Insekten zu essen statt Rindfleisch, könnte ein Weg sein, die weltweit wachsende Bevölkerung satt zu bekommen. Auch in Deutschland wächst die Zahl der Anbieter. Allerdings ist die Gesetzeslage im Augenblick mehr als verwirrend.

Stuttgart - Zwei Milliarden Menschen essen Insekten – nicht, weil sie müssen, sondern weil sie es genießen. In Japan etwa gelten die Larven einer riesigen Wespe als Delikatesse. In Südostasien werden die Eier der Weberameise geschätzt. Und im südlichen Afrika werden die fingerlangen Raupen der Kaisermotte geradezu geliebt. Sie dürfte das wichtigste kulinarisch genutzte Insekt weltweit sein. Knapp 2000 Insektenarten gelten als essbar.

 

Tatsächlich sind Länder, in denen Insekten als eklig gelten, eher die Ausnahme. Dass Insekten neuerdings auch in Europa ein Thema sind, hat einen guten Grund: Die Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) setzt ihre Hoffnung auf diese Tiere, wenn es darum geht, die rapide wachsende Weltbevölkerung satt zu bekommen. Denn mit dem Fleisch der bisherigen Nutztiere lässt sich der Eiweißbedarf von neun Milliarden Menschen nicht mehr decken.

Was sind die Vorteile von Insekten?

Insekten verwerten ihr Futter besonders effizient. Um ein Kilogramm Insektenfleisch zu erhalten, muss ein Farmer nur zwei Kilo Grünzeug verfüttern. Ein Rind braucht dagegen acht Kilo Futter, um ein Kilo Fleisch anzusetzen. Insekten brauchen zudem weniger Platz und Wasser als Rinder, Schweine und Hühner. Was fast noch wichtiger ist: sie produzieren bezogen auf die Fleischmenge auch weniger Treibhausgase – laut FAO höchstens ein Zehntel dessen, was Schweine von sich geben. Gleichzeitig liefert ihr Fleisch gleichwertige Nährstoffe: Proteine, ungesättigte Fettsäuren und Mineralstoffe wie Calcium, Magnesium, Eisen, Zink, Selen und Phosphor. Die Larven des Mehlkäfers enthalten so viel Omega-3-Fettsäuren wie Fisch. Allerdings variiert der Gehalt je nach Art und Entwicklungsstadium stark.

Wenn sie so nahrhaft sind, warum werden Insekten hierzulande kaum angeboten?

Insekten werden in der EU als neuartiges Essen betrachtet, fallen also unter die Novel-Food-Verordnung. Diese stammt aus dem Jahr 1997, und ihre unscharfe Formulierung sorgte für viel Verwirrung. Da in Deutschland die Lebensmittelprüfung Ländersache ist, variiert die Auslegung von Behörde zu Behörde. Außerdem wird zwischen der Produktion von ganzen Tieren oder Mehl aus ganzen Tieren einerseits und den aus ihnen hergestellten Extrakten andererseits unterschieden. Im vergangenen Jahr ist die Verordnung überarbeitet worden. Die neue Fassung tritt aber erst zum 1. Januar 2018 in Kraft. Spätestens dann werden in Deutschland zahlreiche Lebensmittel aus Insekten auf den Markt kommen, wie zum Beispiel Edel-Burger, Spaghetti und Energie-Riegel aus Insektenmehl. Denn es stehen schon eine ganze Reihe von Start-ups in den Startlöchern. Der Hamburger Versand Snack Insects darf seine gefriergetrockneten Tiere dagegen heute schon versenden. 20 Gramm Heuschrecken kosten allerdings 15,99 Euro – oder 800 Euro pro Kilo. Diesen stolzen Preis begründen die Hersteller damit, dass die Zucht im Moment noch sehr teuer sei. Zum Vergleich: ein Ribeye Steak vom japanischen Wagyu-Rind kostet etwa 150 Euro.

Ist es riskant, Insekten zu essen?

Eine Kommission der Deutschen Forschungsgesellschaft kam zu dem Ergebnis, dass Insekten als Lebensmittel noch unzureichend erforscht sind. Das sehen auch Silke Helble und Christine Wind vom Veterinäruntersuchungsamt Freiburg so. Menschen, die auf Krustentiere aus dem Meer oder auf Hausstaubmilben allergisch reagieren, müssen damit rechnen, dass sie Insekten nicht vertragen. Christoph Thomann, der in Wien Insektenkochkurse anbietet, sagt, er habe eine solche Reaktion allerdings erst einmal erlebt, und das bei etwa 40 000 Kursteilnehmern. Die mikrobiologische Belastung von Insekten schätzt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) ähnlich ein wie die von rohem Fleisch. Silke Helble und Christine Wind empfehlen deshalb, Insekten so vorsichtig zu behandeln wie Hühnerfleisch. So sollte man bei der Verarbeitung keine Messer oder Schneidbretter verwenden, mit denen andere, roh verzehrte Nahrungsmittel zerkleinert werden. Wer die Tiere dann auch noch gut durchgart, braucht nicht mehr mikrobiologische Risiken zu fürchten als bei einer Putenbrust – vorausgesetzt, es handelt sich um gezüchtete Insekten aus seriösen Quellen. Denn die Einschätzung der Behörden gilt nur dann, wenn auch Futter und Substrate bei der Zucht so sorgfältig aufbereitet werden wie bei anderen Nutztieren.

Kann ich Insekten selbst züchten?

Im Prinzip ja. Die österreichische Designerin Katharina Unger etwa hat über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter eine solche Aufzuchtstation für den Heimgebrauch finanziert. Schwerer ist es, Futter und Substrat in lebensmitteltauglicher Qualität zu bekommen.