Deutschlands größtes Gewässer kann künftig zum Heizen und Kühlen verstärkt angezapft werden. Das hat die Internationale Gewässerschutzkommission jüngst beschlossen und entsprechenden Richtlinien geändert.

Stuttgart/Konstanz - Der Bodensee ist als Quelle erneuerbarer Energien in den Blickpunkt gerückt. Im Winter könne die Wärme des Sees mithilfe von Wärmepumpen zum Heizen von Gebäuden genutzt werden, im Sommer hingegen lasse sich das vergleichsweise kühle Bodenseewasser zum Kühlen einsetzen, erläutert der Umweltminister Franz Untersteller. „Dies ist ökologisch und ökonomisch von Vorteil, weil dabei kostenlose Umweltenergie genutzt wird.“ Die Weichen dafür hat jüngst die Internationale Gewässerschutzkommission (IGKB) gestellt. Die Kommission beschloss, den Bodensee als riesigen Energiespeicher verstärkt zu nutzen. Die entsprechende Richtlinien für die thermische Nutzung des Bodenseewassers wurde deshalb neu gefasst.

 

Die bisherige Bodenseepolitik werde nun durch die Nutzung erneuerbarer Energiequellen um den Aspekt des Klimaschutzes ergänzt, sagte Untersteller. Die IGKB folge damit den Empfehlungen des Weltklimarates, der im Kampf gegen die weiter fortschreitende Klimaerwärmung bei der Heizung und Kühlung von Gebäuden zum Energiesparen aufruft und zum verstärkten Einsatz von regenerativen Energien. Baden-Württemberg begrüße den Beschluss, sagte Untersteller. Zugleich aber betonte der Minister: „Der Gewässerschutz steht nach wie vor an oberster Stelle.“

Strenge ökologische Regeln zur Nutzung des Seewassers

Deshalb gelten zum Anzapfen der alternativen Energiequelle auch strenge ökologische Regeln: Die Rückgabetemperatur des thermisch genutzten Wassers darf höchstens 20 Grad Celsius betragen, die Rückgabetiefe sollte in einer Zone zwischen 20 und 40 Meter Tiefe erfolgen. Dies soll gewährleisten, das die natürlichen Schichtungsverhältnisse im See möglichst wenig gestört werden. Ebenso müssen bestimmte Abstände zu Trinkwasserentnahmestellen eingehalten werden.

„Das praktizieren wir schon über 40 Jahre“, sagt Tasso Pick, der Energieberater der Universität Konstanz. Allerdings sei den Verantwortlichen erst vor kurzem tatsächlich bewusst geworden, dass hiermit bereits seit Jahrzehnten eine regenerative Energie genutzt werde. Beim Bau der Universität Anfang der 70er Jahre habe sich diese Möglichkeit ergeben, berichtet Pick.

Damals sei die Trinkwasserversorgung des Zentrums für Psychiatrie Reichenau umgestellt worden, von der eigenen Versorgung mit einem Pumpwerk in Egg auf die Versorgung durch die Stadtwerke. Deshalb konnte die Universität die Leitungen samt Pumpwerk nutzen, um das Seewasser zu den neuen Gebäuden hochzupumpen und damit etwa das Rechenzentrum und die Bibliothek „sehr kostengünstig“ zu kühlen. Rund 500 000 Euro müsste die Universität für diese Kühlleistung heute bezahlen, hat Pick zur Veranschaulichung des Einsparpotenzials ausgerechnet. Das Wasser werde aus 54 Metern Tiefe entnommen. Die Temperatur liege dort ganzjährig bei vier bis fünf Grad.

Die Uni Konstanz hat steigenden Bedarf an Kühlung

Der Bedarf an Kühlung steigt: 2012 wurde die „Schöpfgenehmigung“ auf 2,4 Millionen Kubikmeter jährlich erhöht. Allerdings muss vor einer kompletten Auslastung das Kühlwassernetz erweitert werden. 1984 lag die Wasserentnahme noch bei bei gut 385 000 Kubikmetern, 2003 bereits bei rund 923 000 Kubikmetern, im vorigen Jahr lag er bei 1,28 Millionen Kubikmetern.

Inzwischen setzt die Universität weiter auf Energieeffizienz und baut eine nachhaltige Energieversorgung auf. So wurde unlängst das Gasheizwerk durch den Einbau von zwei Blockheizkraftwerk-Modulen zu einem Heizkraftwerk ausgebaut. Jetzt kann dort auch Strom erzeugt werden, der laut Pick immerhin rund 60 Prozent des eigenen Bedarfs erzeugt.