Sie soll in der Fritteuse weniger Acrylamid produzieren und nach dem Schälen noch lange schön gelb bleiben: die genetisch veränderte Kartoffel „Innate Potato“. In den USA hat sie jetzt die Zulassung als Lebensmittel erhalten – aber nach Deutschland wird sie nicht so schnell kommen.

Stuttgart - In Idaho kennt man sich aus mit Kartoffeln. In den USA werden in diesem Bundesstaat die meisten Knollen geerntet. Dort residiert auch die J. R. Simplot Company, die sich selbst als Erfinder der Tiefkühl-Pommes bezeichnet. Firmengründer John Richard Simplot wurde mit Kartoffeln zum Milliardär, auf seiner Kundenliste steht seit den 60er Jahren auch die Fast-Food-Kette McDonalds. Die Manager des Kartoffel-Giganten kennen den Markt und sollten wissen, was der Verbraucher wünscht. Deshalb ist das Experiment von Simplot bemerkenswert. Das Unternehmen hat im Zuge einer 14 Jahre dauernden Forschungsarbeit eine gentechnisch veränderte Kartoffel entwickelt. Anfang November erhielt das Produkt die Zulassung als Lebensmittel für den US-amerikanischen Markt.

 

Die J. R. Simplot Company beschreibt ihre Kartoffel gern als ein Produkt einer neuen Generation der Gentechnik. Während bisher die Bestandteile von fremden Organismen, beispielsweise aus Bakterien, in Ackerpflanzen eingeschleust wurden, gingen die Gentechniker aus Idaho einen anderen Weg. Sie verwendeten für ihre Veränderungen nur die DNA von wilden und kultivierten Kartoffelsorten, benutzten aber kein artfremdes Erbgut. Der Handelsname des Produkts lautet „Innate Potato“, das bedeutet übersetzt „eingeborene Kartoffel“ und soll wohl die Naturnähe des Verfahrens dokumentieren.

Die neue Genkartoffel entwickelt weniger Acrylamid

In ihrer Werbekampagne verweisen die Kartoffeldesigner gern auf die direkten Vorteile für den Verbraucher. „Innate Potato“ ist spezialisiert für den Einsatz in der Fritteuse. Pommes frites aus der neuen Kartoffelsorte entwickeln im heißen Fett 50 bis 75 Prozent weniger Acrylamid als die herkömmliche Konkurrenz. Acrylamid steht im Verdacht, Krebs zu erzeugen. Vollständig wissenschaftlich gesichert ist dieser Zusammenhang nicht, aber auch in Deutschland gibt das Bundesinstitut für Risikoforschung eine klare Empfehlung: Die Menge von Acrylamid in Lebensmitteln sollte zur Vorbeugung so weit wie möglich reduziert werden.

Das könnte ein wichtiges Argument für die großen Fast-Food-Ketten des Landes werden. In den USA sind Hersteller und Anbieter von Lebensmitteln verpflichtet, die Konsumenten zu warnen, wenn in ihren Produkten der Gehalt an Acrylamid eine bestimmte Schwelle überschreitet, berichtet das Fachportal „Transgen“. Weil sie das versäumt hatten, sind große Ketten, die Kartoffeln verarbeiten, mehrfach zu hohen Geldstrafen verurteilt worden. Doch schon wenige Tage nach der Zulassung erhielt Simplot eine Absage von einem wichtigen Großkunden. McDonalds verwende bisher keine gentechnisch veränderten Lebensmittel und habe keine Absicht, das zu ändern, teilte das Unternehmen mit. Experten bewerteten diese Absage als Vorsichtsmaßnahme, mit der McDonalds eine weltweite Kampagne gegen die Marke verhindern wollte.

Die gelbe Farbe nach dem Schälen bleibt erhalten

Man sei weder überrascht noch enttäuscht, kommentierte ein Unternehmenssprecher die Entscheidung, die keineswegs das Ende der Technologie bedeutet. Denn „Innate potato“ drängt auf einem anderen Weg auf die Teller der Verbraucher. Der gentechnisch veränderten Kartoffel fehlt eine Substanz, die für die grau-braune Färbung von Druckstellen während der Lagerung und des Transports verantwortlich ist. Die gleiche Substanz bewirkt, dass geschälte Kartoffeln nach einiger Zeit braun anlaufen. Der Markt mit frisch geschälten Kartoffeln indes ist das derzeit am stärksten wachsende Segment. Die Interessenten sind Hotels, Catering-Unternehmen und Hersteller von Fertiggerichten, aber auch einfache Verbraucher, die die Knollen aus Bequemlichkeit gleich ohne Schale kaufen wollen. Bisher verhindern Konservierungsmittel und Chemikalien das Anlaufen der geschälten Ware.

Um der Kartoffel die neuen Eigenschaften zu verleihen, haben die Gentechniker massiv in den Stoffwechsel eingegriffen. Die Kartoffel-DNA ist gut untersucht, für viele Gene sind die Aufgaben bekannt. Das gilt sowohl für die wilden Urformen als auch für die gezüchteten Varianten. Für die Forscher ist es einfach, nach den Kartoffelsorten zu suchen, in denen die gewünschten Eigenschaften besonders gut vertreten sind. Diese Gene werden dann in die Kartoffel-DNA eingeschleust. Sie verändern dabei das Aktivitätsmuster der vorhandenen Gene, die Vorschriften der neu eingesetzten DNA-Stücke ersetzen die alten Abläufe. In der „Innate potato“ wurden auf diesem Weg vier Gene abgeschaltet. Die Kartoffel produziert weniger von den Vorläufersubstanzen, aus denen das gefährliche Acrylamid entsteht: eine bestimmte Zuckerart und die Aminosäure Asparagin. Nach den Messungen der Simplot-Ingenieure bleiben die übrigen Inhaltsstoffe der Kartoffel unverändert. Eine Gefahr für die Gesundheit könne deshalb von der gentechnisch veränderten Kartoffel nicht ausgehen, heißt es im Werbematerial des Kartoffelgiganten.

Nun soll die Akzeptanz getestet werden

Ab Frühjahr 2015 will Simplot in kleineren Märkten die Akzeptanz der „Innate Potato“ testen. Zwar gibt es auch in den USA Vorbehalte gegen Gentechnik, in einigen Bundesstaaten haben die Bürger eine Kennzeichnungspflicht für Gen-Produkte aber abgelehnt. Nach Europa soll die Gen-Kartoffel nicht verkauft werden. Zum einen gilt die Lizenz nur für die USA. Zum anderen besitzt das Acrylamid-Argument in Deutschland weniger Kraft. Als das Bundesinstitut für Risikoforschung nach Gefahren durch Lebensmittel fragte, bewerteten die deutschen Verbraucher Gentechnik als gefährlicher als Acrylamid.

Simplots Produkt ist der zweite Versuch, die High-Tech-Kartoffeln auf dem US-Markt einzuführen. Der Saatgutriese Monsanto hatte eine Knolle entwickelt, die ein Gift gegen den wichtigsten Schädling bildete: den Kartoffelkäfer. 1995 brachte Monsanto das Produkt auf die Äcker, sechs Jahre später verschwand es stillschweigend – vor allem, weil die großen Handelsunternehmen und Fast-Food-Ketten den Widerstand der Verbraucher fürchteten. Firmengründer J. R. Simplot soll daran nicht unschuldig gewesen sein, schreibt die „New York Times“. Als der Großhändler für Kartoffeln und Pommes frites bei seinen Kunden die Zurückhaltung spürte, habe er reagiert. Er empfahl damals den Bauern, bei denen er einkaufte, den Verzicht auf den Anbau dieser Genkartoffel.

Gentechnik in den USA

Kartoffeln
Knapp die Hälfte der Kartoffelernte in den USA wird frisch verarbeitet. Ein Drittel landet als Pommes frites oder als anderes Kartoffelprodukt in der Tiefkühltruhe des Verbrauchers. Der Rest der Ernte wird entweder für Chips verwendet oder als Trockenprodukt auf den Markt gebracht.

Gentechnik
Im Gegensatz zu Europa kommen Verbraucher in der USA viel häufiger mit Gentechnik in Berührung. Nach Schätzungen sind dort 70 bis 80 Prozent aller Lebensmittel von gentechnischen Veränderungen betroffen. So sind 93 Prozent der Sojapflanzen gentechnisch verändert, aber auch bei Mais und Raps ist dieser Anteil erheblich.