Journal of Physiology – Regulatory, Integrative, and Comparative Physiology“ stellen US-Forscher jetzt dar, wie der Schutzeffekt auf das Herz vermutlich zustande kommt. Das Fischöl wirkt – einfach ausgedrückt – den zerstörerischen Effekten von mentalem Stress auf das Herz entgegen. Ein zweiter Studienvergleich von US-Forschern der Harvard School of Public Health belegt, dass Fischöl beim Menschen die Menge des vom Fettgewebe gebildeten „guten“ Hormons Adiponectin im Blut erhöht. Es ist bekannt, dass erhöhte Adiponectinwerte mit einem verringerten Risiko für Typ-2-Diabetes und für Herzerkrankungen in Verbindung gebracht werden. Offenbar wirkt sich Fischöl positiv auf die Blutzuckerkontrolle und den Fettstoffwechsel aus. Die Ergebnisse sind im „Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism“ veröffentlicht.

Der Körper kann kein ALA produzieren

Möglicherweise ist der positive Effekt auf den Stoffwechsel nur gegeben, solange noch kein Diabetes vorliegt, denn eine andere aktuell im „New England Journal of Medicine“ veröffentlichte italienische Studie kam zum Schluss, dass Risikokandidaten für Herzgefäßerkrankungen wie Diabetiker ohne Herzinfarkt nach fünfjähriger täglicher Einnahme einer Kapsel mit einem Gramm Omega-3-Fettsäuren keinen Vorteil gegenüber Teilnehmern der Placebogruppe hatten, die täglich eine Kapsel mit einem Gramm Olivenöl schluckten.

Während Omega-6-Fettsäuren reichlich in unserer Nahrung vorhanden sind, treten DHA und EPA nur in Kaltwasserfischen wie Lachs, Makrele und Hering auf. Andere Omega-3-Fettsäuren wie die alpha-Linolensäure (ALA) gibt es nur in bestimmten pflanzlichen Ölen. Der Körper kann ALA nicht selbst produzieren. ALA ist auch wichtig, weil der Stoffwechsel sie in DHA und EPA umwandelt. „Aber leider nur zu einem Prozentsatz von bis zu vier Prozent bei DHA und bis zu acht Prozent bei EPA“, sagt Bernhard Watzl. Wie groß die Umwandlungsquote sei, hänge vom Geschlecht ab. „Frauen haben die Nase vorn, damit während der Schwangerschaft das Ungeborene gut versorgt ist“, so Watzl.

Zauberfett Omega-3

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung rät, täglich etwa 1,3 Gramm ALA einzunehmen, was einem Esslöffel Rapsöl entspricht. Wer genug ALA zu sich nimmt und Fisch isst, ist laut Watzl optimal versorgt.

Nun sind die Deutschen im Durchschnitt aber echte Fischmuffel – das zeigt die Nationale Verzehrstudie. Wie also sollen wir dann unseren Bedarf an den langkettigen Omega-3-Fettsäuren DHA und EPA – mal abgesehen von Fischölkapseln – stillen? Wenn es nach dem Lebensmittelkonzern EDEKA und dem Fraunhoferinstitut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV im bayrischen Freising geht, könnten die wertvollen Fettsäuren über die neue Omega-3-Fettsäurenwurst – Lyoner, Fleischkäse, Wiener und so weiter – gedeckt werden. Die 80 Gramm Wurstpackung enthält etwa 250 Milligramm der besonders wichtigen langkettigen Omega-3-Fettsäuren DHA und EPA. Doch sind Omega-3-Fettsäuren in Wurst, Omega-3-Eiern, Fischstäbchen, Cerealien, Margarine und Omega-3-Brot überhaupt mit jenen in Fischöl oder Fisch vergleichbar?

Die neue Fettsäure-Wurst

Tatsächlich ist das noch nicht bekannt. „Im Fisch sind diese Fettsäuren Teil eines komplexen, aus vielen Inhaltsstoffen bestehenden Lebensmittels. Ob die Bioverfügbarkeit der Omega-3-Fettsäuren aus Brot oder Wurst die gleiche ist wie jene aus Fisch, ist noch nicht untersucht worden“, so Stehle. Außerdem sieht er als kritisch an, dass Wurst eine Menge gesättigter Fettsäuren enthält und durch den verstärkten Konsum von Wurst der Gesamtfettgehalt und damit auch die Kalorienzahl in unserer Ernährung noch weiter ansteigen könnten.

Doch Christian Zacherl vom Freisinger Fraunhoferinstitut winkt ab. „Die wie ganz normale Wurst schmeckende Omega-3-Wurst hat einen Gesamtfettgehalt von nur zehn Prozent statt der üblichen 20 bis 25 Prozent“, so Zacherl. Die Omega-3-Wurst enthält übrigens Omega-3-Fettsäurenethylester, der zu 90 Prozent aus EPA und DHA besteht, also genau den Fettsäuren mit Schutzeffekt.

Sicher, solange sie nicht oxidieren

Da die Zahl der mit Omega-3-Fettsäuren supplementierten Produkte zunimmt, stellt sich die Frage, ob nicht das Risiko einer Überdosierung steigt. „Es ist noch nicht völlig geklärt, ob zu hohe Omega-3-Fettsäuremengen gesundheitsschädlich sind“, sagt der Bonner Ernährungsexperte Stehle. Eine Sicherheitsbewertung der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) hat unlängst gezeigt, dass DHA- und EPA-Mengen bis zu fünf Gramm am Tag für gesunde Erwachsene unproblematisch sind, sofern sichergestellt ist, dass die Fettsäuren nicht oxidieren können.

Ansonsten bilden sich freie Radikale, die das genetische Material in den Körperzellen schädigen können. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt dennoch für die Anreicherung von Produkten mit EPA und DHA unabhängig davon, ob es sich um Fischöl, DHA-reiches Öl aus marinen Mikroalgen oder Fettsäureethylester handelt, Höchstmengen festzusetzen.

Gutes aus der Alge

Bei Vegetariern besteht nun eher das Problem, dass sie zu wenig DHA und EPA haben. Im Vergleich zu Nicht-Vegetariern essen sie häufig aber auch viel weniger gesättigte Fettsäuren und mehr Ballaststoffe. „Dadurch haben sie andere Schutzeffekte. Und letztendlich ist es wichtig, dass das Verhältnis von gesättigten Fettsäuren, Omega-6-und Omega-3-Fettsäuren stimmt“, sagt Peter Stehle. Es gibt für Vegetarier zusätzlich die Option, Omega-3-Fettsäuren aus Algen in Kapselform einzunehmen. Algen und Krill sind auch für Fische die eigentliche DHA- und EPA-Quelle.